Frau Reidt, dieses Jahr wird das «heute-journal» bereits 35 Jahre alt – und anders als viele andere Nachrichtenflaggschiffe verlor die halbstündige Sendung 2012 nicht wirklich an Quote. Woran liegt es?
Die Idee der Gründer ist noch immer aktuell: Die Themen des Tages gewichten und einordnen. Die Zuschauer schätzen bis heute unser Angebot, den Nachrichtentag zu deuten und zu erklären – auch mal mit der mutig-überraschenden These. Wir sind keine Nacherzähler, sondern setzen bewusst eigene Akzente und schalten uns in wichtige Debatten ein. Aber nur wer sich verändert, bleibt sich treu. Wir arbeiten sehr konsequent an unserem Format, das hält die Sendung jung und frisch. Sehr früh haben wir uns zum Beispiel der digitalen Welt geöffnet . Unser Modul «heute-journal plus» macht die abendliche Sendung und zusätzliche Mehrwert-Inhalte auch für Hbb-TV und für das Internet verfügbar.
Aber auch im Vergleich zu den «Tagesthemen» hat das «heute-journal» deutlich die Nase vorn. Sind kontinuierliche Sendezeiten hier das Erfolgsgeheimnis?
Verlässliche Beginnzeiten sind für die «Tagesthemen» genauso wichtig wie für uns. Unser deutlich sichtbares Erfolgsgeheimnis aber sind die Moderatoren, die geistreich und streitbar durch den Nachrichtentag navigieren sowie eine Redaktion, die ihre Zuschauer immer wieder zum Staunen und wirklichen Verstehen bringen will.
Nur kurz bevor Sie an die Spitze rückten, hatte das ZDF seinen Nachrichtenstudios einen ganz neuen Anstrich verliehen, durch das Virtuelle neue Möglichkeiten geschaffen. Damit grenzen Sie sich ja eindeutig von der «Tagesschau» und auch den «Tagesthemen» ab, die im Vergleich dazu recht schlicht erscheinen. Wie wichtig ist denn die „Verpackung“ einer Nachrichtensendung?
Verpackung ist wichtig, aber entscheidend ist immer noch der Inhalt. Im virtuellen Studio nutzen wir die Möglichkeiten zur Veranschaulichung unserer Themen nur dann, wenn der Zuschauer wirklich was davon hat. Reine Spielereien haben in unserer Sendung keinen Platz. Unsere Animationen sollen zur Verständlichkeit beitragen, aber wir machen Fernsehen. Alles, was wir zeigen, soll auch opulent und hochwertig ausschauen. Und nicht vergessen: Humor ist ausdrücklich erwünscht. Das zeigen wir zum Beispiel mit Karikaturen, die dem Nachrichtentag eine komische Note geben. Das vom Maya-Kalender prophezeite Ende der Welt kommentierten wir im «heute-journal» mit einem fröhlichen Alien-Pärchen, das den „herrlichen Weltuntergang“ betrachtete - alles eine Frage der Perspektive!
RTL sieht sich neben ARD und ZDF als der einzige der großen Privatsender, bei dem auch der gebildete Zuschauer seine politischen Nachrichten erhält. Können Sie dem zustimmen?
Auch gebildete Menschen wollen unterhalten werden , das erklärt zum Beispiel den Erfolg des Dschungelcamps bei Akademikern. Das «heute-journal» will alle Bildungs- und Altersschichten ansprechen. Wir haben eine Haltung des erzählenden Erklärens, wollen also mit unseren Nachrichten nicht nur informieren, sondern zielen auch auf Bauch und Herz der Menschen. Eindringliche Reportagen sind bei uns häufig zu sehen, weil sie auf emotional eindringliche Art wichtige Inhalte vermitteln.
Die erste Änderung ist dieses Jahres ist bereits in Kraft getreten: Maybrit Illner gab die Moderation beim «heute-journal» an Christian Sievers ab. Freuen Sie sich auf die Zusammenarbeit mit ihm?
Die Zusammenarbeit hat am 14. Januar begonnen, und wir sind alle sehr glücklich über den äußerst gelungenen Start. Christian Sievers ist ein hochprofessioneller Moderator, ein erfahrener Journalist und ein unglaublich sympathischer Kollege. Die Redaktion arbeitet sehr gerne mit ihm zusammen.
Ende des letzten Jahres mussten Sie scharfe Kritik für Bilder einstecken, die in einen Bericht zu Peer Steinbrück eingebaut wurden, an der Stelle aber gar nicht entstanden waren. Wie groß ist die Verlockung in Zeiten, in denen Fernsehen immer extremer werden muss, ein wenig zu schummeln? Und wie großes Verständnis haben Sie für den Aufruhr, der damals durch die Medien ging?
Eine völlig überdrehte Debatte. Tatsächlich war die Bildauswahl des Autors misslungen. Schummeln gehört auch unter Zeitdruck nicht zu unseren Standards. Ein ärgerlicher Fehler, aus dem wir Konsequenzen gezogen haben. Mit dieser Montage war aber keine falsche inhaltliche Behauptung verbunden. Die Aussagen Peer Steinbrücks kamen in der Sendung genauso klar und eindeutig rüber wie die positiven Reaktionen darauf im rot-grünen Lage. Einige Medienjournalisten haben da an unangebrachter Stelle eine Skandalisierung versucht.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage, Frau Reidt: Deutschland debattiert schon seit längerem über das Thema Frauen in Chefpositionen. Sie selbst haben es auch als Frau weit nach oben geschafft, bis an die Spitze des «heute-journals». Braucht Deutschland die Frauenquote?
Lange dachte ich, die Quote sei überflüssig oder sogar schädlich, Qualität setze sich von alleine durch. Mittlerweile habe ich meine Meinung geändert. Die Frauenquote würde helfen, dass die Kompetenz weiblicher Führungskräfte sichtbarer wird. Es braucht offenbar doch diesen gewissen Schub für größere Gerechtigkeit. Frauen in Führung müssen Normalfall sein und nicht Ausnahmen.
Vielen Dank, Frau Reidt.