Hingeschaut

Kindergeburtstag in der pompösen Manege

von

«Circus HalliGalli» ist exakt das, was sich Fans von Joko & Klaas wünschen: Blödsinn mit einer guten Dosis exklusivem Humor und Anarcho-Selbstbewusstsein. Ab sofort vor größerer Kulisse!

Schon die ersten Sekunden sollten für einige Zuschauer eine Erlösung darstellen: Joko und Klaas, in Zwangsjacken gesteckt, werden zu Beginn von «Circus HalliGalli» auf ihre Exklusivarbeit bei ProSieben vorbereitet. In bester «Uhrwerk Orange»-Manier lacht ein manischer Professor hämisch, während dem Anarcho-Duo eine Parade an ProSieben-Peinlichkeiten vorgeführt wird. «Galileo» und die Suche nach der schnellsten Wasserrutsche der Welt. «Beauty & the Nerd». Und auch der Flop «Joko & Klaas – Die Rechnung geht auf uns». Die Folter raubt den Moderatoren das Bewusstsein, als sie erwachen, krächzt Klaas erschöpft den Senderclaim: „We Love To Entertain You“.

Unbedarfte Zuschauer, die bisher nicht mit dem markanten Humor von Joko und Klaas in Berührung kamen, erhielten so einen idealen Vorgeschmack auf die sonderbare Mischung aus Albernheit und Anspruch, die schon die Vorgängerformate «MTV Home» und «neoParadise» ausmachte. Fans konnten erleichtert aufatmen: Quotendruck? Größere Plattform und dadurch größere Senderaufsicht? Nein! Der Anfang setzte ein klares Statement: «Circus HalliGalli» pfeift auf Massenkonformität oder Ehrfurcht vor der Senderheimat. Während des in Retro-Optik gehaltenen Vorspanns zollen die Showmacher Tribut an den Filmklassiker «Citizen Kane», die Studiokulisse ist einer Hotellobby nachempfunden, mitten drin prangt bewusst planlos hingeklatscht die aus «neoParadise» bekannte, etwas ranzige Schreibtisch/Sessel/Sofa-Kombo. Lockere Dreistigkeit vor aus der Zeit gefallener Blockbusterkulisse: Wenn «Circus HalliGalli» diesem Eindruck treu bleibt, haben Freunde ungewöhnlichen Entertainments montags einen neuen TV-Pflichttermin.

Zum Showstart fuhren Joko und Klaas auch gleich zwei schwere Geschütze auf und präsentierten zwei XL-Einspieler, die stolz die Tradition der «neoParadise»-Beiträge fortsetzten. Olli Schulz schlüpfte wieder in die Rolle der versoffenen, pseudointellektuellen Kunstfigur Charles Schulzkowski und vereinte als pöbelnder Berlinale-Gast frechen Blödelhumor dank scharfsinniger, doppelbödiger Off-Kommentare mit geistreichem Metahumor. Die Showstars selbst dagegen stellten sich auf dem Kölner Karneval zahlreichen fiesen, kleinen Aufgaben und führten so ihre niemals alt werdende Rivalität vor.

Zumindest in der Premierenausgabe, der ProSieben etwas mehr Sendezeit einräumte, indem der Sender bloß eine Werbepause einplante, wurde zudem einer der Schwachpunkte von «MTV Home» und «neoParadise» behoben: Waren diese Shows mit mindestens zwei Interviewpartnern teils abgehetzt, konzentrierte sich der Studioteil dieses Mal auf das Gespräch mit dem sehr dankbaren Gast Helge Schneider, welcher souverän den ihn umgebenden Irrsinn mit noch mehr pointiertem Quatsch konterte. Und während das uneingeweihte Publikum sich sicher noch an solche Einfälle gewöhnen werden muss, dürften Kenner von Joko und Klaas sich sehr über Non sequiturs wie eine «Fight Club»-Hommage mit Oliver Pocher (in einem stummen Cameo) oder einen durchgeknallten Gastauftritt des Internetphänomens Fritz gefreut haben.

Der Ritterschlag erfolgte aber nach dem Abspann: Niemand geringeres als Wolfgang Lippert, der kurzlebigste «Wetten, dass..?»-Moderator, trat an das Moderatoren-Duo heran und feierte die Premiere von «Circus HalliGalli». Er hätte ein „supergutes Gefühl“. Selbstironie, Medienaffinität und der Mut, das ganz junge Publikum zu verwirren, ohne dabei elitär zu erscheinen – «Circus HalliGalli» vereint die guten, alten Zutaten seiner indirekten Vorgänger und bietet ihnen eine größere Plattform. Bleibt zu hoffen, dass mit der größeren Plattform auch das verdiente, größere Publikum einhergeht.

Kurz-URL: qmde.de/62305
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