Wolfram Kons, der „RTL-Spendenmarathon 2012“ steht an. Was ist nach so vielen Jahren immer noch so besonders an diesem Charity-Event?
Das Besondere ist, dass wir da eigentlich alles, was sonst im Fernseh-Tagesgeschäft wichtig ist, außer Acht lassen: Da geht es mal nicht nur um Quoten, Audienceflow und die anderen Parameter, die sonst wichtig sind. An dem Tag geht es darum, Kindern zu helfen. Wir sind natürlich total glücklich, dass wir dieses Format vor 17 Jahren ausprobiert haben. Damals haben alle gesagt: Das kannst Du nicht bringen, das haut Dir den ganzen Audienceflow des Tages auseinander. Inzwischen ist es so, dass es hervorragend funktioniert und alle Sendungen mit eingebunden werden. Die Soaps bauen das inzwischen dramaturgisch clever und spannend in ihre Drehbücher mit ein. Da sind alle glücklich und stolz dabei zu sein.
Die Bundesregierung veröffentlichte den Armutsbericht, der dem eigentlich reichen Deutschland kein gutes Zeugnis ausstellte. Veränderten Sie daraufhin den Fokus des diesjährigen Spendenmarathons?
Wir kümmern uns mit der Stiftung ´RTL – Wir helfen Kindern´ seit vielen Jahren um das Thema Kinderarmut. Wir haben für uns festgelegt, dass wir immer mehr als die Hälfte der Spenden hier in Deutschland einsetzen. Schön, dass die Bundesregierung da inzwischen auch drauf gekommen ist. Von Anfang an haben wir auch Projekte in Deutschland gefördert. Das ist übrigens auch ein ganz persönliches Anliegen von Anke Schäferkordt, die ja nicht nur RTL-Chefin ist, sondern auch Vorsitzende der RTL-Stiftung ´Wir helfen Kindern´.
Neben dem Armutsbericht finde ich den Kinderbericht der Bertelsmann-Stiftung noch aussagekräftiger. Kennen Sie die Stadt mit der höchstem Kinderarmutsrate in Deutschland? 41 Prozent sind es - in Gelsenkirchen. Und genau da bauen wir mit der RTL-Stiftung und dem Paten Manuel Neuer ein RTL-Kinderhaus.
Sie sind seit diesem Jahr auch selbst Vater eines Sohnes, der hoffentlich wohl auf ist. Wie verändert das Ihre Sichtweise, wenn man weiß, dass es leider nicht allen Kindern auf der Welt so gut geht?
Durch das eigene Kind sieht man jetzt viele Dinge noch sehr viel intensiver. Ich habe in den letzten 16 oder 17 Jahren so viele Kinder gesehen, denen es nicht gut geht. Da ist man noch dankbarer und demütiger dass man selbst einen pumperlgesunden Sohn vom lieben Gott geschenkt bekommen hat. Aber nicht nur deshalb sage ich Ihnen, dass es unsere verdammte Pflicht ist, sich einzusetzen: Ich als Mann, der im Spendenmarathon alles geben kann und unser Sender, der so erfolgreich ist, als echter Partner der Gesellschaft. Das wird hier im Haus als selbstverständlich angesehen, dass man teilen und helfen muss.
Kaum eine andere Charity zeigt so transparent, wohin die Spendengelder gehen. Kritiker werfen diesem entgegen, dass dafür Schicksale zur Schau gestellt werden. Wie sehen Sie diese moralische Verantwortung?
Wir haben in 17 Jahren noch nie ein einziges Kind oder eine Familie im Rahmen des Spendenmarathons zur Schau gestellt. Was wir wollen ist, den Menschen zu zeigen, wie die Lebenssituation von Kindern in Deutschland und anderen Ländern der Welt, denen es nicht so gut geht, wirklich ist. Wir drehen da sehr sensibel und in kleinen Teams, mit minimalem Produktionsaufwand in den Projekten. Natürlich müssen wir den Zuschauern zeigen, wohin ihr Geld fließt. Das machen wir, indem wir nicht nur zeigen, wie es dort vorher aussah, sondern auch, was aus dem Geld geworden ist. Das ist unser Credo: Versprochen ist versprochen. Wir gehen aber natürlich auch dort hin, um genau zu kontrollieren, was aus den Spendengeldern geworden ist – auch unangekündigt und ohne Kamerateam. Das spielt sich also nicht nur alles vor den Kameras ab. Und es gibt auch viele kleine Projekte, die wir hinter den Kulissen realisieren und gar nicht drehen. Da helfen wir einfach und gut ist.
