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Die unwichtigen Fakten vorab in kürzester Kürze: «Beauty and the Nerd» heißt eigentlich «Beauty and the Geek», kommt aus den Staaten (meist vereinigt) und wurde dort präsentiert von Dr. Ashton Kutcher, dem Mann, der Legende, Herzchirurg von Herzen. Inzwischen findet sich der Titel nicht mehr auf dem Fernsehschirm, sondern auf dem Friedhof wieder – aber die Absetzung hielt kein Land, das etwas auf sich gibt, davon ab, bei diesem hitverdächtigen Format zuzugreifen. Gott weiß, Deutschland braucht Reality-TV am meisten. «Beauty and the Nerd» erzählt von jeweils acht Schönheiten und Nerds, die sich in Paare aufteilen und durch "Fun-Challenges" versuchen, an das Preisgeld von sage und schreibe 100.000 Euro zu kommen. Es lässt sich also mal wieder festhalten: hier werden Kindern wirklich alle nötigen Werte vermittelt. Und was ein Nerd ist? Na, ist doch klar: jeder, der sich irgendwo besonders gut auskennt und noch Jungfrau ist! Sie sind Teil eines Eunuchen-Knabenchors? Nerd! Fünf Jahre alt und können den neuesten Playmobil-Katalog rezitieren? Nerd! Oder noch viel härter: Sie studieren ihr Traumfach und warten mit dem Sex bis nach der Ehe. Selbst Sheldon Cooper bliebe da die Spucke weg. Bazinga, aber sowas von.
Aufmacher der Show ist natürlich: Gegensätze ziehen sich an. Qué, was sagen Sie da? Schönheit und Intelligenz seien gar keine Gegensätze? Entschuldigung, aber das wird Raumfahrttechniker Ashton Kutcher doch besser wissen, nicht? Na, ich denke aber auch. Und in «Beauty and the Nerd» gibt es auch schon in der allerersten Sekunde den passenden Vergleich: Südafrika, wo die Challenges ihren Fun finden sollen, ist laut Voice-Over das Land extremer Gegensätze. Warum genau? Als Nerd wissen Sie das und als Beauty dürfen Sie googlen. Dass schöne Frauen nichts im Kopf haben können, ist sowieso Allgemeinwissen, oder? Also jedenfalls für Nerds. Die sind im Falle von «Beauty and the Nerd» unter anderem Frank, der Hydraulik-Spezialist, Sven, der Physiker und Michael, der Kybernetik-Entwickler. Ja, richtig. Michael hat Kybernetik entwickelt, ganz alleine, an einem Dienstag. Nerds sind übrigens auch Martin, IT-Experte (spricht fließend Elbisch), Kevin, Computerfachmann (IQ über Zimmertemperatur) und Marius, Geografie-Student. Alles Geeks! Die Beauties dürfen sich indes mit nicht weniger anmutenden Professionen schmücken: Pia ist zum Beispiel "Starlet", Jacqueline Tänzerin und Siw Stewardess.
Irgendwo in Südafrika steht also eine Villa und in eben die ziehen diese 16 Gestalten ein. Angepriesen wird all das als "einzigartiges soziales Experiment voller Gegensätze, Emotionen und unerwarteter Überraschungen". Und es stimmt. Auf das Konzept kann sich die "Einzigartigkeit" ja aber nicht beziehen, immerhin wurde der Klamauk in etwa 20 Länder verkauft (Ich weiß, was Sie denken, aber lieber das als Menschen oder Waffen, nicht?). Meine Theorie: ProSieben ist einen Schritt weiter. «Beauty and the Nerd» ist wirklich ein Sozialexperiment. Mit dem Zuschauer als Testperson. Die Nerds, die Beauties – alles Schauspieler und nicht irgendwelche, sondern die Besten der Besten. Ein Spiel mit Erwartung und Einstellung des Publikums, das muss es sein. Alles andere wäre kriminell. Mit diesem Gedanken im Kopf geht es also weiter im Land der roten Sieben: nachdem die zwei Fraktionen Paare gebildet haben und man sich derart krass fremdgeschämt hat, dass es irgendwem in Kenia kalt den Rücken herunter lief, beziehen die Teilnehmer dann das Traumhaus. Dabei wird vor allem eines klar: Helge? Bester Mann auf dem Platz. Helge hat einen wundertollen Bart (und auch sonst überall Haare), sieht ein bisschen aus wie Disco-Stu aus den «Simpsons» und ist auch in etwa so cool drauf. Die gute Siw, die mit ihm ein Paar bildet, meint, er erinnere sie an ihren Vater. Damit kann Helge arbeiten.
