Bahnstrecken vs. Stuttgart 21
Bahnfahren muss nicht teuer sein – «Die schönsten Bahnstrecken» sind dafür der beste Beweis. Mit nur 15 Euro Produktionskosten pro Minute handelt es sich um das günstigste TV-Programm der hiesigen Fernsehlandschaft; das Mammutprojekt Stuttgart 21 hingegen verschlingt fast 4,7 Milliarden Euro. Würde die Summe stattdessen in das ARD-Format investiert, ließen sich damit knapp 600 Jahre Sendung am Stück realisieren!Für die gewissenhafte Analyse des Zuschauerinteresses wurde auf die vom 1. Dezember 2012 bis 23. März 2013 erhobenen Daten zurückgegriffen. Bereits auf den ersten Blick zeigt sich dabei, dass die Publikumsgunst für «Die schönsten Bahnstrecken» ähnlich starken Schwankungen unterworfen ist, wie ein Quietscheentchen bei Windstärke 12. Zwar finden sich durchschnittlich rund 0,10 Millionen aus dem Gesamtpublikum ein, um die Sendung zu verfolgen, doch zeigen sich die Einschaltquoten tatsächlich in allen Facetten.
So schalteten am 1. Dezember 0,07 Millionen und 3,4 Prozent insgesamt ein, bei den 14- bis 49-Jährigen generierten 0,04 Millionen 3,3 Prozent Marktanteil. Rund zwei Wochen darauf wurden nur Werte von 0,04 Millionen und 1,8 Prozent bei den Fernsehenden ab drei Jahren gemessen. Das jüngere Publikum wurde am 15. Dezember zu 0,00 Millionen und 0,2 Prozent angelockt. Am zweiten Weihnachtsfeiertag hingegen fanden ganze 0,19 Millionen und 8,5 Prozent aus dem Gesamtpublikum ihren Weg zum nächtlichen Füllprogramm, bei den Jungen wurden überdurchschnittliche 0,10 Millionen und ausgezeichnete 7,3 Prozent gemessen.
Beim Blick auf die Einschaltquoten darf nicht vergessen werden, dass die Programmierung des Ersten es dem Format äußerst schwer macht, Stammzuschauer für sich zu gewinnen. Der sowohl häufige als auch unvermittelte Abbruch der Sendung ist dem treuen ARD-Zuschauer zwar vom blitzartigen Wechsel in die Werbepausen bei «Gottschalk live» bekannt – viel ausschlaggebender dürfte jedoch sein, dass das Publikum nie weiß, ob sich hinsichtlich der Sendezeit das Aufstehen überhaupt lohnt – die weitestgehende Ignoranz der Programmheftgestalter tut ihr Übriges. Zwischen knapp sechs Minuten und deutlich über einer Stunde variierte die Ausstrahlungsdauer allein innerhalb der letzten Wochen. Hinzu kommt, dass «Die schönsten Bahnstrecken» selten vor 4.00 Uhr Nachts gezeigt werden – eine Uhrzeit, zu der selbst die wachsten «Domian»-Zuhörer schon ins Land der Träume eingekehrt sind.
Dennoch gelingt es «Den schönsten Bahnstrecken» regelmäßig, über die Hürde des Senderschnitts zu nachtwandeln – zumindest im Rahmen der Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahren. Wie viele Fernsehende Das Erste dabei in geistiger Zurechnungsfähigkeit mit der Fernbedienung anwählen, bleibt den Instrumenten der GfK zwar verborgen – eine oberflächliche Betrachtung der Werte lässt jedoch nicht darauf schließen, dass das Interesse in Nächten, die für junge Menschen gemeinhin später zu Ende gehen, signifikant ansteigen würde. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die erfolgreichste Sendung der letzten Monaten ausgerechnet an einem Samstagmorgen gezeigt wurde.
So saßen am 16. Februar 0,20 Millionen Fernsehende pünktlich um 4.40 Uhr vor den heimischen Mattscheiben, um sich dem Bahnfahren hinzugeben. Sie bescherten dem Ersten eine Reichweite von 8,8 Prozent bei den Zuschauern ab drei Jahren. Bei den 14- bis 49-Jährigen überwand der Sender mit 0,10 Millionen und 7,6 Prozent den eigenen Senderschnitt mit Leichtigkeit; üblicherweise schalten nur 6,3 Prozent aus dieser Publikumsgruppe Das Erste ein.
Alles in allem schlugen sich «Die schönsten Bahnstrecken» in der jüngeren Vergangenheit durchaus respektabel. Mit Blick auf die mitunter ordentlichen Marktanteile beim jungen Publikum sollte Das Erste einen Einsatz im Vorabendprogramm ernsthaft in Erwägung ziehen; sowohl dem Unterhaltungswert als auch den Zuschauerzahlen des Sendeplatzes dürfte eine solche Maßnahme zu Gute kommen. Abschließend lässt sich festhalten, dass «Die schönsten Bahnstrecken» all jene Kritiker Lügen straft, die dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen vorwerfen, nur noch auf Quote anstatt auf Qualität zu achten – unzweifelhaft ist dem Format noch eine lange Präsenz beschieden.