Der Start der neuen Staffel des Kuppelformats «Der Bachelor» wird von RTL wie die Rückkehr eines alteingesessenen Quotenkönigs zelebriert. Dass aber 2013 wieder einmal ein gutaussehender Junggeselle zwischen 20 Frauen wählen muss, die über sich selbst Dinge sagen wie „Ab sechsstellig ist mir das Gehalt eines Mannes egal“, war noch vor zwölf Monaten alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Viel eher wurden die Pläne des Kölner Privatsenders, das Jahr 2012 mit dem Mann mit der Rose zu eröffnen, herzlich belächelt.
Und die Unkenrufe schienen nach Ausstrahlung der Premierenfolge sogar bestätigt: Gerade einmal 3,70 Millionen Menschen ab drei Jahren interessierten sich am 4. Januar für die Vorstellung des Junggesellen im modernen Business-Player-Look und die 20 Flirt-Kandidatinnen. Peinliche 10,9 Prozent beim Gesamtpublikum und leicht unterdurchschnittliche 16,7 Prozent in der Zielgruppe zeichneten kein optimistisches Bild für die Kuppeldoku, zumal sich seit 2011 der Trend abzeichnete, dass einige RTL-Primetimesendungen nach ihrem Staffelstart eher abbauen als zulegen.
Den «Bachelor» vorzeitig abzuschreiben lag somit nahe. Das Showformat erntete 2003 bereits bei seinem ersten Anlauf herbe Kritik, in der SZ urteilte etwa Fernsehkritiker Oliver Fuchs, dass es sich bei der televisionären Partnersuche um „die verkommenste TV-Sendung seit Menschengedenken“ handle. Und auch bei den Normalzuschauern kam die Parade an devoten Fräuleins und das eitle Gegockel des von ihnen umgarnten Bachelors nur mäßig an. Dennoch versuchte es RTL im Folgejahr mit einer weiteren Runde, dieses Mal mit vertauschten Geschlechterrollen – die Kritik blieb vorhanden, der Erfolg weiterhin aus. Mit der Bachelorette Monica Ivancan hinterließ das Format derweil eine TV-Persönlichkeit, die bald darauf auf ProSieben in der moralisch äußerst fragwürdigen Sendung «Das Model und der Freak» Männern, die andere Hobbys als Fußball, Fitnessstudio und In- Anzügen-Rumstolzieren haben, erklärte, dass sie ihr Erscheinungsbild und ihre Interessen ändern müssten, um bei Frauen zu landen. Im Idealfall, so ließ es sich also nach Start des «Bachelor»-Comebacks urteilen, gehen Show und Teilnehmer so unter wie es schon 2003 geschah – im schlimmsten Fall wiederum schütze selbst ein Misserfolg nicht vor weiterführender Verschandlung des Fernsehprogramms.
Doch es kam völlig anders: Episode zwei der 2012er-Staffel steigerte sich im Fahrwasser von «Deutschland sucht den Superstar» auf 4,19 Millionen Fernsehende und Marktanteile von akzeptablen 13,5 respektive 19,4 Prozent. Auch in den Folgewochen ging es aufwärts, Ausgabe vier brachte es in der Zielgruppe auf erstaunliche 23,5 Prozent. Auf vergleichbarem Niveau ging es dann weiter, die sechste Runde der TV-Baggerei kam am 8. Februar beim Gesamtpublikum sogar auf einen höheren Marktanteil als das zuvor gezeigte Gesangscasting «DSDS».
Zum Abschluss überholte «Der Bachelor» Krawalljuror Dieter Bohlen sogar in allen Quotenbelangen: Mehr Zuschauer, mehr Werberelevante und bessere Marktanteile in den beiden relevanten Publikumsschichten. Ein Showfinale mit 17,3 Prozent bei den Menschen ab drei Jahren führte sämtliche Vorabkritik an der Rückkehr des verlachten Formats ad absurdum. Oder zumindest die kommerzielle Vorabkritik à la „Ist RTL wahnsinnig geworden, diese Bruchlandung zurückzuholen“ – aber was gab es zum Inhalt der Sendung zu sagen?
Nun, Jubelstürme unter den TV-Beobachtern löste der neue «Bachelor» nicht unbedingt aus, allerdings war das Echo merklich positiver als 2003 und 2004. Dies ist nicht allein damit zu begründen, dass diverse andere Kuppeldokus die Messlatte für Fremdscham und televisionäre Ausbeutung von Einsamkeit in neue, schwindelerregende Höhen legten, wodurch die Idee hinter «Der Bachelor» plötzlich vorbildlich erschien. Die Macher lernten tatsächlich aus der Kritik an der ursprünglichen Aufmachung und modernisierten das vorher so dekadente Konzept. Man hat es „dank des stärkeren Reality-Anstrichs in die Fernsehmoderne gehievt“ und Coolness stand an der Stelle des (forcierten) Glamour (mehr dazu). Hinzu kam, dass man mit Paul Janke einen weniger stereotypen Mittelpunkt der Show fand – zwei Aspekte, die zweifelsfrei nicht unerheblich die positive Mundpropaganda und somit den massiven Quotenanstieg beeinflussten.
Ob nun die modernere, nicht derart gekünstelt-elegante Aufmachung oder Paul Janke bedeutsamer für den letztjährigen Quotenhit war, zeigt sich in den kommenden Wochen, wenn Männermodel Jan Kralitschka 20 junge Frauen, unter denen sich auch ein paar Playmates befinden, kennenlernen und ihnen Rosen (oder eben Abweisungen) übergeben darf. Rennt Fernsehdeutschland dem neuen RTL-Junggesellen und seinem Harem an Flirtmaterial erneut die Bude ein – oder war Janke ein einmaliges Quotenphänomen?