Mit «Britt» fällt im Juli sicherlich eine der letzten Instanzen von Sat.1 – und das letzte überlebende Exemplar des Genres Daily-Talk.
Ist diese Einstellung begrüßenswert? Angesichts der inhaltlichen Qualität und der konzeptuellen Ausrichtung als eine Plattform für das Vorführen des unteren Drittels der Gesellschaft ist diese Frage wohl mit „ja“ zu beantworten. Mulmig wird einem nur, wenn man sich überlegt, wodurch «Britt» so alles ersetzt werden könnte.
Die Daily-Talks waren Medienbeobachtern von Beginn an ein Dorn im Auge – in zahllosen Kritiken ließen Journalisten in den 90er und frühen 2000er Jahren kein gutes Haar an «Arabella», «Hans Meiser», «Birte Karalus» und Konsorten. Das, was man landläufig als Assi-Fernsehen bezeichnet, gab es schon damals zuhauf, auch wenn man bei Sichtung einiger Sendungen der Anfangsjahre des Genres durchaus zum Schluss kommen kann, dass es bei Ricky Harris, Jörg Pilawa, Sonja Zietlow und Arabella Kiesbauer noch eine Ecke gesitteter und weniger bizarr zuging als bei den aktuellen «Britt»-Folgen.
Betrachtet man aber das heutige Nachmittagsprogramm der großen Privatsender RTL und Sat.1, kommt man fast schon in den Zustand, dass man sich die alten Daily-Talks zurückwünscht. Sicher: ein fast schon unglaubliches Urteil. Doch wenn «Mitten im Leben», «Verdachtsfälle» oder «Niedrig und Kuhnt» die Alternativen sind, dann doch lieber «Arabella» und «Britt», oder?
Man wird sich jedoch mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass der Scripted-Reality-Boom noch lange nicht vorbei ist. Dank des Scheiterns von «Annica Hansen» und «Ernst Marcus-Thomas» im letzten Spätsommer kann man jedoch wenigstens guten Gewissens davon ausgehen, dass einem zumindest der Irrsinn einer gescripteten Vorführ-Talk-Show erspart bleiben wird.
Die Absetzung von «Britt» kommt indes nicht völlig unerwartet: Seit letztem Sommer sind die Reichweiten bei den 14-bis-49-Jährigen trotz einzelner Ausreißer nach oben kontinuierlich rückläufig. So schnell hat jedoch sicher kaum jemand mit einem Ende des Formats gerechnet: Schließlich gibt es bei Sat.1 deutlich größere Baustellen, in der Daytime wie in der Prime-Time.
Dass man am Vormittagsprogramm mittlerweile auf Wiederholungen von «Richterin Barbara Salesch» angewiesen ist, mag dabei durchaus nach Verzweiflung aussehen und aus programmgestalterischer Sicht ist es vielleicht auch nicht die optimale Lösung. Aber wozu neue Folgen aufzeichnen, wenn sowieso niemand den Unterschied zur Wiederholung erkennen wird? Ohnehin: Dass «Britt» seit zwölf Jahren produziert wird, kommt einem durchaus beachtlich vor, wenn man an die Austauschbarkeit der einzelnen Ausgaben denkt. Oder wer zeichnet sich seit zwölf Jahren jede Folge der Sendung auf und erkennt den Unterschied zwischen Wiederholung und Erstausstrahlung?
Das Höchste der Gefühle, was man Sat.1 als «Britt»-Ersatz derzeit zutraut, wäre wohl ein belangloses Mittagsmagazin im Stil von «push» oder «Das!», das ferner als In-House-Promotion-Schiene für (hoffentlich) zukräftige Prime-Time-Formate dienen könnte. Sicherlich wäre das auch nicht der Gipfel der Qualität; zumindest wäre es jedoch unter medienethischen Gesichtspunkten harmlos und würde nicht den Billigwahn Scripted-Reality als einzige Alternative im Nachmittagsprogramm zementieren.
Man wird ja noch hoffen dürfen.