Herr Böcking, Sie kennen die Radio-Branche, Sie kennen die Fernsehbranche. Sie waren bis vor zwei Jahren bei Radio Regenbogen, machen seit einiger Zeit für kabel eins die Rubrik „Kai reist“ innerhalb «Abenteuer Leben» und sind zudem auch freier Produzent. Wem geht es denn derzeit besser? Privatradio oder Privatfernsehen?
Der Kostendruck ist bei beiden extrem. Wenn ich an die 90er Jahre zurückdenke, dann war das wirklich eine goldene Zeit – da hat der Gong-Verlag noch viel Geld in Radio Gong gesteckt. Die Zeiten haben sich da schon deutlich geändert: Inzwischen gibt es nur noch glatt gebügeltes Formatradio. Bei den privaten Fernsehsendern wird die Situation praktisch von Monat zu Monat dramatischer. Es steht einfach immer noch weniger Geld zur Verfügung. Ich glaube, dass in beiden Bereichen in absehbarer Zeit keine Besserung zu erwarten ist.
Wie viel Spaß macht es denn dann noch als Redakteur beim Fernsehen zu arbeiten?
Viele Kollegen sind inzwischen wirklich sehr frustriert. Wenn man heutzutage Absagen zu Formatideen bekommt, dann heißt es oft nicht mehr: „Ich mag die Idee nicht“, sondern „Ja, die Idee ist wirklich super, das Format würde ich gerne machen, aber ich habe kein Geld dafür“. Das ist traurig und der Grund, warum das Frustpotential bei den Fernsehmachern steigt. Der Kostendruck ist allgegenwärtig. Es gibt nur noch ganz selten Formate, bei denen man wirklich aus dem Vollen schöpfen kann. Ich erinnere mich an eine Weihnachtsproduktion für das ZDF im vergangenen Jahr, die wir mit Johann Lafer in der Steiermark gemacht haben. Da hatten wir endlich mal genug Zeit, konnten schön mit vier Kameras zeitgleich arbeiten. Dann sieht das fertige Produkt auch nach etwas aus.
Welche Branche hat sich denn mehr verändert? Privatradio oder Privatfernsehen?
Das Privatradio wurde radikaler auf Format getrimmt. Im Privatfernsehen sind immerhin noch nicht alle Stunden absolut gleich. Bei den Privatsendern sucht heute ein Computer die Musik aus, um sicherzustellen, dass der Sender wirklich in jeder Stunde gleich klingt. Sollte es beim Privatfernsehen irgendwann wirklich auch so weit kommen, dass man nur noch das immer gleiche abspult, dann wäre es wirklich dessen Ende.
Wir erinnern uns gerne an die Zeit Ende der 90er, als Sie mit «Risiko» im ZDF anfingen. Man sagt das immer so leicht, aber ist es nicht wirklich so, dass damals im Nachmittagsprogramm des Fernsehens vieles besser war?
Es war halt anders. «Risiko» lief etwa 1000 Mal, rund fünf Jahre lang. Mit der Sendung hatte sich das ZDF aber auch etwas getraut. Wir waren mit vier Prozent Marktanteil gestartet. Damals hatte der Sender das nötige Durchhaltevermögen. Nach einem halben Jahr liefen wir dann zweistellig. Welcher Programmdirektor würde sich das heute noch trauen? Ich habe wirklich Mitleid mit den Kollegen, die heute eine Gameshow auf den Sender bringen und nach zwei Wochen abgesetzt werden. Das kann ja gar nicht funktionieren. Das wäre ein reiner Glückstreffer und solche gibt es äußerst selten. Keiner hat mehr Geduld, vor allem nicht im Nachmittagsprogramm. Der letzte Sender, der wirklich mal längeren Atem hatte, war RTL. Die haben zwei Jahre lang ausprobiert, bis sie sich dann letztlich leider für die Scripted Realitys entschieden haben. Meine Firma hatte damals auch zwei Reihen beigesteuert, eine Wochenserie innerhalb «Mitten im Leben» und «Job im Paradies», die aber nicht fortgesetzt wurden.
Viele verbinden Sie auch nachwievor mit der Musiksendung «Formel 1»: Sind Sie traurig, dass es die heute nicht mehr gibt?
In Kürze steht das große, 30-jährige Jubiläum an, wir haben uns hierzu alle schon wieder gesehen. Das war eine Art großes Klassentreffen. Ich bin froh, dass ich Teil dieser Marke sein darf. Diese ist für mich nämlich absolut unkaputtbar. Die Fans der Sendung sind – wie wir – alle um die 40 und denken mit unglaublich positiven Gefühlen an «Formel 1» und die 80er-Jahre zurück. Heute würde ein solches Format aber nicht mehr funktionieren – Musikvideos kann man inzwischen ja jederzeit via YouTube und Co. anschauen.
Für kabel eins machen Sie ab 28. Februar die neue Wissensshow «Rrumms – Die Experimente-Show», deren Inhalt mich zunächst ein wenig an «Clever!» denken lässt.
Jaja, das ist bei vielen die erste Reaktion. Anders als «Clever» sind wir aber keine Studioproduktion, es wird auch keine Promis in der Sendung geben. Wir drehen alle Experimente draußen – ich war als Moderator auf einem Truppenübungsplatz, im Windkanal etc. Wir haben für die Sendung tonnenweise Silvesterraketen in die Luft gejagt. Ein sehr gutes Regulativ für das Format ist mein zehn Jahre alter Sohn – wenn er sagt: „Boah, Papa, das ist aber cool“, dann weiß ich, dass wir das richtig gemacht haben. «Rrumms» ist eine Sendung, in der wir ein bisschen Blödsinn machen, die zum Staunen ist und aus der man sicherlich nicht dümmer rausgeht – und das heißt heute im Fernsehen ja schon etwas.
Da kommt also das Kind in Ihnen wieder hervor?
Die Drehs sind schon ein bisschen wie ein Kindergeburtstag. Ich bin letztlich sehr gespannt, wie die Leute das Format aufnehmen werden.
Sind Sie zufrieden mit dem Sendeplatz? Donnerstag, 20.15 Uhr?
Zunächst einmal war ich sehr überrascht, dass kabel eins bei dem Format an mich gedacht hat. Offenbar finden die Senderchefs, dass ich „Kai reist“ ganz ordentlich mache (schmunzelt). Eine Sendung in der Primetime ist grundsätzlich immer gut – es wird allgemein mehr darauf geschaut, als wenn du etwas für den Nachmittag machst. Aber grundsätzlich ist ein Format wie «Rrumms» auch ein Experiment – keiner weiß, wie erfolgreich die Sendung sein wird, vor allem, weil wir donnerstags immer dann laufen, wenn kein Fußball gespielt wird.
Welche Projekte stehen in nächster Zeit noch an, Herr Böcking?
Ich bin die kommenden Wochen sehr viel für „Kai reist“ unterwegs: Südkorea, Kuba, Singapur, Abu Dhabi – und dann ist auch schon Ostern. Bis dahin ist mein Terminkalender wirklich komplett zu.
Vielen Dank für das Interview.