Popcorn & Rollenwechsel

Eine gute Kolumne zum Sterben

von

Wieso Kritiker «Stirb langsam 5» zu genau betrachten dürfen und John Moore seinen Helden falsch darstellt.

Obwohl das Kinojahr noch sehr jung ist, so habe ich bereits zwei Spitzenkandidaten für meine Wahl zum cineastischen Schurken 2013 gefunden. Und zwar John Moore und Skip Woods, ihres Zeichens Regisseur und Autor von «Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben». Ich habe mich den Mängeln dieses Films bereits in meiner Kino-Kritik genähert, doch ich möchte ausnahmsweise meine Stellung als Kritiker und Kolumnist ausnutzen, indem ich hier bei Quotenmeter.de gleich doppelt über den Film herfalle. Nach meiner beobachtenden Kritik erlaube ich mir nun eine mit Herzblut geführte, improvisierte Attacke. Denn wenn man John McClane in seinem neusten Kinoabenteuer eines seiner Markenzeichen raubt, wieso soll ich es mir dann nicht klauen dürfen?

Kino-Kritiker geraten schnell in den Verdacht, Filme überzuanalysieren. Eine negative Actionfilm-Kritik ist ein wundervolles Lockmittel für Reaktionen, dass man sich im Kinosaal doch keine Gedanken über Schnitttechnik, innere Filmlogik oder Kameraführung macht, sondern bespaßt werden will.

Jupp. Stimmt. Und, Überraschung: Genau das wollte ich. Ich ging in den gut gefüllten Saal, meinen Softdrink in der Hand und mit vorfreudig schlagendem Herzen in der Brust. Aber dann ließ mich der Film eiskalt zurück. Und als Gegenleistung dafür, dass ich bezahlt werde, das zu tun, wofür andere Leute jährlich steigende Preise zahlen, musste ich eine Aufgabe erfüllen: Mich und den Film genauer beobachten. Ich saß nicht vom Film distanziert in meinem Kinosessel und führte eine innere Strichliste mit dem Titel „Also, sowas gewinnt aber echt keine Goldene Palme“, sondern führte unterbewusst parallel zum Film eine Spontandiagnose durch. Und die nachzuprüfen, zu glätten und auszuformulieren ist nun einmal meine Filmkritiker-Aufgabe. Und ja, ein schlechter Schnitt, eine planlose Kameraführung, all so etwas mag nicht immer für jeden auffällig sein – doch so etwas beeinflusst die Qualität eines Filmes. Ganz klar auch eines Actionfilms!

John McTiernan orchestrierte im ersten und dritten «Stirb langsam» in anamorphem Bild mit fester Kameraführung blutig-pseudoreale Gewalt. John Moore wackelt sich im digitalen Look einen ab, und dies während er Massenzerstörung zelebriert. Die keinerlei Wucht ausübt, die keinen sichtbaren Einfluss auf Bruce Willis' Paraderolle McClane hat. Im dritten Teil gibt es eine einprägende Szene, in der McClane in eine Schießerei in einem Fahrstuhl gerät. Andere Actionhelden würden alle Gegner in einer Symphonie aus Rauch und Lärm umnieten. Wieder andere würden durchchoreographierte, artistische Martial-Arts-Aktionen vollführen. Und McClane? Mit Müh und Not überwältigt er die Widersacher, es wird geschrien, McClane schwitzt vor Panik wie ein Schwein, aber seine Kernigkeit rettet ihn da durch und ganz zum Schluss bekommt er eine volle Ladung gegnerischen Bluts ins Gesicht gespritzt, worauf er mit angewidertem Gesicht reagiert und sich markig das „Üääääh!“ verkneift.

«Stirb langsam – Jetzt erst recht» ist kein Kandidat für einen Regie-, Drehbuch- oder einen Hauptdarsteller-Oscar, aber diese kleine Szene spricht dank Inszenierung, den „Dialogen“ und Willis' Performance Bände über die cineastische Gattung, zu der dieser Film zählt, und welcher Typ Held hier die Knarre zwingt. John McClane ist kein übermenschlicher Revolverheld wie John Rambo in «Rambo II – Der Auftrag», kein glatt gekämmter Hybrid aus Chauvi und Kavalier wie Sean Connerys Bond oder ein Menschenleben verachtender Schlächter wie die Braut aus «Kill Bill». McClane ist ein schroffer Jedermann-Cop mit Herz und zu großem Gerechtigkeitsempfinden, um einfach aufzugeben. Dennoch wären ihm blutlose, einfache Lösungen lieber. Für geniale Megapläne, die um zehn Ecken gedacht sind, ist er aber nicht clever genug. Also beißt er sich mit einer 50/50-Mischung aus Attitüde und Ekel durch.

In «Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben» schießt sich McClane ohne eine Sekunde des Zweifels froh grinsend durch eine maskierte Armee, die so eben ein Zimmer betritt und macht sich noch über seinen in Deckung gehenden Sohn lustig. Und die Schmerzen, der Dreck, die Verletzungen, die John McClane in allen vier Teilen so weltlich machten, sind komplett weg. Sie haben keinen Platz in John Moores halbarschig stilisierter Egoshooter-Welt. Wenn sie wenigstens hyperstylisch wäre – so würde sie als No-Name-Actionfilm Spaß machen.

Bloß ist «Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben» kein No-Name-Actionfilm. Und auch nicht spaßig. Bruce Willis meinte 2011, er könnte sich vorstellen, in Teil fünf die unterschwellige Absurdität des Franchises zu nehmen, sie mit Humor anzugreifen. Er wolle so richtig auf «Stirb langsam» pissen. John Moore hat Willis wohl falsch verstanden. Denn die von ihm angeschlagene Art der Abrechnung ist weder die angekündigte noch eine erstrebenswerte.

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