Der Serienstaff
- Serienschöpfer und Chefautor: David S. Goyer
- Ausführende Produzenten: David S. Goyer, Julie Gardner, Jane Tranter
- Komponist: Bear McCreary
- Kamera: Julian Court, Fabian Wagner
- Schnitt: Nick Arthus, Tim Murrell
- Kostüme: Annie Symons
Zumindest startet «Da Vinci's Demons» packend genug, um einen Großteil des Potentials auszuschöpfen. Der Pilot präsentiert da Vinci (Tom Riley) als hübschen Lebemann, der sich mit seinem geheimnisvollen, neuen Mentor (Alexander Siddig) trifft, um sich mit Drogen zu betäuben und über rästelhafte Bücher zu philosophieren oder sein martialisches Kindheitstraumata zu sprechen. Da Vinci kokettiert mit jungen, leicht bekleideten Frauen, ganz gleich welchen gesellschaftlichen Stand sie haben und ob sie vergeben oder Junggesellinnen sind, und beim verzweifelten Versuch, für seine zahllosen Ideen für Fluggerätschaften finanzielle Unterstützung zu erhalten, verspricht er den Reichen und Mächtigen zur Not auch gewaltige Kriegsgerätschaften. Seine Sympathie wird von seiner vorlauten Art aufgewogen, die ihn unter anderem bei Count Girolamo Riario (Blake Ritson) in Ungnade fallen lassen. Riario, der uneheliche Sohn von Papst Sixtus IV (James Faulkner), einem rumhurenden, mörderischen Despoten, ist zudem auf der Suche nach einem der Sage nach die Antworten auf alle Fragen des Universums beantwortenden Schriftstück, dem „Book of Leaves“, und darüber hinaus Teil einer politischen Intrige rund um die Familie Medici, welche die heimlichen Machthaber der blühenden, wenngleich gewaltvernarrten, Stadt Florenz stellt ...
Serienschöpfer, Regisseur und Autor David S. Goyer legt in «Da Vinci's Demons» ein sehr hohes Tempo hin und balanciert zahlreiche Handlungsstränge, ohne dabei hastig von Storyelement zu Storyelement zu wechseln. Mit den für Kabel-Historienserien so typischen getragenen Dialogen, teils melodramatisch übertrieben, teils angemessen überlebensgroß, werden die Fronten in dieser Serie grob abgesteckt und das große Ensemble, das durchweg großes Engagement zeigt, lässt bereits nach wenigen Minuten Lust entstehen, mehr von den überlebensgroßen, zwar karikierten, dennoch nicht flachen Figuren zu sehen. Und während sich da Vinci von Inspiration zu Inspiration schlägt, umgarnt Serienkomponist Bear McCreary das Publikum mit eingängigen, träumerischen Leitthemen, die das Serienfeeling großartig unterstützen.
Gleichwohl kann die Pilotfolge ihr Publikum auch erschlagen. Es werden einige Figuren und deren komplexen Beziehungen zueinander eingeführt, zugleich wird auf angenehm subtile Weise klar gemacht und welches Universum die Serie vor den Augen der staunenden Zuschauer ausbreiten möchte. «Da Vinci's Demons» spielt nämlich in einem weitestgehend der realen Renaissance gleichenden Setting, in dem da Vinci schlichtweg eine Handvoll mehr seiner genialen Ideen umsetzen konnte – und in dem das Mystische vielleicht etwas mehr Hand und Fuß hat (aber nur ein wenig!). Offen bleibt derweil das „Mission Statement“, die Aussage darüber, wo David S. Goyer mit seiner „Historical Fantasy“ hin möchte. Überraschungen in allen Ehren, aber wenn keinerlei Eindruck über den weiteren Verlauf einer Serie übrig bleibt, so hat dies einen leicht bitteren Nachgeschmack. Ist es eine Abenteuerserie, eine Serie über politische und private Intrigen, ist es ein Charakterdrama über den intellektuellen Rebellen da Vinci, geht es doch schlussendlich mehr um den Sex, die Gewalt, die Erfindungen und das melancholisch-aufregende Feeling der Serie und weniger um die Handlungsbögen? Und was sind die titelgebenden Dämonen da Vincis?
So imposant die erste Folge auch sein mag, so hinterlässt sie einen auch leicht orientierungslos. Deshalb sollten Neugierige, die sich ein Bild von «Da Vinci's Demons» verschaffen wollen, definitiv mindestens noch die zweite Folge anschauen. Diese verschafft bereits etwas mehr Klarheit, ohne dass David S. Goyers Spielerei mit Fakt und Fiktion plötzlich völlig durchschaubar werden würde. Was die Gattung und Gangrichtung der Serie angeht, so ist von allem etwas dabei. Eine Prise Mystery um das „Book of Leaves“ und die Verschwörung rund um einen Erhängten aus dem Serienpiloten, eine kleine Dosis Swashbuckling-Spaß, charaktergesteuertes Drama um die sich widersprechenden Facetten da Vincis und ein wenig Sinn und Sinnlichkeit, um das Paket schmuck zu verschnüren. Nach dem mitreißenden, überwältigen, allerdings auch eine Orientierungslosigkeit ausdrückenden Piloten balanciert die zweite Folge all diese Elemente wohlig aus und lässt die einzelnen Handlungsbögen und -stimmungen einander stützen.
Zudem wird klar, dass sich der Serientitel auf mehrere, sehr unterschiedliche Dämonen stützt. Tom Riley spielt da Vinci mit begeisternder Intensität als unsteter Zeitgenosse, der nie Rast finden kann und sich gezwungen sieht, seine Gedanken zu betäuben, um sie auszuhalten. Diese gedankliche und körperliche Hyperaktivität ist einer von den vielen Dämonen des Multitalents, das zudem von dem Trauma einer halbverdrängten Kindheitserinnerung geplagt wird und mit seinen charismatisch vorgetragenen Lügen ganz langsam seine eigene gesellschaftliche Verachtung vorbereitet. Eine weiterer Dämon da Vincis, der langsam seine Schatten voraus wirft, ist sein Engagement als Kriegsmaschienenhersteller – dass der Humanist auf diese Weise Geld verdient, nimmt in Episode zwei bereits einigen Raum ein und wird im weiteren Serienverlauf zu einer wiederkehrenden Plage für den Künstler.
Um «Da Vinci's Demons» in Sachen Publikumserfolg zum neuen «The Walking Dead» zu machen, fehlt es den ersten paar Episoden jedoch unter anderem an Ruhe. Ob im überwältigenden Piloten oder der flott voranschreitendenn, plottechnisch stärkere und spannenderen zweiten Folge: Die Handlung hat zwar keinen Mangel an Dramatik, doch da David S. Goyer seinen Figuren kaum eine Ruhepause gönnt, gibt es auch kaum Möglichkeit, ausführlich in das Innenleben der Protagonisten zu blicken und zu erkennen, wie ihnen die Konsequenzen ihres Handelns bewusst wird. All dies wird vorerst auf relativ kurze Dialoge beschränkt, was die Fallhöhe niedriger als möglich hält. Und rein visuell fügen sich die teils unfertig wirkenden, zu grellen und sauberen CG-Landschaften nicht in die üppigen Sets mit den in aufwändigen Kostümen bevölkerten Schauspieler ein, weshalb «Da Vinci's Demons» auch als reines Spektakel nicht ganz so gut wegkommt wie es möglich gewesen wäre. Aber wer sich für einen explosiven Genremix im historischen Gewand zu begeistern weiß, wird mit dieser Serie auf jeden Fall neuen Fernsehstoff finden, den er so einfach nicht bei Seite legen kann.