Scripted Reality boomt derzeit – neue Formate schwemmen auf den Markt und überschwemmen ihn fast. Besonders deutlich wird dies in der 16.00 Uhr-Stunde, wo aktuell gleich drei Formate von filmpool um die Gunst des Zuschauers kämpfen. Es ist etwas erstaunlich, dass dies gerade um 16.00 Uhr passiert, ist dies doch einer Ursprungsslots für solche Formate. RTL holt mit «Familien im Brennpunkt» weiterhin Marktanteile von weit mehr als 20 Prozent Marktanteil. Am Dienstag kletterten die Werte gar auf 24,7 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen. Dann war es Sat.1, das auf dem langjährigen «Alexander Hold»-Sendeplatz ebenfalls auf seine «Familien-Fälle» setzte. Das funktionierte natürlich nicht in gleichem Umfang, ist die Sendung grob betrachtet doch eine Kopie des RTL-Formats. Immerhin: In der zurückliegenden Woche kam Sat.1 damit auf 9,7 Prozent Marktanteil um 16.00 Uhr und lag somit knapp oberhalb des aktuellen Senderschnitts.
Dass sich gerade RTL II nun mit ins Rennen traut, zeugt vom größer gewordenen Selbstbewusstsein in Grünwald. Die eigentlich für 17.00 Uhr konzipierte Sendung «Der Jugendclub» sollte vor allem Kids am Nachmittag anziehen. Das aber funktionierte nicht durchgehend. Während es für den Münchner bis 16.00 Uhr und nach 17.00 Uhr gut läuft, stürzten die «Jugendclub»-Quoten nach leicht unterdurchschnittlichem Start schließlich am Mittwoch auf schwache 2,9 Prozent Marktanteil. Zudem sprechen auch die Abrufzahlen bei RTL II Now total gegen die Sendung. Wo «Köln 50667» auf rund 300.000 Klicks kommt, dümpeln einige Folgen der 16.00-Uhr-Produktion bei knapp 5.000 Views.
Es ist ein bisschen Ironie des Schicksals, dass gerade die Folge, die am Donnerstag während der Bekanntgabe der Absetzung schließlich die besten Quoten holte: Mit 6,2 Prozent Marktanteil bei den Umworbenen sah es dann nämlich gar nicht mehr so schlecht aus. Eine Rückkehr ins Fernsehen ist somit sehr wahrscheinlich; RTL II kann es sich auch nicht leisten, 21 Folgen einer (wenn auch günstigen) Produktion im Archiv versauern zu lassen. Das Beispiel «Der Jugendclub» zeigt aber, dass nicht unbegrenzt Platz für Formate dieser Coleur im deutschen Fernsehen ist.
Und da kommt nun Sat.1 ins Spiel: Die Münchner werden ab Ende Januar um 18.00 Uhr das neue «Patchwork Family» in den Ring werfen – und es gegen «Köln 50667» antreten lassen. Die neue RTL II-Soap, die von sehr kritischen Stimmen in den Medien begleitet wird, hat die Erwartungen an sie bislang voll erfüllt. Die fünf Folgen der ersten Woche generierten im Schnitt 10,2 Prozent Marktanteil bei den Umworbenen, in der vergangenen Woche nun stabil bei 10,0 Prozent. Am Donnerstag wurde mit einem Marktanteil von 11,5 Prozent in dieser Gruppe ein neuer Bestwert aufgestellt, direkt gefolgt von einem neuen Negativrekord am Freitag (siehe eigener Quotenbericht).
Dagegen muss Sat.1 erst einmal ankommen. Seit einigen Tagen bewirbt der Münchner Sender sein neues Format intensiv – unter anderem auch bei Facebook. Dort steigen die Fan-Zahlen stetig, aber irgendwie auch langsam. Knapp 10.000 Stück hat der Sender beim sozialen Netzwerk. Vergleichen mit anderen Produktionen ist das sehr wenig. Doch daraus muss nicht zwingend ein Urteil über die letztliche Quote abgeleitet werden. Ein so sicherer Hit wie «Köln 50667» es schon vor dem Start war, ist die neue Sat.1-Soap aber nicht.
Während die für die Soap zuständigen Redakteure also noch die Luft anhalten, darf man bei «Kallwass greift ein!» aufatmen. Die umgestaltete Nachmittagssendung startete zwar schwach – mit gerade einmal 7,4 Prozent Marktanteil. Sie steigerte sich in Folge aber fast kontinuierlich. Am Dienstag standen schon 7,7 Prozent bei den Werberelevanten auf der Uhr, am Mittwoch waren es 8,6 Prozent, die ab 14.00 Uhr einschalteten. Der Donnerstag bescherte der filmpool-Produktion sogar einen neuen Bestwert: 10,6 Prozent. Seit September 2012 hatte Angelika Kallwass im Nachmittagsprogramm keine höheren Werte mehr zu Stande gebracht. Hier ist Sat.1 also auf dem richtigen Weg. Nur am Freitag dann – wohl auch einem schwächeren Umfeld geschuldet – ging es auf 8,7 Prozent bergab.
Es tut sich also viel im Bereich Scripted Reality / authentische Soap. Egal, wie man den Formaten gegenüber nun eingestellt ist, irgendwie ist es auch beruhigend zu wissen, dass die Zuschauer nicht alles wahllos annehmen. «Der Jugendclub» zeigt: Formate, die entweder schlecht produziert oder im TV auf falschem Slot gezeigt werden, können auch in boomenden Genres untergehen.