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Was sonst? Die besten, weil unterhaltsamsten, Teilnehmer stehen mit Helge (Helge!) und Kimberly (attraktives Dümmchen mit spitzen Sprüchen) schon nach Kurzem fest, Michael liest Anissa aus einem Erotik-Sci-fi-Buch vor und Kevin, der eine Puppe mit ins Bett nimmt, spricht von seiner Taylor Wift-Obsession. Was in so vielen deutschen Realityshows nicht funktioniert, das haut hier hin: das Menschliche, die Szenen zwischen Beauties und Nerds bzw. untereinander. Wenn sich die Männer über eine so eben absolvierte Challenge auslassen oder sich die Damen vor Lachen über einen neuen Fehlgriff der neuen Bettkumpanen nicht halten können – dann lacht man schon mal mit. Etwas Schnitt-Mogelei und Inszenierung der Macher bleibt aber natürlich nicht aus - manch ein Moment ist so fake wie viele Facebook-Konten. Weil aber auch die Wettkämpfe selbst gut funktionieren, lässt sich darüber hinweg sehen.
Hierbei müssen erst die Jungs diversen Actionsequenzen gerecht werden (Tür eintreten, über einen LKW sprinten, den Bad Guy kloppen und das Bond Girl retten), dann die Mädels ihre Partner am Körper erkennen. Das jeweilige Gewinnerpaar darf dann wiederum ein anderes nominieren – und diese beiden Paare müssen am Ende der Show in einem Entscheidungsquiz gegeneinander antreten. Schließlich muss am Ende jeder Folge ja auch irgendjemand die Villa verlassen. Zuvor geht es aber noch per Boot über den See zu einem Campingtrip, frei nach dem Motto "My Beauty is over the ocean". Der Akt der Nominierungen selbst ist dann auch sehr gut inszeniert, das Entscheidungsquiz macht aber nur wieder klar, was für ein Unfug die ganze Nerd-Geschichte ist. Fragen über die Hauptcharaktere aus «Star Wars» und «Der Herr der Ringe» werden dem "Nerd-Kosmos" zugeschrieben. Tolkien, der größte Nerd von allen. Julia und Pia haben ihr Leben aber in einer Höhle verbracht und vergeigen deshalb jede einzelne Frage. Richten müssen es dann die Männer, die mit Antworten über Beauty-Produkte und «Sex and the City» zu überzeugen wissen. Gehen müssen am Ende der traurige Martin und Heulsuse Julia. Man hält's kaum aus.
Fest steht: die erste Folge «Beauty and the Nerd» war eine kleine Odysee und im Großen und Ganzen erhält man als Zuschauer auch nichts, was man nicht erwartet. Nur funktioniert das alles zur Abwechslung mal ganz gut. Ist man ein Fan des Genre, wird man an «Beauty and the Nerd» sogar mehr Spaß als üblich haben. Ist man kein Fan, wird aber von Freunden oder Außerirdischen zum Einschalten gezwungen und kann seine Kritik über Konzept & Co. überwinden, könnte man womöglich ebenfalls unterhalten werden. Alle anderen sollten der Sache wie eh und je fern bleiben und haben es wahrscheinlich ohnehin nur aus Trotz zum letzten Absatz geschafft. Und das ist in Ordnung.