Was unterscheidet Ihre Charity von anderen TV-Spendenaktionen?
Bei uns kommt jeder Cent an, weil RTL alles zahlt: Die Produktionskosten, Reisen und so weiter. Wir gehen mit den prominenten Paten, die wir einsetzen, IN die Projekte. Das heißt, wir haben keine Leute, die nur mal eben ihre neue Platte oder ihr Buch verkaufen wollen und damit ihr Image pflegen wollen. Das wollen wir nicht. Die Liste von Menschen, die wir als Paten nicht genommen haben, ist mindestens so prominent, wie die Liste an Leuten, die bei uns Paten sind – auch, weil wir denen viel abverlangen. Wir sagen: Du musst nicht nur einmal zu Deinem Projekt, nicht nur einmal für die Kameras. Du musst das wirklich leben und nach einem Jahr wieder dahin, um zu zeigen, was daraus geworden ist. Bei anderen Sendungen kennen die sogenannten Paten die Projekte kaum, lassen sich nur im Studio blicken. Das können die so machen. Aber das ist nicht unser Anspruch. Das unterscheidet uns sicherlich.
Was bedeutet für Sie Armut?
Armut ist sicherlich nicht nur die Abwesenheit von genug Essen. Das ist ein ganz komplexer Begriff. Also keine vernünftige Bildung und Ernährung, nicht ausreichend Sport, nicht ausreichend kulturelle Impulse. Dazu ganz oft ein Umfeld mit zu wenig Liebe. All diese Komponenten kommen da zusammen. Ich will mich jetzt gar nicht auf Zahlen beziehen, die ich im Armutsbericht oder bei der Bertelsmann-Stiftung lese. Es sind viele langfristig prägende Faktoren, die sich als Folge von Armut einstellen.
Bei «RTL Punkt 6» sind Sie Frühaufsteher. Haben Sie sich im neuen Studio-Design schon gut eingelebt?
Ja, ich sitze deutlich besser (lacht). Ich fand vorher diese unheimlich schicken Sessel unheimlich unbequem. Grausam! Ich glaube, die hätte man nur mit dem Ergotherapeuten ausliefen dürfen. Jetzt haben wir wieder eine Bank, so wie ich es mir gewünscht habe. Das ist für uns alle morgens deutlich bequemer und wir Moderatoren können da morgens auch mal richtig kuscheln. Insgesamt sieht es gut aus und deutlich frischer. Wir bekommen viele positive Zuschauerreaktionen. Ich finde, es könnte sogar noch ein bisschen kuscheliger werden“
Wie sehen Sie die Debatte um sinkende Zuschauerzahlen bei Nachrichtensendungen?
An mir als Zuschauer hat es nicht gelegen, ich bin nach wie vor ein News-Junkie (lacht). Aber das gucken wir uns als Nachrichtenmacher natürlich sehr intensiv an. Wenn es ein gesellschaftlicher Trend wäre, dass die Menschen grundsätzlich weniger Nachrichten konsumieren, wäre es natürlich erschreckend. Denn gerade in dieser Zeit der Umbrüche, sollte sich jeder persönlich die Frage stellen: Was habe ich für verlässliche Quellen, denen ich auch kontinuierlich glaube, Aufmerksamkeit und Zeit schenke, um in meinem Leben auch eine verlässliche und seriöse Nachrichtenorientierung zu erzielen? Jeder Einzelne muss sich heutzutage noch intensiver die Frage stellen, wie und wo informiere ich mich in einem fast unübersehbaren Meer an Informationen am besten? Wo sind die Inseln, auf die ich immer wieder komme, um mich zu informieren und zu orientieren?
