“Gott, hilf meiner armen Seele. Gott, hilf meiner armen Seele.” Dies sind die letzten Worte einer jungen Frau, bevor sie ein Messer zieht und auf grausame Weise Selbstmord begeht. In einem FBI-Gebäude. Öffentlich, vor dutzenden geschockten Zeugen. Der tote Körper dieser jungen Frau: komplett bedeckt mit aufgemalten Zeilen aus dem Werk des Schriftstellers Edgar Allan Poe. Die Worte, welche die Frau vor ihrem Selbstmord von sich gibt, soll auch Poe in seinen letzten Atemzügen ausgesprochen haben.
Dieser tragische wie mysteriöse Vorfall scheint für Ryan Hardy der Beweis dafür zu sein, dass es sich bei seinem neuen Fall um mehr handelt als den bloßen Ausbruch eines Serienkillers aus dem Gefängnis. Der eigenbrödlerische Hardy, eigentlich suspendiert, wird vom FBI gebeten, die Ermittlungen aufzunehmen: In der Nacht zuvor hatte Joe Carroll mehrere Sicherheitsleute brutal ermordet und war dem Gefängnis entkommen, befindet sich nun auf freiem Fuß. Carroll, früher gefeierter Literaturprofessor und Autor, scheint nur die Spitze des mörderischen Eisbergs zu sein – immer tiefer gerät Hardy in die Geschichte um diesen Serienkiller, der wohl das Internet benutzte, um Anhänger seines Kults zu rekrutieren.
Hardy und Carroll sind die beiden Gegenspieler in dieser spannenden Geschichte, deren Ausmaß sich in der ersten Episode von «The Following» nur erahnen lässt. Beide duellierten sich bereits vor Jahren, als Hardy zum ersten Mal auf Spurensuche nach Carroll ging, nachdem dieser mehrere junge Frauen ermordet hatte. Sein Motiv: den Tod als Kunst zu sehen. Carroll begreift seine blutigen Tatorte und zerstümmelten Leichen als Kunstwerke im Sinne Edgar Allan Poes, der im Tod viel Ästhetik findet: „Der Tod einer schönen Frau ist fraglos der dichterischste Gegenstand auf Erden“, schrieb er einst. Carroll versteht diese Worte in ihrer kompromisslosesten Form.
Zu sehen ist dieser Killer – stark gespielt von James Purefoy – nicht nur in der Gegenwart, sondern vor allem in den zahlreichen Flashbacks. «The Following» konstruiert seinen Antagonisten behutsam, dafür umso grausamer. Es bleibt zu hoffen, dass die Serie diesen einen Charakter differenziert, ambivalent ausbildet, nicht nur als plattes Feindbild wie bisher. Dann könnte «The Following» ein neuer großer Hit werden, vielleicht die erhoffte Serienüberraschung dieser TV-Season. Zumal Kevin Bacon in der Rolle des FBI-Veteranen Hardy – wie erwartet – brilliert: Minimalistisch und authentisch verkörpert er den gefallenen Gerechtigkeitskämpfer, der sein Schicksal im Alkohol ertränkte, nachdem er vom Dienst suspendiert worden war.
So gesehen hatte der erste Kampf zwischen Hardy und Carroll keinen Sieger. Der Rückkampf hat gerade erst begonnen in diesem seriellen Abenteuer, das sich Zeit für Charakterentwicklung und die Entfaltung einer komplexen Story nimmt. Gegen Ende der ersten Folge wird Hardy in eine Falle gelockt, muss mit ansehen, wie Carroll eine junge Frau zu Tode quält. Jene junge Frau, die damals als einziges Opfer dem Blutrausch des Serienkillers entkommen konnte und nun seinem blutigen Kunstwerk den letzten Schliff verpasst. Am Ende der Pilotfolge wird Carroll wieder festgenommen – doch sein „Following“, seine Anhänger, bleiben. Im Verhör mit Hardy kündigt Carroll weitere Morde an, während Marilyn Mansons Version von „Sweet Dreams“ spielt. Wie heißt es in diesem Song noch? „Some of them want to use you / Some of them want get used by you”. Wer hier wen benutzt, ist noch längst nicht klar bei diesem Kampf zwischen dem zerrütteten FBI-Agent und seinem mächtigen Erzfeind.
RTL zeigt die erste Staffel von «The Following» ab Dienstag, 17. September, immer um 22.15 Uhr.
Dieser Artikel erschien bei Quotenmeter.de erstmals zum Start der Serie in Amerika im Januar 2013.