Da war es nur noch einer. „Dreck“ und Verblödungsfernsehen sei die Show, an der er selbst mitwirke – so urteilte Schauspieler Angus T. Jones über «Two and a Half Men» in der vergangenen Woche. Dass er als Jake in die Serie zurückkehren wird, ist nach der Eskapade äußerst unwahrscheinlich. Wohl erst recht, nachdem er seine Aussagen nur einen Tag später komplett revidierte – ohne jegliche Begründung für den plötzlichen Sinneswandel und damit bar jeder Glaubwürdigkeit.
Vermutlich ist also nun wieder eine Schauspieler-Stelle bei «Two and a Half Men» frei. Neu wäre dies für die Macher der langjährig erfolgreichen US-Sitcom nicht: Schon im Frühjahr 2011 feuerte man Charlie Sheen, der nach seinen Entzugskuren und abfälligen Bemerkungen über Serienerfinder Chuck Lorre jeglichen Kredit verspielt hatte. Das eigene Projekt – die Sitcom «Anger Management» – funktionierte und soll jüngsten Berichten zufolge sogar Anlaufstelle für Angus T. Jones sein, wenn er seine Schauspielkarriere weiter verfolgen will. Sheen selbst hat seinen früheren Serien-Neffen jedenfalls zu «Anger Management» eingeladen.
Interessanter aber ist eine Zukunft von «Two and a Half Men» abseits des „halben Mannes“ Jake, der zehn Jahre und Staffeln lang der kindlich-jugendliche Anker der Serie war. Vom kongenialen Trio Charlie-Alan-Jake wäre nur noch der schmarotzende, selbstmitleidsvolle Alan da, sollte Jones wirklich die Serie verlassen (müssen). Aber wer ist Alan ohne seinen Sohn und ohne seinen Bruder? Eine Figur, die komplett reduziert ist auf ihre charakterlichen Defizite; eine Figur ohne jegliche Tiefe, ohne Hintergrund und schlicht nur als personifizierter Lachmoment. Dies erkennt man in Teilen schon seit dem Ersatz von Walden Schmidt durch Charlie Harper.
Mit Jakes Abgang würde noch ein weiterer Teil des Charakters Alan Harper sterben – und ihn letztlich wohl auch unglaubwürdig sowie überflüssig für die gesamte Serie machen. Und damit auch die anderen Figuren, die noch zum „alten“ «Two and a Half Men» gehören. Die serienimmanente Kontinuität wäre dann so nachhaltig gestört, dass die Macher nicht einmal mehr ansatzweise glaubwürdige Storybögen entwickeln können – so wie sie es derzeit noch bei Walden und seiner Flamme Zoey versucht wird. Denn wer könnte eine solche Sitcom noch ernst nehmen? Natürlich geht es um die Kontinuität nicht vorrangig – schließlich wäre wohl verschmerzbar, wenn das ohnehin bereits sehr oberflächliche «Half Men» noch oberflächlicher wird. Und doch: Ohne einen Funken fortlaufender, plausibler Handlungen oder halbwegs glaubwürdig entwickelter Charaktere kann eine Sitcom nicht funktionieren. Durch Jakes Abgang wäre dieser Funken vermutlich erloschen.
Doch dies muss nicht gleichzeitig das Ende für «Two and a Half Men» bedeuten, das sich bereits in Staffel zehn befindet – in jeder Veränderung steckt bekanntlich eine Chance. Diese bestünde bei der Sitcom vermutlich darin, nun auf jegliche Glaubwürdigkeit oder Kontinuität zu pfeifen und aus «Half Men» endgültig eine Spaß und-Klamaukorgie zu machen, abgestürzte C-Promis als Gaststars und noch mehr Sex inklusive. Der Rest Selbstwürde und Verstand, den diese Sitcom noch hat, sollte eingetauscht werden in blanke Selbstironie und Schamlosigkeit vor dem Hintergrund dieser beispiellosen Serienentwicklung, die zwei Hauptdarsteller verschlissen hat. Ob dies mit dem früheren Disney-Sternchen Miley Cyrus passieren kann, bleibt abzuwarten: Sie jedenfalls soll laut jüngster Berichte der Website „Celebuzz“ als Nachfolgerin von Angus T. Jones gehandelt werden. Cyrus war bereits Gaststar in der Serie und verdrehte als Missi sowohl Jake als auch Walden den Kopf.
Es scheint, als sei die Geschichte von Jake nach der aktuellen Staffel zwar zu Ende geschrieben, noch nicht aber die von «Two and a Half Men»: Zu gut sind noch die Quoten, zu groß ein möglicher Hype über den nächsten Hauptdarsteller-Tausch. Vielleicht passt dieser den Produzenten auch gut, schließlich spart man mit neuen, günstigeren Darstellern auch wieder Budget ein – so wie bei Ashton Kutcher, der eine deutlich geringere Gage bekommt als Sheen zuvor. Oft enden langjährig erfolgreiche Sitcoms durch die zu teuer gewordenen Schauspieler. In diesem Fall lebt die Sitcom vermutlich länger, gerade weil sich zwei Schauspieler mehr oder weniger freiwillig aus ihr herausgeschrieben haben. Genug Stoff für selbstironische und inhaltslose Drehbücher, Mr. Lorre.