Kino

Kino doch nicht zum Tode verurteilt?

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Aufwärtstrend nach Erfolgsjahr im deutschen Kino, doch was treibt die deutsche Filmindustrie 2013?

2012 war aus Sicht der deutschen Kinobetreiber ein voller Erfolg. Wie die neuesten Analysen der FFA berichten, knackte der Kartenverkauf an deutschen Kinokassen erstmals die Milliarden-Euro-Marke. Dies liegt nicht, wie man vermuten könnte, allein am steigenden Preis der Karten, sondern auch an der zunehmenden Zahl der Kinobesucher. Der letzte Rekord des Kinoumsatzes in Deutschland wurde 2001 aufgestellt und kam auch trotz enormer Zuschauerzahlen mit 987,2 Millionen Euro nicht an die Bilanz des vorangegangenen Jahres heran.

Die größten Erfolge hießen 2012 «Ziemlich beste Freunde», «Skyfall» und «Ice Age 4 – voll verschoben», gefolgt von «Der Hobbit», der bereits im Dezember über vier Millionen Zuschauer in die Kinos lockte. Die deutschen Produktionen konnten hingegen mit dieser Gesamtbilanz nicht mithalten. Nachdem der Marktanteil des deutschen Films 2011 noch 21,8% betrug, fiel der Wert auf 18,1%. Als größter Erfolg schlägt «Türkisch für Anfänger» mit 2,4 Millionen verkauften Karten zu Buche und landete somit gerade einmal auf Platz zehn der deutschen Jahrescharts. «5 Freunde» bildet lediglich das Schlusslicht der Top 25 und die übrigen deutschen Produktionen, wie «Hanni und Nanni» oder «Vampir Schwestern» verschwinden mit Besucherzahlen unter einer Million in der Gesamtbilanz unter ferner liefen. So konnte das Prädikat „Made in Germany“ wieder nicht auf dem nationalen Markt punkten.

Doch was könnte den deutschen Filmmarkt 2013 hoffen lassen?

Im Januar 2013 legte Matthias Schweighöfer mit seinem «Schlussmacher» und 1,8 Millionen Tickets einen erfolgreichen Start ins neue Kino-Jahr hin. Im Februar konnten wir uns über «Kokowääh 2» freuen, auch wenn die Til-Schweiger-Komödie im Gegensatz zum ersten Teil erheblich weniger Kinobesucher anlockte. Eine weitere feste Größe der deutschen Produktionen ist Michael Bully Herbig, der nun seit «(T)Raumschiff Surprise» in «Bully» erstmals wieder produziert, Regie führt und die Hauptrolle spielt. Als tollpatschiger Schutzengel bei seiner Feuerprobe wird er dieses Mal jedoch weniger Wert auf den reinen Klamauk als auf Emotionalität legen. Auch Bora Dagtekin will nach «Türkisch für Anfänger» mit «Fack ju Göhte» an den Erfolg seines Regie-Debüts anknüpfen.

Doch auch neben diesen lustigen Romantik-Komödien für die ganze Familie zeigt sich die Auswahl der deutschen Produktionen facettenreich. Quer durch alle Genres und Altersklassen sollte eigentlich für jeden Anspruch und jedes Interesse etwas dabei sein.

Mit «3096 Tage» wird seit dieser Woche ein sehr ernstes Thema behandelt: die Entführung und 8-jährige Gefangenschaft von Natascha Kampusch, deren Biographie den Grundstein für das Projekt legte. Der Film über den Fall, der ganz Österreich und auch Deutschland erschütterte, wurde von Sherry Hormann («Wüstenblume») inszeniert und erzählt eine erschütternde Geschichte, die jedoch durch den Willen zu überleben in einen Triumph des Lebens übergeht.

Auch für Kinder hat der Markt durch «Hanni und Nanni 3» von Dagmar Seume und «Ostwind», der Geschichte über eine Freundschaft zwischen einen Mädchen und einem Pferd, etwas zu bieten. Für Teenager wäre sicher auch «Rubinrot», die Verfilmung der Fantasy-Trilogie von Kerstin Gier ein Grund für einen Kinobesuch.