Was ist dann das Geheimnis der erfolgreichen RTL-Nachrichten?
Ich glaube, dass dieser Grundsatz, dass wir sehr nahe an den Menschen dran sind, funktioniert: Wir versuchen immer „News, you can use“ zu produzieren. Und das in einer deutlich verständlicheren Sprache und einer Nähe der Moderateren zu den Zuschauern.
Da spielt auch Glaubwürdigkeit eine Rolle. Wie sehen Sie da die Debatte um den ZDF-Beschwerdeanruf aus der Politik?
Sie werden sich wundern, aber ich bin in meinem ganzen journalistischen Leben - weder bei RTL noch vorher beim Radio - noch nie parteipolitisch von irgendeinem Parteisprecher bedrängt worden. Ich bin auch noch nie inhouse irgendwie politisch manipuliert oder bedrängt worden. Ich habe so etwas in 28 Jahren Radio und TV selbst noch nie erlebt. Das spricht eigentlich sehr dafür, dass wir in einer sehr freien und unabhängigen Gesellschaft leben. Die Umstände innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Senders sind natürlich anders. Ich liebe die «Tagesschau», «heute», «heute-journal». Aber die Diskussion ist doch total scheinheilig, wenn Sie sehen, wie die Parteien da ohnehin innerhalb der Sender-Organe implementiert sind. Und dann wird da so ein Pressesprecher geschlachtet. Das ist doch absurd! Das ist eine verlogene Debatte.
Im November waren Sie jahrelang nicht nur beim «RTL-Spendenmarathon», sondern auch beim «Domino Day» zu sehen. Was gibt es da Neues?
Wir haben in diesem Jahr keinen «Domino Day» geplant. Ich persönlich hoffe, dass es das mal wieder geben wird. In den letzten Jahren haben wir leider ausgesetzt. Es war am Anfang natürlich wahnsinnig spannend. Es ging ja zwischen Asien und Europa immer wieder hin und her mit den Rekorden um Millionen an Dominosteinen. Das war der Wahnsinn. Leider ist mit der Anzahl der Steine auch die Anzahl der Euros gestiegen, die das Ding kostet. Irgendwann kommen Sie da in eine Höhe, in der das kaum zu finanzieren ist. Die Zuschauerzahlen waren natürlich gigantisch. Die waren in «Wetten, dass…?»- und Länderspiel-Höhe. Es hat jedes Jahr einen riesen Spaß gemacht mit Ulli Potofski, Linda de Mol und später dann mit Frauke Ludowig. Das war das größte Kinderzimmer der Welt, das wir abgefilmt haben. Das war immer ein riesen Erlebnis. Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn es das nochmal geben würde, vielleicht nochmal mit einem Mega-Rekord. Aber das ist eben sehr teuer, da es keine serielle Produktion ist. Dementsprechend brauchen Sie mehrere Sender, die das refinanzieren - oder einen Investor, vielleicht einen Domino-Scheich oder so (lacht).
Eine Woche nach dem RTL-Spendenmarathon ist der 1. Advent. Wie verbringen Sie Weihnachten?
Wir wohnen ja auf dem Land. Da gibt es so eine romantische Wallfahrer-Kapelle und die gesamte Hofgemeinschaft trifft sich am Heiligabend, wo dann die Weihnachts-Geschichte vorgelesen und musiziert wird. Dieses Jahr mit unserem ersten Kind wird das bestimmt besonders emotional, da haben wir unser eigenes kleines Krippenkind (lacht). Ich bin ja ein großer Freund der Weihnachtskrippe. Die hat mein Vater für uns geschnitzt. Die Figuren habe ich von einem Oberammergauer Krippenfigur-Schnitzer, bei dem ich auch jedes Jahr ein bisschen aufrüste. Ein neuer Hirte, zwei neue Schafe... Das macht mich sehr glücklich und besinnlich, das alles jedes Jahr wieder aufzubauen.“
Alles Gute und vielen Dank für das sympathische Gespräch, Wolfram Kons.