Don’t Stop Believin‘
- 1981 von der Band Journey veröffentlicht
- seit 1998 zahlreiche Verwendungen in Filmen und Serien
- bis heute weit über fünf Millionen digitale Verkäufe
- "Solche Songs sind größer als wir selbst" Steve Perry, Sänger
Doch plötzlich hört er Klänge aus der Aula, ein Musikstück. Rachel, Finn, Kurt, Mercedes und die anderen – sie alle haben ihre Leidenschaft für die Musik behalten, sie haben weitergeprobt, auch nachdem Will seinen Abschied vom Glee Club verkündet hatte. „Hör‘ nicht auf zu träumen“, singen sie vor den faszinierten, gerührten Augen von Will Schuester. „Don’t Stop Believin‘“.
Diese letzten Minuten in der Pilotepisode der US-amerikanischen Musical-Serie «Glee» (Foto) haben sich in das kollektive Gedächtnis der modernen Serienlandschaft eingebrannt. Vielleicht ist diese Szene, in welcher der Glee Club den 80er-Song „Don’t Stop Believin‘“ aufführt, sogar die berühmteste und populärste der vergangenen TV-Jahre. Dutzende Millionen Aufrufe bei YouTube, rund zehn Millionen Zuschauer bei der Fernseh-Erstausstrahlung im Mai 2009. Und unzählige Performances bei Tourneen, Flashmobs, Coverversionen. Dieser doch einst eher unscheinbare Rocksong hat es im digitalen Serienzeitalter zu einem solchen Ruhm gebracht wie kaum ein anderes Musikstück. Dabei ist diese unbeschreibliche Erfolgsgeschichte keine zufällige…
Im Herbst 1981 veröffentlicht die Band Journey das Stück ohne größeren Erfolg. In den USA kam es zwar auf eine Top-Ten-Platzierung in den Rockcharts, in Europa aber fand „Don’t Stop Believin‘“ damals kaum Beachtung. Erfolgreicher waren andere Single-Auskopplungen des Albums „Escape“, beispielsweise „Open Arms“ mit Platz zwei in den amerikanischen Billboard-Charts.
Die Band Journey trennte sich Mitte der 80er, kam später wieder zusammen, teils mit wechselnder Besetzung. Unabhängig davon entwickelte sich ihr unscheinbares Rocklied zu einem Phänomen in der Entertainment-Branche. Die erste im Film- und Fernsehgeschäft registrierte Verwendung von „Don’t Stop Believin‘“ geht auf das Jahr 1998 und die Komödie «Eine Hochzeit zum Verlieben» mit Adam Sandler zurück. Ein von Geigen dominiertes Cover des Songs untermalt eine Heiratsszene in dem Film. Unauffällig und doch regelmäßig wird der Song bis Mitte der 2000er Jahre in immer mehr Produktionen eingesetzt: in Folgen von «Family Guy» und «Scrubs», dem Finale von «Laguna Beach», der amerikanischen Showtime-Serie «Soul Food», im Kino-Krimi «Monster». 2003 verbreitete sich ein bizarres Tribute-Video über das Internet, das den Song der jungen Netzgeneration ins Gedächtnis rief. Und zur Sporthymne wurde er zwei Jahre später für die Baseball-Mannschaft Chicago White Sox in den Playoffs, später auch für die LA Dodgers und die San Francisco Giants.
Vielleicht war David Chase, Erfinder und Produzent der «Sopranos» (Foto), zu dieser Zeit ein Baseball-Fan oder aufmerksamer Serienbeobachter. Er war es jedenfalls, der 2007 mit der letzten Szene dieser revolutionären Serie den Mainstream-Siegeszug von „Don’t Stop Believin‘“ unbewusst einleitete. Die «Sopranos» hatten in den Jahren zuvor die TV-Landschaft nachhaltig verändert, sie hatten gezeigt, wie Serien als komplexe Erzählungen abseits der Konventionen funktionieren können. Und sie haben die Zuschauer emotional mitgenommen wie kaum ein anderes Format, vor allem wegen des Hauptcharakters Tony Soprano – einer Serienfigur, die wohl wie kaum eine andere so gehasst und gleichzeitig so geliebt wird. 2007 war es demnach eines der spannendsten Geheimnisse der TV-Jahres: Wie würde die Ära der «Sopranos» enden? Und was würde mit Mafiaboss Tony geschehen?
Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass David Chase die hohen Erwartungen an das Serienfinale würde erfüllen können. Mittlerweile sind sie eines besseren belehrt: Erklärungen und Analysen zu dieser letzten Szene, in der sich Millionen Zuschauer von der Fernsehfamilie Soprano verabschieden, gibt es im Netz, in wissenschaftlicher Literatur, in Büchern. Die Anzahl der Interpretationen ist unüberschaubar. Mit dieser Szene, die in einem klassischen amerikanischen Diner spielt und die Familie Soprano bei einem gewöhnlichen Abendessen versammelt, hat David Chase einen Mikrokosmos voller Entdeckungen und Anspielungen geschaffen. Wer diese identifizieren will, kann auf das (offen gelassene) Ende der Serie schließen.
„Don’t Stop Believin‘“ spielt in dieser rund vierminütigen Szene – auch als Analyseargument – eine entscheidende Rolle. Der Song ertönt aus der Jukebox, Tony Soprano hat ihn sich gewünscht. Nach all den Konflikten der Mafiabanden, nach all den Leichen, über die Tony gegangen ist, nach den schweren Zeiten geht es „weiter und immer weiter“, so der Songtext. „Hör‘ nicht auf zu träumen“ ist die eine, simple Botschaft. „Und manche werden gewinnen, manche werden verlieren.“ Doch erwähnt werden auch die Unbekannten, die „Strangers“, die in der Nacht suchen und sich verstecken. Zusammen mit der Bildebene des «Soprano»-Finales ergeben sich weitere, konkrete Interpretationsebenen für diesen Songtext, der generell – wie sehr viele Pop- und Rocksongs – so allgemein und vage gehalten ist, dass er einen möglichst breiten Interpretationsspielraum für alle Hörer bietet.
Diese Szene – von zwölf Millionen Zuschauern bei der US-Erstausstrahlung und später unzähligen weiteren gesehen – brachte „Don’t Stop Believin“‘ einer neuen Generation nahe. Und katapultierte den Song endgültig zurück in den Mainstream. Danach folgte «Glee», das ihn schließlich zum Kult amerikanischer Popkultur erhob. Unzählige weitere Verwendungen folgten in diversen Shows, Serien und Filmen. Bis Ende 2011 verkaufte sich „Don’t Stop Believin‘“ über fünf Millionen mal bei iTunes und ist damit der meistverkaufte digitale Lied aller Zeiten, das vor dem Jahr 2000 erschienen ist. Zuletzt wurde es im Film «Rock of Ages» (Foto) beim Finale dargeboten, derzeit geht eine Kino-Dokumentation in den USA diesem Song und der Geschichte seiner Band nach.
Der Titel dieser Dokumentation – wie sollte er auch anders sein: «Don't Stop Believin': Everyman's Journey». Weshalb ausgerechnet dieses Lied zu einem solchen Phänomen wurde, lässt sich wie bei so vielen Phänomenen nur schwer erklären. Der Titel der Dokumentation mag eine Spur sein: „Everyman’s Journey“, die (Lebens)Reise jedes Menschen, spiegelt sich im Text wider. Jeder kann sich mit dem Song identifizieren. Der American Dream ist nicht ohne Grund Hauptmotiv im Songtext. Der eingängige Rhythmus, die Riffs, die populäre Songstruktur und seine gute Singbarkeit – auch im Duett – tun ihr übriges. Auch zusammen mit einer wohl gehörigen Portion Zufall.
„Oh the movie never ends / It goes on and on and on and on...” heißt es am Ende der zweiten Strophe fast drohend. Nur eine Frage der Zeit also, bis „Don’t Stop Believin‘“ uns wieder begegnet – im nächsten Film, der nächsten Serie, der nächsten Castingshow…