Die Kino-Kritiker

Oz: Die fast fantastische Welt des CGI

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Film des Monats: Die von «Spiderman»-Regisseur Sam Raimi konzipierte Reise in die fantastische Welt von Oz ist eine einzige Ansammlung faszinierender CGI-Effekte, stellt die aber derart opulent zur Schau, dass man früher oder später gar nicht anders kann, als staunen.

Für Zurückhaltung ist der US-amerikanische Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Sam Raimi nicht gerade bekannt. Im Gegenteil: Er liebt es außergewöhnlich und gern spektakulär. Da wundert es wenig, dass eine Neuverfilmung des berühmten Zauberers von Oz im Jahre 2013 kaum mehr etwas mit dem Klassiker von 1939 gemein hat. Anstatt auf mühevoll gebaute Kulissen setzt man heute auf die sicherlich nicht weniger bemerkenswerte Arbeit aus dem Computer. Dass dieser Trend unter Cineasten und Kritikern nicht unbedingt gern gesehen ist, steht da kaum außer Frage. Wird handgemachte Arbeit jeglicher Art doch generell eher gewürdigt als ein, zwei Klicks mit Tastatur und Maus. Dementsprechende Rüffel musste sich die moderne Version der weltberühmten Geschichte um einen hochstapelnden Zauberer bereits von internationalen Rezensenten anhören. Von einem seelenlosen Effektfeuerwerk ist da zu lesen oder auch von einem Popmärchen ohne Charakter. Doch was davon ist gerechtfertigte Beanstandung und was eine Trotzreaktion auf den Trend zum CGI?

Oscar Diggs (James Franco) ist Zirkusmagier und in seinem Job nicht unbedingt der Beste. Mit einfachen Tricks und Illusionen kann er sein Publikum schon lange nicht mehr begeistern. Als er eines Tages der Schummelei überführt wird, flieht er in einem Heißluftballon ins Land hinter dem Regenbogen: Oz. Die magische Welt ist voll von fantastischen Kreaturen und atemberaubender Schönheit. Er trifft auf die Hexe Theodora (Mila Kunis), die in ihm den Erlöser der Smaragdstadt sieht. Sie hält ihn für einen mächtigen Magier, der es mit der bösen Hexe Glinda (Michelle Williams) aufnehmen kann. Als Belohnung für ihre Vernichtung winken Oscar Gold und Edelsteine in ungeheuren Mengen. Trotz einiger Zweifel beschließt Oscar, Theodora, die sich mittlerweile in ihn verguckt hat, im Glauben zu lassen, er sei tatsächlich ein mächtiger Zauberer. Er macht sich auf, für Theodora, ihre Schwester Evanora (Rachel Weisz) und das Volk von Oz die böse Hexe zu töten. Doch schon bald bemerkt er, dass in Oz nicht jeder so gutherzig ist, wie er es anfangs vorgab. Mithilfe eines fliegenden Affen, einer gar nicht so zerbrechlichen Porzellanpuppe und ganz Oz beschließt Oscar, den bösen Mächten ein für alle Mal das Handwerk zu legen.

Der sich mehr oder weniger als Prequel zu «Der Zauberer von Oz» verstehende Blockbuster «Die fantastische Welt von Oz» besteht im Grunde hauptsächlich aus einem: Schauwerten. Das, was die Verantwortlichen der Effekte an Landschaften, Fabelwesen und fantastischen Elementen auf die Leinwand zauberten, ist an Opulenz und Bildgewalt kaum zu übertreffen. Nach einem bodenständig simplen, fast antik anmutenden Vorspann in bester Disney-Filmmusical-Manier folgt eine gut zwanzigminütige Eröffnungssequenz im angestaubten 4:3-Format und noch dazu in schwarz-weiß, die es schafft, den altmodischen Look mit modernen 3D-Effekten ebenso glaubhaft wie ansehnlich zu kombinieren. Bereits diese Anfangsphase wird der Liebhaber traditioneller Filmmärchen dank seines authentischen Looks in sein Herz schließen, wurde hier doch nicht auf Teufel komm raus versucht, so etwas wie einen Retro-Stil zu kreieren. Man versucht hier nicht, mithilfe von altmodischen Stilmitteln krampfhaft hip zu sein, sondern macht sich den Charme der Filme der damaligen Zeit zunutze, um ein Flair zu schaffen, das im krassen Kontext zu den modernen Bildern steht, in denen sich das Land von Oz präsentiert. Ab dem Moment, in welchem Oscar die Grenze zu dieser fantastischen Welt passiert, ändert sich das Format, die Bilder nehmen Farbe an und der Look wandelt sich dementsprechend von klassisch-altmodisch zu fantastisch-futuristisch.

