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Hier ist es durchaus spannend zu sehen, wie die Kölner Produktionsfirma filmpool es versteht, eine Formate der Zeit entsprechend auch anzupassen. Das wird am Beispiel von «Köln 50667» sehr schön deutlich. Natürlich – die Boulevardmedien sind in diesen Tagen wieder voll von Zitaten einiger unwichtiger (Lokal)politiker, die in der Serie ein gefundenes Fressen sehen und mit harter Kritik an solchen Formaten eine Chance sehen ihren Namen auch mal überregional in den Medien zu lesen. Gänzlich unrecht haben die Volksvertreter dabei vielleicht nicht, dennoch ist es schon scheinheilig die Diskussion, die man auch zu Beginn von «Berlin – Tag & Nacht» hatte nun noch einmal aufzuwärmen.
Mit der neuen 18.00-Uhr-Serie zeigt filmpool wohin es für Scripted Realitys am Vorabend mittelfristig gehen könnte: Nämlich direkt in den Soap-Bereich. Während «Berlin – Tag & Nacht» (inzwischen auch gespickt mit ganz klassischen, aber temporeichen Soapplots) zumindest vom Look her noch recht dokumentarisch rüberkommt, wurde für den Neustart das Rad schon weiter gedreht. Keine Interviewsequenzen mehr, deutlich kürzere Strecken mit Bildern aus Köln – immerhin: Das Voice-Over (das auch dafür da ist, dass der Zuschauer die Gefühle der Protagonisten besser versteht) blieb. Dieses Element hatten sich vor sieben, acht Jahren auch die großen Soap-Produzenten zu eigen gemacht, ist es doch in Telenovelas üblich, dass die Hauptfigur mit den Zuschauern über ihre Gefühle spricht.
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Ansonsten gibt der Erfolg den Machern schlicht recht; verglichen mit anderen Produktionen spielen die Darsteller ihre Figuren glaubwürdig; wenngleich sie natürlich nicht mit den Berliner Kollegen mithalten können, die inzwischen seit eineinhalb Jahren täglich vor der Kamera stehen. Das schaffen übrigens nur ganz wenige professionelle Schauspieler in Deutschland. Wie schwer es letztlich ist, eine gute tägliche Serie mit Laien zu machen, zeigte sich um 16.00 Uhr.
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Die Probleme liegen beim Buch, bei der Besetzung und beim Look. Die Zwischensequenzen wirken eilig aufgezeichnet und werden beendet mit Angaben wie „Im Gemeinschaftsraum“, eingeblendet im Amateur-Film-Stil. Das der Pilotfolge zu Grunde liegende Buch ist mitunter haarsträubend; ähnlich wie die Umsetzung der wenig originellen Geschichte. RTL II wollte mit dem Format eigentlich einen Jugendclub aus einem Berliner Plattenbau zeigen; weder Sender noch Produktionsfirma haben sich aber getraut, auch das entsprechende Klientel vor die Kamera zu bringen.
Eventuell wollte man gezielt nicht auf der Migrations-Problematik herumreiten (was auch in Ordnung ist), aber durch die Bank nur wirklich gut aussehende, sich stilvoll und teuer kleidende Jugendliche zu präsentieren, ist dann fernab von dem was sich Realität nennt. Eingesetzt wurden darüber hinaus Laiendarsteller, die ihren 20. Geburtstag größtenteils schon hinter sich haben dürften, aber in dem Format trotzdem Teens im besten Schüleralter mimen. Logisch, all diese Widersprüche sind sicherlich auch einer sehr günstigen Produktionsweise geschuldet (das Format soll sich um 16.00 Uhr rechnen), dennoch muss der inhaltliche Vergleich mit Genre-Kollegen erlaubt sein.
Ein anderer Neustart des Tages erwies sich hingegen als erstaunlich wenig innovativ. «Kallwass greift ein!» bleibt wie auch sein Vorgänger ein stark talklastiges Format. Letztlich haben die Macher fast nur die Deko getauscht. Statt aus dem Studio in Köln finden die Gespräche nun in hellen, großzügigen und teuer eingerichteten Wohnungen statt. Angelika Kallwass hat weiterhin sehr viel Screentime, zwischen den mit bis zu fünf Minuten enorm langen Gesprächsparts gibt es nur sehr kurze und knappe Sequenzen der betroffenen Familienmitglieder untereinander.
Ob es wirklich zur Quotenverbesserung reicht, dass man Geschichten, die früher in einem Studio besprochen wurden, nun einfach in einem Wohnumfeld bespricht, erscheint auf den ersten Blick fraglich. Allerdings ist es durchaus gelungen, das Kallwass-Format wertiger zu machen und den Look etwas mehr an die Sehwirklichkeit 2013 anzupassen. So arbeiten die Macher mit bis zu drei Steady-Cams, was zu etwas authentischeren und unruhigeren Bildern führt. Sat.1 aber hat mit dem neuen Format das Rad nicht neu erfunden, ist aber immerhin nicht auf den "Mehr Trash, mehr Geschrei, mehr Quote"-Zug aufgesprungen.