Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Half Man, Full Filth

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Angus T. Jones zieht über seine Serie «Two and a Half Men» her. Ein Kommentar.

Skurriler geht es kaum: Angus T. Jones, Sitcom-Star in «Two and a Half Men» seit 2003, bezeichnet seine Serie in einem aktuellen Video-Interview als Dreck, den sich die Fernsehzuschauer nicht „reinziehen“ sollten. „Hört auf, diese Show anzuschauen und euren Kopf mit Dreck zu füllen“, so der Schauspieler im besagten Youtube-Video. „Die Leute sagen, Fernsehen ist nur Unterhaltung. Aber informiert euch, welche Effekte das Fernsehen auf euch und euer Gehirn hat.“ Jones betont, dass er zwar in «Half Men» mitspiele, dies aber eigentlich nicht wolle.

Tituliert wird das Video, das bereits über eine Million Mal angeklickt wurde, als „Angus Jones‘ Zeugnis“ – gemeint im christlichen Sinne. Ein Zeugnis, das er gegenüber den sogenannten „Forerunner Chronicles“ macht, einer äußerst dubiosen religiösen Gemeinde mit einem Mentor namens Christopher Hudson. Dieser ist ebenfalls im Jones-Video zu sehen – und generell auch bekannt für seine hetzerischen Parolen, die er im Internet verbreitet: Hudson als selbsternannter „Forerunner“ seiner Gemeinde ist gegen Schwule, gegen Obama, gegen die Entertainment-Industrie und für die These, dass die Tode von Osama bin Laden und Michael Jackson nur Teil einer Verschwörungstheorie seien. 2009 sagte er: „Satan nutzt Medien wie Musik- und die Modeindustrie, die uns auf einem basalen Level verführen und mit unseren Sinnen spielen, um uns aus einer sinnvoll rationalen Beziehung mit Gott herauszuziehen.“

Angus T. Jones scheint der Meinung dieser Sekte, die sich zu den sogenannten Siebenten-Tags-Adventisten zählt, zuzustimmen – anders sind seine Hasstiraden gegenüber seiner eigenen Serie nicht zu erklären. Aber genau hier liegt das Dilemma: Jones selbst ist Teil dieser verteufelten Entertainment-Industrie. Ernst nehmen kann man seine Thesen daher nicht. Es ist zwar grundsätzlich zu loben, wenn sich ein Fernsehschaffender gegenüber seinem Medium kritisch zeigt und die eigenen Gewohnheiten hinterfragen lässt – aber in diesem religiösen Kontext wirken diese Parolen sinnfrei und lächerlich. Zumal Jones eventuell sogar weiterhin in «Two and a Half Men» auftritt, trotz des Videos: In den noch zu produzierenden Folgen für die zehnte Staffel ist er ohnehin nicht am Set, weil sein Seriencharakter Jake bei der Army Dienst verrichtet. Aber ein Wort über das weitere Engagement ist noch nicht gesagt, sowohl Warner als auch Produzent Chuck Lorre haben sich bislang nicht geäußert. Im Fernsehen ist Jake Harper noch mehrere Monate zu sehen.

Es läuft wohl dennoch alles darauf hinaus, dass der halbe Mann aus «Two and a Half Men» nicht mehr in einer potenziellen elften Staffel auftaucht: Sollte er wirklich dieser Sekte treu blieben, kann er sein vermeintlich „satanisches“ Engagement gar nicht weiterführen (und wohl auch kein anderes mehr in den Medien). Zudem ist Warner hart gegenüber kritischen Darstellern – auch bei Sheen hätte niemand gedacht, dass er ersetzbar sei.

Dennoch: Ohne Angus T. Jones, ohne Charlie Sheen ist die Sitcom nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Einschaltquoten sind dank des erfolgreichen Vorprogramms «The Big Bang Therory» in den USA zwar noch gut, aber CBS hat genügend Alternativen. Seien wir ehrlich: Die Zeit von «Half Men» ist schon seit dem Ausstieg Sheens vorbei; nun hat sie auch noch einen weiteren überreichen Kinderstar produziert, der sein Geld und seine Karriere wegwirft. Was die „Forerunner Chronicles“ selbstverständlich anders sehen. Im Vorspann des ominösen Videos ist zu lesen: „Dieser junge Mann ist nicht dem allzu bekannten Niedergang vieler Hollywood-Kinderstars gefolgt. Stattdessen blickt er auf, und er sieht sein Engagement in der Show als Möglichkeit, seinen Glauben den Leuten zu vermitteln, die sonst nie Jesus‘ Namen gehört hätten außer in negativer Hinsicht.“ Welch tragische Ironie ist dieser Abgang von Angus T. Jones. Vielleicht stattet er Charlie Goodson alias Charlie Harper mal einen Besuch in dessen Therapiestunde bei «Anger Management» ab…

Jan Schlüters Branchenkommentar gibt es jeden Mittwoch nur auf Quotenmeter.de.

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