Branchenecho

Raab in «Absolute Mehrheit»

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Wie fielen die Kritiken der Branche zu einem der spannendsten Experimente des Fernsehjahres aus? Konnte Stefan Raab in der Rolle als Polittalker überzeugen?

Eine Talkrunde zum Thema Politik im deutschen Privatfernsehen - in den vergangenen Jahren war dies eigentlich stets zum Scheitern verdammt. Doch der Auftakt von «Absolute Mehrheit - Meinung muss sich wieder lohnen» kam am späten Sonntagabend auf 1,79 Millionen Zuschauer und sehr beachtliche 11,6 Prozent Marktanteil. Und da sogar 18,3 Prozent der vermeintlich politikverdrossenen werberelevanten Zuschauer erreicht werden konnten, war die Show aus Sicht der Einschaltquoten ein großer Erfolg - zumal die Free-TV-Premiere von «The Social Network» zuvor klar schwächer abschnitt. Doch viele Medienkritiker konnten sich mit dem Inhalt der Sendung kaum anfreunden und übten starke Kritik an Konzept und Moderator. Quotenmeter.de hat einige Pressestimmen zusammengefasst.

Josef Seitz vom Focus sieht den einzigen Unterhaltungswert darin, "Stefan Raab beim Scheitern zuzuschauen" und kritisiert den Talk in der Folge heftig. Immerhin ziehe er sich "ohne jeden 'Speed'", wobei "nicht einmal die Zuschauerabstimmungen überraschen" wissen. Raab selbst beurteilt er als "auffallend unlocker", wobei er "umso öfter sagt, man wolle 'jetzt locker' in die Runde starten, um jetzt 'locker zu werden' und 'locker' zu reden und 'locker' zu sein". Sogar das komödiantische Talent spricht er dem Moderator ab, denn seiner Ansicht nach sei "die einzige Pointe des Abends seinem Sidekick" Peter Limbourg gelungen - als dieser am Ende der Sendung sagt, dass sich Peer Steinbrück mit dem "Schmerzensgeld" von 100.000 Euro "vielleicht eines Tages einige Vorträge sparen könne".

Auch Philipp Stempel von der Online-Plattform der Rheinischen Post kann dem Gesehenen nicht allzu viel Positives abgewinnen, denn hängen bleibe vor allem der Eindruck, dass die Gespräche "gehetzt, zusammenhanglos" und von "ständigen Unterbrechungen" geprägt seien. Auch "das als echte Neuerung angepriesene direkte Feedback erweist sich als nervtötend", da Raab zu häufig "zu seinem Gegenpart Peter Limbourg gesprungen" und damit "jeder Gesprächsansatz auf der Couch abgewürgt" worden sei. Auch kommen "Inhalte und Argumente unter die Räder", da es "zu viele Themen für zu wenig Zeit" gegeben habe. Als "völlig neben der Spur" bezeichnet Stempel einen Witz von Stefan Raab zu FDP-Chef Philipp Rösler: 'Wenn er das beim Abendessen sieht, hoffentlich fallen ihm dabei nicht die Stäbchen aus der Hand.'

Sogar noch eine Spur härter geht Stefan Kuzmany vom Spiegel mit diesem Witz ins Gericht, denn es stelle eine "rassistische Entgleisung" dar, für die "Spaß-Rassist" Stefan Raab von niemanden in der Sendung kritisiert worden sei - "stattdessen versuchen alle, gute Laune zu demonstrieren". Generell scheint er dem Entertainer und dessen Publikum nur wenig abgewinnen zu können, wie gleich die Einleitung seines Artikels demonstriert: "Vielleicht gibt es in diesem Land Menschen, die ihre Fernbedienung in eine leere Pizzaschachtel gelegt und dann versehentlich entsorgt haben. Menschen, deren Fernsehgerät dann unumschaltbar bei ProSieben festhängt, das nun ständig läuft. Sie sehen dann [...] immer wieder Raab, stundenlang." Für Menschen, die dessen Form von Unterhaltung "regelmäßig freiwillig sehen", sei «Absolute Mehrheit» aber immerhin "ein großer Gewinn", denn diese "haben so wenigstens einmal im Leben gesehen, wie ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union aussieht".

Eine sehr deutlich hiervon abweichende Meinung präsentiert die für die Süddeutsche Zeitung arbeitende Ruth Schneeberger, die sogar auf die Kritiker, welche "sich nun damit überschlagen, der Sendung zu attestieren, sie sei zu albern, dem politischen Themenspektrum nicht angemessen und es würden sogar Witze über Politiker gerissen" in Form rhetorischer Fragen Bezug nimmt: "Was haben sie denn erwartet? Dass Raab zum Jauch wird?" Überzeugen könne sie das anderthalbstündige Angebot aufgrund "guter Unterhaltung mit ein bisschen Polit-Profit" und empfindet es als "schade", dass es in diesem Land offenbar "tatsächlich so schwierig" sei, "die Politik mit der Unterhaltung zu verknüpfen". Immerhin sei es Raab gelungen, "den einen oder anderen Politiker aus der Reserve zu locken", was "in den meisten seriösen Polit-Talks höchst selten geworden - und manchmal geradezu verschrien" sei. Kritik übt Schneeberger aber an den "tendenziösen und in der Tat unseriösen Einspielfilmchen, die in die Diskussionsthemen einführen sollen".

Peer Schader von der Frankfurter Rundschau beurteilt das Format als "für echte politische Debatten zu schnell" und "inhaltlich mindestens genauso mau wie bei den üblichen Verdächtigen der öffentlich-rechtlichen Sender". Auf der anderen Seite reiche es jedoch allemal, "um den Polit-Talk im deutschen TV wachzurütteln" und sei ein Versuch, "sonst eher politikfernen Zuschauern wenigstens einen winzigen Einblick in das zu liefern, was sonst ohne sie verhandelt wird". Zudem habe Raab mit dieser Sendung das Zeug dazu, "den öden Polittalk im deutschen Fernsehen wieder wachzurütteln". Die größte Herausforderung der Redaktion bestehe jedoch darin, "Politiker dafür zu gewinnen, sich überhaupt in eine Sendung zu setzen, mit deren Konventionen sie nicht vertraut sind und in der die Gefahr besteht, schon nach wenigen Minuten als derjenige dazustehen, der die Zuschauer am wenigsten mitreißen konnte".

Auch Quotenmeter.de veröffentlichte am Montag eine ausführliche Kritik zum neuen Raab-Format. Was Chefredakteur Manuel Weis sowie Mediencoach Marcus Ewald zu diesem Konzept sagen, erfahren Sie hier.

Kurz-URL: qmde.de/60324
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