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Der Pilot lief Montag mit 16,3 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-jährigen. Dass die Serie so gut einstartet, wundert mich nicht. Denn auch ich hatte mich bis zur Minute 2:18 zweimal heftig erschrocken und fand drei Menschen sympathisch. Und das, obwohl das Genre ziemlich speziell ist. Wie schafft «Grimm» das?
1.) «Grimm» präsentiert von Anfang an ein klares Konzept von Gut und Böse. Ich kann alle auftretenden Personen eindeutig einer Gesinnung zuordnen – und mich auf die Seite der Guten stellen.
2.) Die Personen, Symbole und Schauplätze sind mythisch verankert und haben glasklare Werte. Ein strahlender Held mit kantigem Kinn (aka der Ritter in glänzender Rüstung), eine Jungfrau (aka Rotkäppchen) und ein Verlobungsring (aka Symbol der Unendlichkeit). Dazu kommen der Wald, der Wolf und die ungute Ahnung, dass gleich etwas Schlimmes passieren wird.
«Grimm» arbeitet von der ersten Sekunde an mit dem Gefühl, nicht hinschauen zu können und nicht wegschauen zu wollen. Durch diesen Widerspruch hin- und hergerissen und mit Adrenalin vollgepumpt, kommt man auf eine Idee bestimmt nicht: abzuschalten.
Dazu kommt die Kameraführung, die mit dem Inhalt synchron läuft. Es geht um das, was nicht alle sehen. So führt «Grimm» auch die Kamera aus dem Verborgenen. Wir schauen hinter Ecken hervor und öffnen Türen. Nie wissend, was uns dahinter erwartet.
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Die Fabelwesen reißen Joggerinnen in roten Kapuzenpullis und pinkeln gegen Zäune, um ihr Revier zu markieren. Wer sie fangen will, muss durchs Wasser waten, um falsche Fährten zu legen. Und wir? Wir sehen gebannt zu – auch in der nächsten Woche.
Doch schon in der zweiten Folge lässt die Serie nach. Weniger Mythos, weniger frische Ideen, mehr Erwartbares. «Grimm» wird zur klassischen amerikanischen Detective-Serie mit ein paar Fabelwesen-Ausrutschern. Folge 3 packt mich noch weniger. Starres Gerüst, weniger Adrenalin – und die Erkenntnis, dass der Pilot wohl die beste Folge war. So wird «Grimm» die Einstiegsquote nicht halten, das steht fest.