Die «Der Herr der Ringe»-Trilogie: 2,9 Milliarden Dollar weltweites Einspiel, 30 Oscar-Nominierungen und 17 Siege. Peter Jacksons ausschweifende Adaption der einflussreichen Buchreihe von J. R. R. Tolkien ist ein Meilenstein der Filmgeschichte. Und sie bekommt mit der «Hobbit»-Trilogie eine weitere, überlange Kinotrilogie zur Seite gestellt. Zur Vorbereitung auf diese konnten Kinogänger am Sonntag in vielen Kinos Deutschlands alle drei «Der Herr der Ringe»-Filme in einem Triple-Feature erleben – wobei nicht bloß die Kinofassungen, sondern die Extended Editions gezeigt wurden. Das bedeutete: Sehr gut gefüllte Kinosäle, in denen sich rund 12 Stunden lang begeisterte Kinogänger tummelten ... Und stattliche Umsätze an den Snacktheken der Kinos dieser Republik.
Als braver Filmkolumnist habe auch ich mich einem dieser Triple Features angeschlossen, wodurch ich sowohl die «Der Herr der Ringe»-Trilogie aus einem neuen Blickwinkel betrachten konnte, als auch eine völlig neue Kinoerfahrung mit solchen Sonderveranstaltungen machen durfte. Für mich war besonders erstaunlich, welche Stimmung im Kinosaal vorherrschte. Von anderen Triple-Features, wie denen zu «Pirates of the Caribbean» oder Christopher Nolans «Batman»-Saga, habe ich die Erfahrung mitgenommen, dass darin die Filme regelrecht gefeiert werden – die Stimmung war stets zum Schneiden, es waren sehr kollektive Filmsichtungen mit lauten Lachern bei den Gags sowie hörbarer Anspannung bei den dramatischen Stellen.
Da «Der Herr der Ringe» eine außergewöhnlich eingeschworene Fangemeinde hat, schien es mir vorab garantiert, dass das «Der Herr der Ringe»-Triple in dieser Hinsicht noch extremer sein wird. Stattdessen bestätigten diese Fantasy-Monumentalfilme ihren Status als (in einer anderen Welt angesiedelte, nicht humorbefreite) Dramen. Selbstredend: Gollum erhielt vereinzelte „Och, ist der süß, auf seine hässliche Art! Ich will ihn in Schutz nehmen!“-Quiekser, Zwerg Gimli erntete seine verdienten Lacher und zu Beginn der Actionszenen ging stets ein Ruck durch den Kinosaal (weil in den Sessel weit zurückgefallene Zuschauer dank Vorfreude ihre Körperspannung zurückerlangten). Trotzdem wurden die Filme nicht lautstark gefeiert – stattdessen erhoben sie sich in ihrer handwerklichen Qualität vor dem Publikum, welches sie dann staunend laufen ließ.
Wobei die Laufzeit sicherlich ihren Teil dazu beigetragen hat. Drei «Pirates of the Caribbean»-Filme lassen sich noch bejubeln, drei Batman-Werke aus der Feder Christopher Nolans können noch als düsteres Filmhappening durchgehen. Aber drei Filme mit extremer Überlänge erschlagen einen. Da bei Peter Jacksons «Der Herr der Ringe»-Trilogie die Qualität stimmt, ergibt sich jedoch eine geniale Form des Erschlagens. Einzeln betrachtet können auch diese Filme ihre starken Fanreaktionen auslösen, etwa begeistertes Raunen beim ersten Anblick Aragons. Am Stück aber intensiviert sich der „Ausflug in eine fremde Welt“-Effekt. Wenn man mit Augen und Ohren einen halben Tag nichts anderes als Mittelerde erfährt, dann ist es ein einfaches, sich in den Filmen zu verlieren und sie staunend aufzusaugen.
Am Stück betrachtet bestätigt sich darüber hinaus der Gedanke, dass die «Der Herr der Ringe»-Filme ein ausführliches Gesamtwerk darstellen, das bloß in drei Teilen veröffentlicht wurde. Im Gegensatz zu anderen Trilogien wirken die Filme nicht wie einzelne Entitäten (was genauso seinen Reiz hat), sondern wirklich wie eine durchlaufende Geschichte mit konsistenter Inszenierung.
Und leider verstärkten sich meine Ängste bezüglich «Der Hobbit»: Mit der «Der Herr der Ringe»-Trilogie hat Jackson aus einem Bücherepos ein filmisches Mammutwerk geschaffen. Dass die deutlich kleinere, „niedlichere“ Vorgeschichte nun fast auf Augenhöhe der «Der Herr der Ringe»-Kinofassungen stehen soll, fühlt sich einfach falsch an. Ein kleiner, bunter, sympathischer Film wäre eher angebracht. Das sage ich zumindest jetzt. Wer weiß, was mir im Sommer 2014 nach dem nächsten Mittelerde-Triple noch durch den Kopf gehen kann ...