Herr Sackur, Sie sind dafür bekannt, bei «HARDtalk» getreu dem Titel harte Fragen zu stellen, und lassen Ihren Gästen bei deren Antworten keine Ausweichmanöver durchgehen. Eine derartige Herangehensweise ist in den USA und dem Vereinigten Königreich durchaus üblich, aber in anderen Ländern wie Deutschland zumindest in einem Umfang wie in Ihrer Sendung nahezu inexistent. Wie kommt es, dass angelsächsische Interviewsendungen hinsichtlich der inhaltslosen oder schönfärbenden Selbstdarstellung ihrer politischen Gäste oft deutlich weniger Toleranz entgegen bringen und dort meist auch deutlich taffere Fragen gestellt werden als in anderen Märkten?
In Großbritannien gehen wir davon aus, dass unsere Politikern und alle, die in Machtpositionen stehen, uns Rechenschaft schulden. Ich denke, dass Sendungen wie «HARDtalk» eine wichtige Rolle in einer lebendigen demokratischen Kultur spielen, und mir würde es gefallen, wenn das herausfordernde One-on-one-Interview eine größere Verbreitung in der Welt erfahren würde. Der Trick liegt darin, höflich, aber beharrlich zu sein. Es bedarf sorgfältiger Recherche und des Willens, sich tief in die jeweilige Materie einzuarbeiten, um ein Interview wirklich fesselnd zu gestalten. Ich habe die Befürchtung, dass viele Programmchefs in der Welt glauben, dass ihr Publikum nicht genug Zeit oder eine zu kurze Aufmerksamkeitsspanne hat, um bei längeren Interviews dranzubleiben. Ich glaube aber, die wachsende Popularität und das Profil von «HARDtalk» zeigen, dass es ein Verlangen nach ernsthaftem Journalismus gibt. Wenn ich um die Welt reise, erzählen mir Zuschauer von «HARDtalk» oft, dass sie eine derartige Sendung auch gerne in ihrem Land auf einem heimischen Sender sehen möchten.
Im Lauf der Jahre haben Sie mit einer Vielzahl hochrangiger Politiker und Staatschefs gesprochen, sowie herausragende Künstler und die intellektuelle Elite der Welt interviewt. Gibt es jemanden, den Sie besonders gern in Ihrer Sendung begrüßen würden und der noch nicht gekommen ist?
Ein Staatschef, den ich sehr gerne interviewen würde, ist Robert Mugabe, der Präsident von Zimbabwe. Er war zunächst Anführer einer Freiheitsbewegung und wurde dann einer der umstrittensten Präsidenten eines afrikanischen Staates und ist schon sehr lange im Amt. Seine politische Vergangenheit und seine Persönlichkeit würden ihn zu einem idealen Gast für einen fesselnden «HARDtalk» machen, aber bisher hat er leider all unsere Einladungen abgelehnt.
Die Geschichten, die die Welt bewegen, zu finden und zu erzählen, ist einer der tragenden Eckpfeiler der weltweiten Nachrichtenprogramme der BBC. Welche Faktoren sind entscheidend bei Ihrer Sondierung, was die weltbewegenden Geschichten sind und wie Sie diese erzählen möchten?
Wir haben das ausgedehnteste internationale Berichterstattungsteam der Welt. Jeden Tag treffen bei uns Informationen von unseren eigenen Leuten vor Ort und Hunderten anderer Quellen ein. Die Entscheidung, welche Prioritäten gesetzt werden – also was in unsere Berichterstattung aufgenommen und was weggelassen wird – liegt im Ermessen unseres Redaktionsteams. Die grundlegenden Fragen sind ohnehin offensichtlich: Inwiefern ist die Geschichte bedeutsam? Wen betrifft sie? Wie können wir sie auf eine Weise erzählen, die unser riesiges Publikum in der ganzen Welt vereinnahmen wird? Selbstverständlich streben wir es an, dass unsere eigenen Journalisten uns ihren Content von direkt vor Ort schicken. Diesen Pool vergrößern wir dann noch mit Material, das wir von anderen angesehenen journalistischen Quellen beziehen. Aber wir glauben, dass wir einige der besten und erfahrensten Journalisten haben, die es gibt, und die wissen, wie man eine unparteiische und fesselnde Berichterstattung liefert.
Bevor Sie im Jahr 2006 Moderator von «HARDtalk» wurden, waren Sie selbst jahrelang Vor-Ort-Reporter, haben aus Kriegs- und Konfliktgebieten sowie aus den Machtzentren der Welt über Ereignisse berichtet, in denen Geschichte geschrieben wurde. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, Ihre Position als Korrespondent aufzugeben?
Es ist mir sehr schwer gefallen, die Berichterstattung aus der ersten Reihe zu verlassen. Mir fehlt sie immer noch. Wir haben aber eine neue Art «HARDtalk» entwickelt, ein Konzept, das wir „On the Road“ genannt haben und das es mir ermöglicht, wieder raus in den Einsatz vor Ort zu gehen und meine Interviews mit Reportagen aus Gegenden zu vermischen, über die allgemein sehr wenig berichtet wird. Kürzlich war ich im Rahmen von „On the Road“ im Jemen, in Äquatorialguinea, in Honduras, der Demokratischen Republik Kongo und Ägypten.
BBC World News ist kürzlich in das Broadcasting House der BBC gezogen und ist nun ein Teil des dortigen World News Rooms, wo britische und internationale Nachrichtenteams unter einem Dach zusammenarbeiten und Content für den britischen und den ausländischen Markt produzieren. Wie wichtig war dieser Umzug für BBC World News, bzw. wird er weitergehende Auswirkungen darauf haben, wie BBC World News seinen Journalismus betreibt?
Der Umzug war eine fantastische Gelegenheit, um als globaler Nachrichtensender noch bessere Arbeit machen zu können. Die neuen Studios werten unsere Shows optisch auf und lassen sie durch eine ausgeklügeltere Nutzung von Graphiken und digitaler Technologie eleganter aussehen. Wir haben all die verschiedenen Bereiche unseres Sendebetriebs vereint; die Fernseh-, Radio- und Onlinebereiche arbeiten nun viel enger zusammen und ich kann nun sehr leicht das Wissen und die Expertise unserer Kollegen in unserem internen Netzwerk aus verschiedensprachigen Diensten im Radio und Fernsehen anzapfen. Ich denke, dass unserem Publikum der Unterschied auffallen wird. Eine größere Expertise, schärferer Content und viel höhere Production Values.
Wie wichtig ist diese neue Studioausstattung für den Journalismus von BBC World News? Inwiefern wird sie dazu beitragen können, Ihre Berichterstattung noch besser zu machen?
Fernsehen ist ein visuelles Medium und die neuen Studios machen BBC World News einfach zu einem viel fesselnderen Produkt für den Zuschauer. Bessere Studios, bessere Graphiken, eine bessere inhaltliche Verknüpfung unseres Fernsehprogramms mit unserer Online-Plattform. Wir können Zusammenhänge nun auf eine viel wirklungsvollere Art erklären und unser Publikum viel effektiver einbinden. In dem heiß umkämpften globalen Nachrichtenmarkt ist das ein großer Schritt nach vorn für die Marke BBC, aber letztlich geht es auch weiterhin in erster Linie um die Qualität unseres Journalismus. Das hat für uns immer noch oberste Priorität.
Vielen Dank für das Interview.
BBC World News strahlt «HARDtalk» wochentags um 14.30 Uhr und 22.30 Uhr MEZ aus.