Inhalt:
Ida Schmidt ist Sterneköchin und Küchendirektorin in einem Berliner Luxus-Hotel. Die impulsive Frau steht in dieser harten Berufswelt ihren Mann. Fachlich kann kaum jemand an sie heranreichen.
Auch privat ist Ida eine Einzelkämpferin. Sie hat weder einen Partner noch Kinder noch Freunde. Einzig Tercan, Fahrer für eine Berliner Tafel, schafft es immer wieder, Ida auf Augenhöhe herauszufordern. Als er eines Tages vom Hotel ausrangierte Lebensmittel abholt, erfährt Ida von dem sozialen Jugendwerk "Die Barke", wo Kinder aus sozial schwachen Familien nach der Schule verpflegt und umsorgt werden. Dort begegnet Ida der elfjährigen Mandy Wittmann, deren starker Charakter die Köchin fasziniert. Beeindruckt und bedrückt von der ihr fremden Welt und ermutigt von Tercan entschließt Ida sich, in der "Barke" einen Kochkurs für Kinder anzubieten. Sie möchte ihnen zeigen, dass man gesund und preiswert kochen und essen kann, statt sich mit Fastfood vollzustopfen. Ida und Mandy lernen sich besser kennen. Das Mädchen berichtet von sich und ihrer Familie und beschreibt dabei eine heile Welt. Dass das nicht stimmen kann, ahnt Ida zunächst nur. Denn die ganze Wahrheit bleibt Mandys Geheimnis.
Darsteller:
Anna Loos («Tatort», «Weissensee») ist ida Schmidt
Hanna Müller ist Mandy Wittmann
Erhan Emre («Unschuldig», «Mordkommission Istanbul») ist Tercan
Christina Große («Wunschkind», «Tatort») ist Susanne Wittmann
Alexander Hörbe («Tatort», «SOKO Leipzig») ist Andreas Wittmann
Kritik:
Ist es angebracht, ein augenscheinliches Sozialdrama mit dem Wort „erfrischend“ zu umschreiben? Schaut man sich den von Tim Trageser («Tatort») realisierten ZDF-Film „Mandy will ans Meer“ an, so fällt auf, dass Freud und Leid derart nah beieinander liegen können, dass sich dramatisch und erfrischend eben nicht per se ausschließen müssen. Entgegen der standardisierten Machart dramatischen Stoffes bewegt sich der Streifen schnell weit weg vom Grundsatz. Verantwortlich dafür ist ein äußerst stimmiges Drehbuch des eher für leichtere Kost bekannten Autoren Christian Pfannenschmidt, der sich mit seiner Arbeit an «Mandy will ans Meer» auf ernstes und vor allem anspruchsvolles Terrain begibt.
Anna Loos spielt hier eine toughe Sterneköchin. In dieser von Männern dominierten Arbeitswelt muss sich ihre Figur der Ida durchboxen und tut dies bisweilen mit brachialen Methoden. Dass sich ihre Rolle vor allem in der Anfangsphase des Streifens an der Grenze zur Karikatur befindet, wirkt zu Beginn ein wenig störend, da es dem Realismus einen kleinen Dämpfer verpasst. Auch die anderen Figuren wirken zunächst oberflächlich gezeichnet. Neben der harten, fast männlich wirkenden Ida gibt es den liebenswerten, sozial engagierten Klischeetürken, der von seiner Charakterzeichnung das exakte Gegenteil zu Ida abgibt. Dass die beiden bereits in der ersten Viertelstunde im Bett landen, setzt dem Stereotyp schließlich die Krone auf, wirkt aber wie ein Bruch – ab diesem Techtelmechtel geht die Handlung in die Tiefe und nimmt beeindruckende Formen an.
Die Story thematisiert von nun an, wie sich die Rolle von Anna Loos einer glaubwürdigen, jedoch teilweise zu flotten Charakterwandlung unterzieht. Zudem wird der Ton rauer, die Stimmung ein wenig trübseliger. Dennoch kommt «Mandy will ans Meer» nie von ihrer doch positiv gestimmten Atmosphäre ab. Ganz so, als wäre das Thema „Hoffnung“ das von den Machern gewählte Leitthema.
Vor allem aus Sicht der Darstellerleistung kann der Streifen zusätzlich überzeugen. Nicht nur Anna Loos, die hier eine tolle Leistung abliefert, da sie ihrer Figur gekonnt den notwendigen Facettenreichtum einverleibt, beeindruckt. Vor allem die junge Hauptdarstellerin Hanna Müller, die in «Mandy will ans Meer» ihre erste große TV-Rolle spielt, bewegt sich auf einem außerordentlichen Niveau. Wer hingegen ein wenig blass bleibt, ist Erhan Emre. Dennoch ist seine Rolle nicht derart ausgeprägt angelegt, dass diese Tatsache übermäßig stören würde. Vielmehr ist es schlichtweg schade. In den Nebenrollen geben vor allem Alexander Hörbe und Christina Große als Mandys Eltern eine herausragende Figur ab.
Ab der Hälfte des Films wird der Ton schließlich noch eine Spur direkter und die Stimmung deutlich düsterer. Von nun an wird das Thema „Gewalt in der Familie“ in drastischen, schockierenden und leider realitätsnahen Bildern vermittelt. Dankenswerterweise ohne dabei das bereits erwähnte, augenscheinliche Leitthema der Hoffnung aus den Augen zu verlieren. Wenngleich die Stimmung stellenweise mehr als bedrückend ist, ist es vor allem den Darstellern und deren punktgenauem Schauspiel zu verdanken, dass sich «Mandy will ans Meer» nie in einen pessimistischen Tonfall flüchtet. Vielmehr regen die Macher gerade mit ihrer Machart zum Nachdenken an und es scheint, als teilen sie den Streifen durch Schwarzblenden in kleine Kapitel auf. Auf ein negatives folgt eines mit positivem Unterton. Durch die aufkommende Intensität und den durch und durch greifbaren Realismus ohne den Aufbau übermäßiger Dramatisierung, wirkt vor allem das Ende alles andere als klischeehaft, was Standard-Dramen überdrüssig gewordenem Publikum sicherlich gefallen wird.
Fazit: «Mandy will ans Meer» verpackt ein deftiges Thema in eine Geschichte, die auch in traurigen Momenten Haltung bewahrt und nie in Hoffnungslosigkeit stürzt. Die Darsteller liefern auf den Punkt exzellente Leistungen ab und vor allem in der zweiten Hälfte nimmt der Streifen eine ungeheure Intensität an. Wehrmutstropfen sind vor allem die zu Beginn überzeichneten Figuren und die oberflächlich bleibende Rolle des Tercan, gespielt von Erhan Emre. Dennoch: «Mandy will ans Meer» ist ein absolut sehenswertes TV-Drama, welches auch weniger Drama-affines Publikum mit Sicherheit überzeugen wird.
Das ZDF zeigt «Mandy will ans Meer» am Montag, den 26. November um 20:15 Uhr.