Keine Frage, ab hier trieft «Oz» nur noch so vor Unrealismus. In fast jeder Szene springt einen die Nutzung der Greenscreens nahezu an, wenngleich viele der Kulissen tatsächlich real sind. Zwar kommt der Großteil der Oz’schen Hintergründe tatsächlich aus dem Computer, ganz ohne den Bau von Ausstattungen kam man jedoch nicht aus. So bildete man den berühmten Ziegelsteinweg und Teile der Smaragdstadt nach und schuf mit ihnen eine Szenerie, die sich optisch nah daran bewegt, wie die Buchvorlage Oz beschreibt. Die am Computer geschaffenen Landschaften präsentieren sich derweil so akkurat und perfekt designt, dass es einem nicht selten vorkommt, als bewegten sich die Figuren gerade durch ein Computerspiel. Dieser Stil wird jedoch derart konsequent durchgezogen, dass man sich als Zuschauer nach einer gewissen Zeit schlicht an ihn gewöhnt. Lässt sich das Publikum darauf ein, dass «Oz» gar nicht versucht, möglichst wirklichkeitsgetreu zu wirken, freundet es sich wohlmöglich sogar schneller mit dem Look der fantastischen Welt an. Vor allem der bravouröse 3D-Effekt, der sowohl in der Tiefe, als auch bei den Pop Out-Elementen perfekt funktioniert, ist der Grund, weshalb «Die fantastische Welt von Oz» dazu einlädt, ohne Kompromisse in den Film einzutauchen. Denn obwohl die Anzahl der gerade beim jüngeren Publikum so beliebten Pop Outs überdurchschnittlich hoch ist, sind diese durchweg gelungen und erwecken nie den Eindruck, um des Effektes willen in die Handlung eingebaut worden zu sein. Lädt eine Situation zu derartigen Elementen ein, gab man sich Mühe, viel aus der Szenerie rauszuholen. Gleichzeitig legte man ebenso viel Wert auf den nicht minder wichtigen Tiefeneffekt. Das dadurch entstehende Gleichgewicht sorgt für ein ungeheuer eindringliches und eindrucksvolles Filmerlebnis, das den Aufpreis an der Kinokasse rechtfertigt und in puncto Dritte Dimension neue Maßstäbe setzt.

Während man für die Optik augenscheinlich ungeheuer viel Zeit und Geld aufwendete, gab man sich beim Verfassen des Drehbuchs mit weniger Extravaganz zufrieden. Dieser Eindruck überträgt sich vor allem auf die Charakterisierung der Figuren. Diese präsentieren sich einfältig und lassen sich maximal der Kategorie „gut“ oder „böse“ zuordnen. Gleichzeitig ist jedoch selbst das schwierig, da das Skript einerseits viele Fragen zum Hintergrund der einzelnen Figuren aufwirft, diese aber nie beantwortet und persönliche Entwicklungen der Charaktere sogar unglaubwürdig aussehen lässt. Dadurch beschränken sich die Figuren auf ein Stereotypendasein, aus dem allenfalls der Titelheld ein wenig auszubrechen vermag. Die weiblichen Hauptfiguren, allen voran Mila Kunis («Black Swan») alias Theodora, enttäuschen dagegen. Kunis‘ übertrieben makelloses Erscheinungsbild spiegelt die Facettenarmut ihrer Figur wieder und lässt eine Nähe zum Zuschauer nicht zu. Dies ist bei ihr vor allem deshalb besonders schade, da ihr Charakter an sich den intensivsten Wandel durchmacht, der das Publikum jedoch völlig kalt lässt. Dafür ist schlussendlich auch Kunis‘ Schauspielleistung zu wenig authentisch. Ähnliches gilt für Rachel Weisz («Das Bourne-Vermächtnis»), deren Figur einfach gar keine genaue Ausrichtung genoss, sowie Michelle Williams («Blue Valentine»), die immerhin mit ihrer naturgegebenen Warmherzigkeit überzeugt.

Schlussendlich reichen die schwach geschriebenen Figuren jedoch aus, um die zwar stark vorhersehbare, dabei aber äußerst kurzweilige und harmlose Story auszufüllen. «Die fantastische Welt von Oz» definiert sich kaum über die Handlung, sondern möchte das Publikum auf eine Reise in eine atemberaubende Welt entführen. Die fantasievollen Bilder, ein von Pianoklängen dominierter, verspielter Soundtrack von Danny Elfman («Silver Linings») und eine wenig anspruchsvolle und kindgerechte Story mögen dies vor allem bei einem Publikum gelingend machen, das auch außerhalb des Kinos zum Träumen neigt und sich von bösen Hexen sowie niedlichen Fantasiegestalten bestens unterhalten fühlt.

Fazit: Die bonbonfarbenen Welten von «Oz» versprühen einen lieblich-naiven Charme, der vor allem auf diejenigen übergreifen wird, die zwei Stunden in eine Welt eintauchen können, die mit der Realität absolut nichts zu tun hat. Die effektvollen Bilder wiegen die kleinen Schwächen des Skripts locker wieder auf und erinnern in ihrer Perfektion an ein lebendig gewordenes Märchenbuch. Wer sich dieser kunstvoll-kitschigen Welt hingibt und sich auf die durch und durch pompösen Bildgewalten einlässt, wird schließlich mit dem Gefühl belohnt, ganze 131 Minuten tatsächlich dort gewesen zu sein: in der fantastischen Welt von Oz.

«Die fantastische Welt von Oz» ist jetzt deutschlandweit in den Kinos zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/62526
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