Inhalt
Hannah Winter ist Lehrerin aus Leidenschaft. Als eines Tages der neunjährige Fabian Haas, der eindeutige Symptome von ADHS zeigt, in ihre Klasse kommt, sprengt der Junge durch sein lebendiges Temperament nicht nur Hannahs Unterricht, sondern wird auch schnell zu einer Belastung für die Klasse. Die junge Lehrerin findet sich an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und in einem persönlichen Dilemma. Denn einerseits ist es ihr wichtig, dass auch anspruchsvolle und schwierige Kinder in ihrem Unterricht Platz finden, andererseits ist sie auch den anderen Schülern, den Eltern und dem Kollegium verpflichtet, für einen reibungslosen Ablauf des Unterrichts zu sorgen.
Der Druck von allen Seiten wächst und lässt Fabian, der überall außer bei Hannah aneckt, zum „Problemkind" werden. Es kommt immer mehr zur Eskalation: Hannahs Kollegin schlägt Fabian in ihrer Englischstunde, weil sie nicht damit zurechtkommt, dass der Schüler ständig seine Flasche auf und zu macht. Und in einer Musikstunde schlägt Fabian einer Mitschülerin mit einem Stein, den ihm Hannah zur Aggressionsbewältigung gegeben hatte, auf den Kopf.
Immer deutlicher wird an Hannah und Fabians Mutter die Forderung herangetragen, Fabian untersuchen und sich mit Psychopharmaka behandeln zu lassen - eine schwere Entscheidung über das Schicksal eines Kindes in einer von Leistungsdruck geprägten Gesellschaft.
Darsteller
Bibiana Beglau («Die Stille nach dem Schuss») als Hannah Winter
Anton Wempner als Fabian Haas
Andrea Wenzl («Grenzgänger») als Miriam Haas
Mehdi Nebbou («Die kommenden Tage») als Sebastian Sander
Kritik
«Zappelphilipp» (Regie: Connie Walther) unternimmt zumindest in Ansätzen den Versuch, ein Portrait des Grundschullebens im einundzwanzigsten Jahrhundert zu liefern, wenn die Kinder Namen wie Jessica, Cem, Jack und Camillo tragen, die oft mit Diagnosen verwechselt werden, und unfähige bis überforderte Lehrkräfte zwischen vernachlässigten und ADHS-Kindern an ihre intellektuellen wie psychischen Grenzen stoßen und deswegen wenige Millimeter vor dem Burnout stehen.
All das ist jedoch in eine eher melodramatische und suggestive Erzählweise eingebettet. Zwar kommen von den verschiedenen Protagonisten durchaus sämtliche Stimmen der scharf geführten gesellschaftlichen Diskussion zu Wort, ob es sinnvoll ist, ein Kind mit einer schweren ADHS unter Medikamente zu setzen – Drehbuchautorin Silke Zertz bezieht jedoch unterschwellig den ganzen Film über eindeutig Position und scheint die medikamentöse Lösung grundsätzlich abzulehnen. In diesem Punkt geht «Zappelphilipp» zu sehr in Richtung Baumtänzerei und faselt, zwar selten offen, aber in der suggestiven Umsetzung stets unüberhörbar, von einer omnipräsenten Pharma-Verschwörung, die aus unseren Kindern Zombies macht.
Ob es da die bessere Alternative ist, das Kind ohne Medikamente auskommen und der Mitschülerin mit einem Stein fast den Schädel einschlagen zu lassen, ist sicher fragwürdig. Die darauf folgende Entscheidung der Eltern, ihrem Sohn Fabian nun doch Ritalin verabreichen zu lassen, nehmen Hannah Winter und ihr Musiklehrerkollege dann äußerst resignativ zur Kenntnis. Ein differenzierter Umgang mit dem Thema würde ganz anders aussehen.
Wenig sinnvoll ist es natürlich auch, wenn der Pressetext die Hauptursache für das Problem im Umgang mit von ADHS betroffenen Kindern „in einer von Leistungsdruck geprägten Gesellschaft“ ausmacht, wenn dieses Argument den ganzen Film über zu sehr in der Luft hängt und nur am Rande konkretisiert wird. Durch dieses Larifari-Geschwurbel als thematische und möchtegern-gesellschaftskritische Grundlage ist es natürlich nicht möglich, eine konsequent gespannte Stimmung aufzubauen, sinnvolle wie glaubwürdige Plots zu entwerfen oder eine differenzierte Diskussion über das Thema ADHS und darüber, wie man mit betroffenen Kindern umgehen muss, zu führen. Dass sich «Zappelphilipp» da fast schon zu einem Anti-Pharma-Werbefilm macht, ist sicherlich nicht zielführend.
Bei all diesen Defiziten kann auch eine versierte Bibiana Beglau nicht mehr weiterhelfen. Wo es möglich ist, spielt sie glaubwürdig; doch in all diesem Mischmasch aus Suggestion und Überemotionalisierung ist das allenfalls vereinzelt möglich. Denn das Drehbuch verschenkt leider nahezu alles an durchaus vorhandenem dramaturgischen und intellektuellen Potential. Und zappelt sich damit völlig in den Schwachsinn.
Das Erste zeigt «Zappelphilipp» am Mittwoch, 5. Dezember 2012, um 20.15 Uhr.