Debatte

Zwei, die sich nur helfen können

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Der große Bruder hat eine neue Heimat gefunden. Wohl im Sommer 2013 wird Sat.1 ein Promi-«Big Brother» starten. Manuel Weis kommentiert.

Celebrity Big Brother

In Großbritannien lief im Januar bereits die elfte Promi-Version des Großen Bruders an. Sie dauerte 23 Tage. Der kleine Sender Channel 5 hat hierfür mit Endemol einen Zwei-Jahres-Vertrag abgeschlossen. Pro Jahr werden zwei solcher Staffeln gesendet. Verwendet wird dort übrigens nicht mehr das klassische «Big Brother»-Logo, sondern ein Auge, in dessen Mitte – also an der Stelle der Pupille – ein Stern zu sehen ist. Beim Finale sahen rund 3,6 Millionen Menschen zu – ein großer Erfolg für den Kanal.
Im November hat es Endemol-Chef Marcus Wolter gegenüber Quotenmeter.de versprochen – und nun hat er Wort gehalten. Die Reality-Show «Big Brother» kehrt 2013 auf die deutschen Bildschirme zurück – bei einem neuen Sender und mit einer neuen Version, nämlich als «Celebrity Big Brother». Die Promi-Version der Show läuft in England sehr erfolgreich. Sat.1-Chef Nico Paalzow hat zugeschlagen und kann somit einen weiteren Baustein seiner großen Showoffensive präsentieren. Während ein Senderwechsel der Reality-Show an sich nicht sonderlich erstaunlich ist, überrascht die Tatsache, dass die Show nun ausgerechnet zu Sat.1 wechselt schon ein bisschen. Aber auch nur auf den ersten Blick.

«Big Brother» ist nun ein Teil des ProSiebenSat.1-Konzerns. Wechsel von Senderfamilien sind beim internationalen «Big Brother» durchaus üblich – und schon vor der vergangenen Sommer-«BB»-Staffel im Jahr 2011 brachte Produzent Endemol einen möglichen Weggang von RTL II auf den Tisch. Die Verwunderung über eine Einigung mit dem ProSiebenSat.1-Konzern ist historisch bedingt. Einst war es nämlich der Sender ProSieben, der zuerst die Rechte am damals neuen Format «Big Brother» in Deutschland kaufte. Chef war zu dieser Zeit der Fernsehmanager Borris Brandt, der – wie er später immer wieder sagte – genau deshalb seinen Posten als Programmdirektor des Senders verlor.

Einige Zeit später war Brandt Geschäftsführer von Endemol in Deutschland und brachte die Reality-Show bei RTL II unter. Jetzt, viele Jahre später, hat Paalzow zugeschlagen – und wird seine Stelle deshalb sicher nicht verlieren. Der Deal ist nämlich für beide Seiten eine Win-Win-Situation. Endemol musste «Big Brother» 2013 auf den deutschen Markt zurückbringen – vor allem, weil die Marke zuletzt gelitten hatte. Der Große Bruder war hier in Deutschland nie ein sonderlich angesehenes Format – es war (mehr oder weniger) immer als Assi-TV verschrien, Werbekunden standen alles andere als Schlange. Und es galt lange Zeit als an niemand anderen verkaufbar als eben an RTL II. Ex-Endemol-Chef Brandt erzählte immer wieder gern, wie er sich einst die Hacken wund gelaufen hat, um den internationalen «BB»-Nachfolger «Der goldene Käfig» in Deutschland zu verkaufen. Keiner schlug zu.

Auch wenn das Image also immer angekratzt war, «Big Brother» lieferte auch in der 2011er Version hohe Quoten am RTL II-Vorabend. Die Sommer-Variante kam zu Beginn auf gut und gerne mehr als neun Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen. RTL II verlängerte die Staffel daraufhin um einen Monat – und machte damit einen Fehler, weil die Verlängerung nicht mit einem durchdachten Konzept verbunden war. So verabschiedete sich «Big Brother» bis jetzt aus Deutschland mit Marktanteilen von teilweise weniger als fünf Prozent bei einer Tageszusammenfassung und auch nicht mit der inhaltlichen Qualität, die die Sendung noch 2008 oder 2009 hatte. Dieser Makel haftet bis jetzt am Großen Bruder.

Erschwerend hinzu kam, dass das Nachfolgeformat «Berlin – Tag & Nacht» inhaltlich relativ identisch zu «BB» ist. Man könnte sagen, dass die Scripted Reality ein Großer Bruder im modernen Gewand ist. Keine Langweile, weil geschrieben. Keine abgeschotteten Kandidaten und ständig wechselnde Locations. Eben ganz 2013. Die Quoten gaben den Machern Recht – mit teilweise mehr als 15 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe liegt die Vorabendsendung deutlich oberhalb des RTL II-Senderschnitts. Als dann im Januar auch noch «Köln 50667» mit zweistelligen Werten startete, war jedem klar: Der Große Bruder hat bei RTL II auf absehbare Zeit keine Chance mehr.

Sat.1 hingegen hat aktuell kaum mehr etwas zu verlieren und ist auf der Suche nach Leuchttürmen, die den Sender wieder aus dem Schlammassel ziehen. Was passt also besser, als sich ein ebenfalls in Trouble befindendes Format zu sichern, sodass man sich gegenseitig aus der Patsche helfen kann? Drei Wochen Promi-«Big Brother» richten für Sat.1 wenig Schaden an – das Risiko ist also ziemlich begrenzt. Es besteht aber eine große Chance – bei Erfolg lässt sich eine Sendung gut und gerne ein, wenn nicht gar zwei Mal pro Jahr, machen. Und: Vielleicht gibt es 2014 sogar die Möglichkeit ein reguläres «Big Brother» auf die Schirme zurückzuholen. Der Gesamterfolg des Senders Sat.1 geht nämlich vor allem auch über einen erfolgreichen Vorabend – und den können die Münchner seit Monaten nicht mehr vorweisen.

Es wäre ja nicht das erste Mal, dass der Große Bruder allein auf weiter Flur ein Vorabendprogramm rettet. Unter diesen Voraussetzungen also macht es sehr viel Sinn, dass hier zwei zusammengekommen sind, die sich das wohl vor einiger Zeit selbst noch gar nicht hätten vorstellen können.

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