Die Kritiker von Charlotte Roche werden nicht schlecht geschaut haben, als diese die Rechte an ihren heiß diskutierten Romanen verkauft hat. Mit «Feuchtgebiete» versucht David Wnendt an die erfolgreich-skandalösen Präsenz der offensiven Darstellungen anzuschließen. Auch Sönke Wortmann traut sich mit «Schoßgebete» an den explosiven Stoff über die Sexualität im Leben einer Frau.

Neben diesem ungewöhnlichen Format finden natürlich auch die Dramen und Thriller ihren Platz. In der Verfilmung des autobiographisch geprägten Romans „Das Mädchen mit den neun Perücken“ von Sophie van der Stap, schafft es Marc Rothemund(«Sophie Scholl – die letzten Tage»), den Balanceakt zwischen Drama und Leichtigkeit in die Geschichte der an Krebs leidenden jungen Frau zu meistern. Eine weitere Romanverfilmung ist im Thriller «Spieltrieb», realisiert durch Gregor Schnitzler, zu sehen. In der filmischen Umsetzung des gleichnamigen Bestsellers von Juli Zeh gerät eine 14-Jährige auf ihrer neuen Schule in eine gefährliche und manipulative Dreieckskonstellation.

Ob diese Auswahl jedoch auch den Ansprüchen des nationalen, geschweige denn denen des internationalen Publikums standhalten wird, bleibt abzuwarten. Schließlich schläft auch Hollywood nicht und wird ebenfalls einige Kracher im Programm haben. Aber weshalb tut sich aber gerade der deutsche Film so schwer? Sicher spielt eine Rolle, dass es eine Kluft in den nationalen Ansprüchen an einen Kinofilm gibt. Soll besonders die kurzweilige Unterhaltung à la Schweighöfer, Schweiger oder gar Bully Herbig im Vordergrund stehen? Dagegen wird die andere Front der Kinogänger laut protestieren und anspruchsvollere Formate fordern.

Doch leider ist „anspruchsvoll“ auch oft gleichzusetzen mit „ernst“ und „düster“. Damit zeichnet sich ein Konflikt ab, den die Forderungen des Publikums erzeugen. Denn dieser Spagat zwischen den gegensätzlichen Erwartungen scheint unmöglich. Schließlich wäre wahrscheinlich der Versuch eine kurzweilige Produktion mit Tiefgang ins Leben zu rufen für keine Zielgruppe passend oder zumindest ein zu gewagtes Experiment um es als Produktionsfirma zu realisieren. Schließlich stehen hierzulande keine gewaltigen Hollywood-Summen zu Verfügung, auch gibt es Fördergelder und Senderunterstützung nur, wenn das Projekt als gesellschaftlich relevant erachtet wird. Doch scheinbar lässt hier der laute Ruf nach Qualität zumindest die Quantität der populären eigenen Produktionen leiden. Denn wie sollte der deutsche Film erfolgreich sein, wenn sich nicht einmal das Publikum im eigenen Land einigen kann, welches Format die verschiedenen Interessen und Ansprüche vereinen könnte?

Diese Polarisierung spiegelt sich ebenfalls in der Entwicklung der Kinos wieder: Riesige Kinokomplexe neben kleinen Programmkinos, die sowohl im Ambiente als auch in der Zielgruppe unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch eigentlich wurde das Kino wegen der enormen Entwicklungen in der Multimedia-Industrie schon als aussterbendes Relikt gehandelt.

Aus Sicht der Kinoliebhaber ist das erfreuliche Fazit des Rekordjahrs, dass sich tatsächlich noch einige Mitbürger an einen Besuch im Lichtspielhaus erfreuen. Scheinbar ersetzen weder verbesserte Home-TV-Systeme und die vielfältigen Möglichkeiten der kleineren Multimediageräte, noch die allgemeine Vernetzung oder auch die Alternativen in der Unterhaltungstechnologie, das Erlebnis eines Kinobesuchs. Vielleicht übt die große Leinwand inzwischen schon fast eine nostalgische Anziehungskraft auf das Publikum aus und ist etwas Besonderes. Gerade auch aus dem Blickwinkel eines sozialen Treffpunkts betrachtet, bietet der Filmpalast nach wie vor einen Mehrwert. Nun müssten nur noch die einheimischen Filme an genug Präsenz gewinnen, um an diesen positiven Trend anzuknüpfen.

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