In den vergangenen Jahren durfte sich quasi jeder einmal an der Moderation des ZDF-Jahresrückblicks versuchen, der einen bekannten Namen in der TV-Landschaft hatte: Ein inzwischen in die völlige Bedeutungslosigkeit entschwundener Johannes B. Kerner, ein ehemals hochgeschätzter deutscher Entertainer Thomas Gottschalk, der zur Zeit die Senderlandschaft abgrast wie kaum ein anderer sowie ein Hape Kerkeling, der sich zuletzt sehr rar machte. Da war es keine große Überraschung, dass die Mainzer für «Menschen 2012» mit Markus Lanz auf ihre neueste Allzweckwaffe zurückgriffen. Inhaltlich konnte die Sendung am Sonntagabend durchaus Duftmarken setzen und griff nahezu alle relevanten Themen des Jahres auf, wirkte damit allerdings bisweilen auch etwas überfrachtet.
Zu Beginn ist jedoch erst einmal alles wie immer, wenn Markus Lanz auf das Publikum losgelassen wird: Er lächelt verschmitzt in die Kamera, grüßt mit seinem standardisierten "Schönen guten Abend, meine Damen und Herren. Schön, dass Sie dabei sind, herzlich willkommen" - wobei er immerhin den Hinweis auf eine "hochspannende Runde heute" weglässt - und möchte rasch zum Wesentlichen kommen. Ob er zu diesem Zeitpunkt schon ahnt, dass sich das ursprünglich für 23:15 Uhr geplante Sendeende bis kurz vor Mitternacht hinziehen wird, ist unklar. Doch angesichts der unglaublichen Fülle an Gästen, Themen, Einspieler und Showacts, die folgen soll, fällt es schwer zu glauben, dass irgendein Verantwortlicher tatsächlich von "nur" drei Stunden Ausstrahlungszeit ausging.
Doch nach knapp fünf Minuten des Dauerlächelns und erster Versuche, wieder einmal unter Beweis zu stellen, dass Lanz-Witze noch immer für unangenehme Momente der Fremdscham garantieren, wird mit «Ziemlich beste Freunde» der Kinohit des Jahres thematisiert. Der nur bedingt an Hintergrundgeschichten zu cineastischen Werken Interessierte erfährt, dass der Film auf einer wahren Geschichte beruht und das Gespann aus Philippe Pozzo di Borgo und Abdel Yasmin Sellou den beiden Hauptfiguren tatsächlich ähnlicher sind als man annimmt. Diese Geschichte gleich an den Anfang zu stellen, ist angesichts der vergleichsweise geringen Prominenz der beiden Interviewpartner durchaus mutig, vor allem weil man sich ihnen gleich 20 Minuten lang widmet. Zu diesem Zeitpunkt kann ja noch keiner ahnen, dass noch immer weit mehr als drei Stunden vor einem liegen.
In der Folge fällt der Jahresrückblick vor allem durch zwei Dinge auf: Die starke Sprunghaftigkeit der thematischen Schwerpunkte und die immer gleiche Herangehensweise in Form von Einspielfilmen und anschließenden Interviews. Dies macht man mit der als Talkshow-Gast sehr dankbaren Ex-Biathletin Magdalena Neuner nicht anders als mit einer sich für Pinguine in Form von kleinen Strickpullis engagierenden Frau oder Auma Obama, mit der die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten aufbereitet werden soll. Lanz selbst ist hierbei kaum etwas vorzuwerfen, denn er beweist in den oftmals einfach etwas zu lang geratenen Gesprächsrunden wieder einmal, dass er hierfür ein deutlich feineres Händchen als beispielsweise ein Gottschalk oder Beckmann besitzt.
Für die erste kleinere Abwechslung vom für eine Primetime-Show doch etwas arg mühsamen Dauergerede sorgt um kurz nach 21 Uhr endlich ein Einspielfilm, der mit einigen Kuriositäten des Jahres für eine gewisse Erheiterung sorgt. Der erste wirkliche Programminhalt mit Mehrwert folgt - leider wieder nur in Form einer Gesprächsrunde auf der Couch - kurz danach, als drei "Uschis" zum Aus der Drogeriekette Schlecker befragt werden und der nur oberflächlich aufgeklärte Zuschauer erfährt, dass nicht die Mitarbeiterinnen aller Filialen über Überwachungs- und Ausbeutungsskandale klagen. Doch der nächste thematische Bruch folgt schon bald und prägt ohnehin quasi die komplette Show: Von Kurt Beck und den gewohnt unfreiwillig komischen Johannes Ponader springt man über zu «The Voice» und den Hits des Jahres bis hin zur Costa Concordia. Am Ende darf auch Bülent Ceylan, der kurz vor dem dann doch irgendwann sehnlichst erwarteten Showfinale auftritt, noch einmal seine Nase in die Kamera halten.
Im Nachhinein betrachtet wirkt «Menschen 2012» tatsächlich wie eine seltsame Mixtur aus «Markus Lanz» und «Wetten, dass..?». Die oftmals deutlich zu lang geratenen Interviewpassagen werden hin und wieder aufgelockert durch mehr oder minder witzige Einspieler, zumeist gelungene Showacts wie Loreen und kleinere Studioaktionen, bei denen Lanz sogar kurz zu einem (bedingt gelenkigen, aber sehr ambitionierten) Turner wird. Die Mischung aus Prominenten und eher unbekannten Helden aus der Mitte der Gesellschaft ist gelungen, doch auch hier wäre etwas weniger deutlich mehr gewesen. So aber fühlt man sich unweigerlich an die bekannten Lanz-Sendungen erinnert, wenn dann auch noch Standardgäste wie Julius Brink, Jonas Reckermann, Matthias Steiner und eben Bülent Ceylan die Couch besetzen.
So hat man alles in allem wenig von wirklicher Relevanz verpasst, wenn man «Menschen 2012» nicht gesehen haben sollte. Zwar dürften die Macher so ziemlich jedes Zuschauerinteresse zumindest streckenweise bedient haben, doch um davon auch zu profitieren, müsste man auch einigen inhaltlichen Leerlauf hinnehmen. Dabei haben die Macher tatsächlich die allermeisten relevanten Themen des Jahres irgendwie unterbringen können, doch an einer sinnvollen Gliederung der Show scheiterten sie. Und sollte man die Sendung verpasst haben, schaut man halt einfach einen der gefühlt zwanzig anderen Jahresrückblicke, die in den kommenden Wochen auf den Zuschauer losgelassen werden. Lanz jedoch kann man bei seiner Präsentation wieder einmal nur wenig vorwerfen - nur von seinen bemühten Witzen und Anekdoten könnte er die Zuschauer endlich einmal verschonen.