
Spätestens nach zwei Monaten fand «MTV Home» den Groove, den die Show bis zum Schluss beibehielt und perfektionierte. Joko & Klaas begannen damit, sich in Anarcho-Einspielern zu duellieren, die den frechen Stefan Raab der frühen «TV total»-Zeit blass vor Neid gemacht hätten: Auf Messen und anderen Großveranstaltungen kam es in der Rubrik „Wenn ich du wäre“ zu verrückten Mutproben, in anderen Filmchen testeten die Moderatoren ihre Ausdauer im Schneefrühstücken oder beim Wrestling in Sportmaskottchenkostümen.

Die „Kernmarke“ blieb derweil bestehen. Abwechslungsreiche Interviews wie das Pointenfeuerwerk mit Miss Piggy, das Vorbereiten von Standard-Promo-Fragen, Wissensfragen, Schwachsinnsfragen und Fragen im Stil von Markus Lanz für Sido und H.P. Baxxter oder die Wette mit Nelly Furtado, garantiert nur bislang ungestellte Fragen aus dem Hut zu zaubern, sorgten für regelmäßige Abwechslung in den lockeren Gesprächsrunden und die berühmt-berüchtigten Einspieler behielten ihre Mischung aus kalkuliertem Schwachfug und erhellender Selbsterkenntnis bei. Als Beispiel dient etwa die Besoffenenolympiade gegen das Team des Sat.1-Frühstückfernsehens: Dass sich Joko, Klaas und ihre Redaktion hemmungslos volllaufen lassen, lässt auf dem Papier reinstes Assifernsehen befürchten. Doch die Profispinner suhlen sich nicht selbstgefällig in ihrer Dreistigkeit, sondern zeigen durchweg Eigenscham, was bereits den Grundstock für kurzweiliges Chaosfernsehen legt. Dass sie sich gegenseitig gleichwohl darin bestärken, Unruhe zu stiften und dafür in Grund und Boden versinken, ist wiederum ein Markenzeichen für Joko und Klaas – bei Aktionen wie der Besoffenenolympiade weiß man als Zuschauer kaum noch, ob man zu den Verrückten halten darf oder nicht, eine Verwirrung, die von der Inszenierung sogar bestärkt wird. Und deshalb weisen selbst sinnlose Wettbewerbe wie dieser medial mindestens zehnfach so viel Gehalt auf wie das gesamte Nachmittagsprogramm diverser Privatsender zusammengenommen.
Wann immer diese Spurenelemente der Medienpersiflage zu blödelnder oder gar vollauf bissiger Mediensatire aufblühten, erreichte «neoParadise» seine Höhepunkte. Schon in «MTV Home» imitierten Joko & Klaas diverse Formate, um deren Schwächen aufzudecken, aber bei ZDFneo kam es vermehrt zu solchen Köstlichkeiten. Bereits in der ersten Ausgabe parodierten sie ihre üblichen Wettbewerbseinspieler, indem sie Jokos Unfall bei einer Eishockey-Mutprobe im Stile zahlreicher Fernsehinstitutionen (von arte-Zwischeneinspielern zu «TV total») ausschlachteten. Den Medienaufruhr nach Hape Kerkelings Verzicht auf die «Wetten, dass..?»-Moderation verglichen sie dagegen mit der Berichterstattung über wahre Katastrophen (und kamen zur erschreckenden Erkenntnis, dass tragische Weltereignisse die deutschen Medien nie so effektiv wachrüttelten wie Kerkelings Absage) und auch das Internet-Protestvideo «Kony 2012» war nicht vor ihnen sicher.

Sofern die Quoten stimmen und der Sender mitspielt, ändert sich allen Vorzeichen nach also nur eins: Das Budget. Und selbst mit dieser Änderung gehen Joko & Klaas, zumindest in den Trailern, mit altbekanntem Humor um:
Man darf somit optimistisch der Zukunft von Joko & Klaas entgegentreten. Ihr Humor bringt bei ProSieben Quote und das Duo blieb sich bislang bei Senderwechseln treu, ohne zu stagnieren. Aber das deutsche Fernsehpublikum ist – zumindest bei Qualitätsware – unberechenbar. Sollte also «Circus Halligalli» den Weg von «neoParadise» gehen (alle reden drüber, niemand mit Quotenbox schaut es sich bei der TV-Erstausstrahlung an) bleibt nur zu hoffen, dass ProSieben mit seinen neuen Enfants terribles ebenso geduldig ist wie mit Stefan Raab und seinem quotentechnisch wankelmütigen «TV total». Denn als Niveau und Stumpfsinn meistervoll einende Sendergesichter sind Joko und Klaas auf Dauer mehr wert als der durch hohe Quoten am Montagabend schnell verdiente Heller.