Die Kritiker

«Krokodil»

von

Mario Adorf begeistert in «Krokodil» als Schriftsteller im Ruhestand, der nochmal den Genuss am Leben entdeckt.

Inhalt


Hinter den Kulissen

  • Regie: Urs Egger
  • Kamera und Schnitt: Martin Kukula
  • Drehbuch: Karl-Heinz Käfer, nach einer Kurzgeschichte von Philippe Djan
  • Musik: Nellis Du Biel & Ina Siefert
  • Produzenten: Frank Mähr, Norbert Sauer, Günther van Endert
Der gealterte Schriftsteller Richard hat sich längst zur Ruhe gesetzt und in ein prächtiges, abgeschiedenes Landhaus zurückgezogen. Dort unterhält der gebildete Misanthrop kaum Kontakte zur Außenwelt. Hin und wieder angelt er mit seinem Bekannten Gabriel, sonst gibt es nur noch seine sarkastische Haushälterin Martha in seinem Leben. Fernsehen und Internet kann er nichts abgewinnen und sind deswegen auf seinem Anwesen tabu. Als Faible erlaubt sich Richard lediglich die Pflege seines historischen, windschnittigen Jaguars aus dem Jahre 1957. Dieses geordnete, gewollt einsame Leben des früheren Dandys wird aus der Bahn gebracht, als die junge und attraktive Mutter Judith direkt vor seiner Haustür einen Unfall baut. Schwer verletzt stehen sie und ihr fünfjähriger, wortkarger Sohn Dominik ohne Gefährt da sowie ohne Unterschlupf – denn gerade erst ist Judith vor ihrem Gefährten Christian geflohen.

Richard mag ein Sauertopf sein, der die Stille seines zurückgezogenen Lebens genießt, dennoch sieht er sich als guter Christ und Kavalier der alten Schule in der Pflicht, die junge Frau mitsamt Spross bei sich aufzunehmen. Selbstredend bloß, bis Judith wieder genesen ist. Die vertrauensseelige Mutter willigt ein, auch wenn der Aufenthalt auf Richards Anwesen der modernen Frau nur wenig Kurzweil verspricht – und der Schriftsteller früh die Geduld mit der ihm so einfach vorkommenden Judith verliert. Doch mit der Zeit lernen sie sich kennen und respektieren ...

Darsteller


Mario Adorf («Der große Bellheim») als Richard
Alwara Höfels («Allein gegen die Zeit 2.0») als Judith
Dagmar Manzel («Leben wäre schön») als Martha
Michael Mendl («Die Holzbaronin») als Gabriel
David Rott («Ganz und gar nicht») als Christian
Roberto Guerra («Freunde für immer – Das Leben ist rund») als Fausto

Kritik


Der alte Mann und das junge Ding – dazu noch als dramatisch-amüsanter Fernsehfilm. Leicht ertappt man sich als Zuschauer dabei, sich den Film unter Bezugnahme schlechter Erfahrungen und reiner Vorurteile in kitschig-stereotypischen Farben auszumalen. Eine altromantische, melodramatische Komödie mit ein paar Altherrenwitzen und Alltagspeinlichkeiten steht zu erwarten. So etwas gab es schon mehrmals bei den Öffentlich-rechtlichen zu sehen und weshalb sollte «Krokodil» da anders sein?

Als Zuschauer begibt man sich mit dieser Erwartungshaltung auf das Glatteis, auf dem anfangs auch die durch Mario Adorf mit großer Würde und ungezwungener Sympathie verkörperte Hauptfigur Richard herum schlittert. Judiths vitaler, einfacher Humor (insbesondere gegenüber ihrem Sohn) und ihre Frage, ob in Richards Haus vielleicht ein Fernseher zu finden sei, lassen den nachdenklichen Schriftsteller zum Schluss kommen, dass es sich bei ihr um einen simplen, oberflächlichen Menschen handeln muss. Allerdings lernt Richard, sobald er sich bemüht, ihr geduldiger zu entgegnen, dass auch Judith ein Auge für feingeistige Künste hat – und als eher visuell statt sprachlich veranlagter Mensch ist sie auch eine reizende Ergänzung zu dem Künstlerschlag, den er darstellt.

Das auf einer Kurzgeschichte basierende Fernsehdrama «Krokodil» ist ebenfalls weitaus mehr als eingangs zu befürchten steht. Regisseur Urs Egger und Drehbuchautor Karl-Heinz Käfer verzichten auf dick aufgetragene, von Sonnenlicht durchflutete Dialogsequenzen, in denen Adorfs Richard und seine neue Mitbewohnerin Judith (zurückhaltend, doch charakterstark: Alwara Höfels) in überdeutlichen, keine zweite Ebene beinhaltenden Worthülsen versuchen, ihr Gegenüber von einem neuen Lebensstil zu überzeugen. Niemand erdreistet es sich, Schauspielgröße Mario Adorf in gespielte Altherrenwitzchen über spät aufflammende Sexualität oder hinter dem Mond lebende Tattergreise zu zwängen. Stattdessen wird eine glaubwürdige und besonnene Geschichte über einen fähigen, intellektuellen Schriftsteller erzählt, der im hohen Alter der Liebe abschwor und nun in einer Frau, von der er es auf dem ersten Blick nie erwartet hätte, wieder Muse findet und seine alte, seit Jahrzehnten vermisste Seelengefährtin wiedererkennt. «Krokodil» ist kein Luststück – in einer kaum auffälligen, wohl aber viel über den Film und seinen Protagonisten aussagenden, Szene erklärt Richard einem seiner wenigen Gesprächspartner, dass er nicht weiß, ob ihm Judith äußerlich gefällt. Ihr Gesicht sei von einer Verletzung weiterhin verdeckt, ihren restlichen Körper habe er bislang nicht beachtet – aber ihre Stimme sei ein Wohlklang für ihn. Adorf spricht diese Zeilen nachdenklich, unschuldig und dennoch mit dem Liebeseifer eines zurückhaltenden Kavaliers – und fasst so seine Rolle perfekt zusammen.

Einziger Wehmutstropfen: Um auf die normierte Laufzeit von 90 Minuten zu kommen, streckt «Krokodil» das Auftauen Richards und den Prozess der Selbsterkenntnis, dass er Jahre, nachdem er die Suche aufgab, eine „geistige Liebe“ fand, mit kurzen Episoden, die es für Handlung und Charakterdarstellung nicht gebraucht hätte. Eine dieser Anekdoten ist relativ nah an dem, was dieser Film sonst hätte sein können: Richard saust mit Judiths Sohn Dominik über die Landstraßen und überfordert so dessen empfindlichen Magen. Es ist nur eine kurze, auflockernde Szene und somit nicht sehr störend, doch so richtig passen will sie in diesen Film nicht.

Fazit: Das dramaturgisch ruhige, bedachtvoll inszenierte Drehbuch und Adorfs gewinnende Darbietung machen «Krokodil» zu einem lohnenswerten Filmdrama, welches das Thema des alternden Künstlers und der unverhofften, jungen Muse bodenständig und mit runden Charkteren neu aufgreift.

Das ZDF zeigt «Krokodil» an Karfreitag ab 21.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/62884
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