Story
Anne und René Winkler befinden sich zu später Stunde auf dem Heimweg, als sie miterleben müssen, wie drei Jugendliche in der Straßenbahn andere Fahrgäste bedrängen. Schließlich spricht Anne die Betrunkenen auf ihr Verhalten an, muss jedoch feststellen, dass ihre Kritik auf taube Ohren stößt. Als das Paar aussteigt, wird es heimlich von den jungen Männer verfolgt und kurz darauf hinterrücks attackiert. Erst als die Polizisten Phillip Rahn und Peter Maurer auf den Überfall aufmerksam werden und eingreifen wollen, lassen die Jugendlichen von ihren Opfern ab und flüchten vor den Beamten.
Während René Winkler schon bald nach der Einweisung ins Krankenhaus wieder stabil ist, schwebt seine Lebensgefährtin auch die folgenden Tage in Lebensgefahr. Als die Kommissare Saalfeld und Keppler die Ermittlungen aufnehmen, glauben sie zu wissen, weshalb die beiden Polizisten, die Zeugen des Überfalls waren, beim Verhör behaupten, die Täter nicht beschreiben zu können: Einer der Jugendlichen aus der Straßenbahn ist Rahns Sohn Tobias, der wie seine Freunde Marcel und Robin nicht bestreitet, dort gepöbelt zu haben. Den Vorwurf, das Trio gewesen zu sein, dass die Winklers anschließend niederschlug, streiten sie jedoch ab und können zunächst, da niemand sie zweifelsfrei identifizieren kann, nicht belangt werden.
Trotz der Bemühungen der Kommissare schweigen die betroffenen Polizisten eisern, zudem haben sich die vermeintlichen Täter abgesprochen und decken sich gegenseitig. Die Dienststelle der beiden Beamten stärkt ihren Männern den Rücken, als wenig hilfreich erweist sich auch die Aufdringlichkeit der Presse. Durch die offensichtliche, wie nicht zu beweisende Schuld der Verdächtigen, die Saalfeld und Keppler dazu zwingt, die drei auf freiem Fuß zu lassen, geraten sie immer mehr in die Kritik. An zusätzlicher Brisanz gewinnt der Fall, als René Winkler sich gezwungen sieht, selbst für Gerechtigkeit zu sorgen.
Darsteller
Simone Thomalla als Hauptkommissarin Eva Saalfeld
Martin Wuttke als Hauptkommissar Andreas Keppler
Maxim Mehmet als Kriminaltechniker Menzel
Stefan Kurt («Dreileben – Eine Minute Dunkel») als René Winkler
Natascha Paulick («Der kalte Himmel») als Anne Winkler
Wotan Wilke Möhring («Der letzte schöne Tag») als Phillip Rahn
Jonas Nay («Homevideo») als Tobias Rahn
Carina Wiese («Alarm für Cobra 11») als Ulrike Rahn
Antonio Wannek («Der Felsen») als Marcel Degner
Vincent Krüger («Gute Zeiten, schlechte Zeiten») als Robin Franke
Rainer Piwek («Ein Dorf sieht Mord») als Peter Maurer
Winnie Böwe («Kriegerin») als Frauke Maurer
Kritik
Eines ist dem neusten Werk aus der Leipziger «Tatort»-Schmiede des MDR nicht abzusprechen: Es weiß seine potentiellen Zuschauer an sich zu binden. Dazu trägt der überzeugend inszenierte Beginn des Films bei, noch früher macht der Titel auf sich aufmerksam. Denn weshalb die Wahl auf «Todesschütze» fiel und welche Figur diese Bezeichnung verdient, wird nur denjenigen Zuschauern deutlich, die dem Programm bis zum Ende der Laufzeit treu bleiben und gewillt sind zu erfahren, wie sich die Geschichte einer fatalen Zivilcourage zum ausufernden Polizeiskandal entwickelt.
Der Einstieg in die Erzählung gelingt Regisseur Johannes Grieser gut, unterstützt wird die sichere Umsetzung vom schauspielerischen Können der drei jungen Täter im Zentrum des Geschehens. Deren Figuren gewinnen mit fortlaufender Spieldauer an Schärfe, das Aufbrechen des scheinbar unverwüstlichen Trios wird durch die Herausbildung ihrer unterschiedlichen Charaktergrundlagen sehr gut betont. Dass der freundschaftliche Bund aus Robin, dem Kind einer zerrütteten, bildungsfernen Familie, dem naiv-pubertären Tobias und dem beide beherrschenden und die negativen Eigenschaften seiner Begleiter vereinenden Marcel in selbem Maße zerbrechen muss, wie das Lügenkonstrukt der gesamten Täterriege, wird von Minute zu Minute deutlicher.
Winnie Böwe und Rainer Piwek, die dem alles auslösenden Ehepaar Maurer zur filmischen Gestalt verhelfen, zeigen die zerstörerische Entwicklung katastrophaler Courage, an die sich fehlende Hilfe anschließt, die in der größten Hilflosigkeit im scheinbar zuverlässigen Gerechtigkeitssystem – namentlich Selbstjustiz – gipfelt. Der Weg von den selbstlos Helfenden hin zum hilfebedürftigen Verzweifelten zieht sich wie ein roter Faden durch den «Tatort: Todesschütze». Getrübt wird dieser allerdings von der allzu gefühlsunfähigen Umgebung, in der sich das Opfer René Winkler wiederfindet – betrübliche Neuigkeiten vermitteln Ärzte, Schwestern und die Polizei dem besorgten Ehemann ähnlich kühl wie Bahnsteigansagen, die ihr Bedauern über die Verspätung eines Fernverkehrszuges zum Ausdruck bringen.
Simone Thomalla und Martin Wuttke spielen ihre Rolle ohne große Überraschungen – für solche gibt der Film auch keinen Anlass. Die unverwechselbare Art des Kommissar Keppler kommt im Dialog mit den vertuschenden Polizeikollegen aber besonders schön zur Geltung. Etwas enttäuschend hingegen wirkt das Spiel von Wotan Wilke Möhring, der seiner Darstellung etwas mehr Selbstsicherheit im Umgang mit dem schnüffelnden Duo Saalfeld und Keppler hätte gönnen können. Die offensichtliche Unfähigkeit seiner Figur Phillip Rahn, ihr falsches Spiel vor den Kollegen zu verbergen, passt nur bedingt zur sich im Erzählverlauf herauskristallisierenden Erfahrung im für ihn bislang folgenlosen Brechen elementarer Moralvorstellungen.
Die Handlung nimmt etwa zur Halbzeit deutlich an Fahrt auf, leider nicht ohne hie und da zu übersteuern. Der für die Zuschauer mit Beginn an klare Eröffnungstat des Krimis fügen sich weitere Verbrechen an, die teilweise dazu neigen, nicht nur die Ermittler, sondern auch die Betrachter auf den heimischen Sofagarnituren zu verwirren. Mehrheitlich wirken diese Elemente aber positiv auf Intensität und Spannung, den Autoren Mario Giordano und Andreas Schlüter ist ein gelungenes Werk zuzusprechen, dem ein umfangreiches Publikumsinteresse zu gönnen wäre.
Das Erste strahlt «Tatort: Todesschütze» am Sonntag, den 02. Dezember 2012, um 20.15 Uhr aus.