Die wichtigsten Tennis-Liverechte in Deutschland
- ProSiebenSat.1: Premier Turniere der WTA-Tour, Davis Cup, Fed Cup
- Eurosport: Australian Open, French Open, US Open
- Sky: Wimbledon
- Sport1: ATP World Tour 1000 und 500
Stand 20. April 2013
Die Publikumskrise des Tennis lässt sich leicht daran ablesen, wie wenig Relevanz er im deutschen Fernsehen noch hat. Kaum ein großer Sender überträgt noch Spiele – besonders die Öffentlich-Rechtlichen haben sich von ihrem Engagement zurückgezogen. Ausnahmen wie Einzelübertragungen der Gerry Weber Open bestätigen die Regel. Die Übertragungsrechte an Turnieren sind gesplittet; Eurosport, Sport1, Sport1+, Sky und nun auch noch die ProSiebenSat.1-Gruppe dürfen Tennisevents übertragen.
Auch die Mitgliederzahlen des einstigen Volkssports sanken drastisch, ähnlich wie bei Sat.1 die Marktanteile: Weit über zwei Millionen spielten in den 90er Jahren vereinsmäßig am Netz – rund ein Drittel ist bis heute verloren gegangen. Die Negativspirale setzte sich fort, Sponsoren und besagte Medien sprangen ab. Seit 2009 wird in Deutschland keines der beliebten Masters-Turniere mehr ausgetragen, die großen Stars des Sports lassen sich seitdem nur noch selten auf heimischem Tennisboden blicken.
Doch ähnlich wie Sat.1 hält auch das deutsche Tennis mitten in der vermeintlichen Krise bekannte, erfolgreiche Marken bereit: die junge Generation der Tennisdamen Andrea Petkovic, Julia Görges, Sabine Lisicki – und Angelique Kerber. Letztere kämpfte sich auf Platz sechs der Weltrangliste, eher unbemerkt und „fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit“, wie bei der ersten Tennis-Übertragung von Sat.1 Gold betont wird. Der digitale Ableger des Hauptprogramms präsentiert an diesem Wochenende nach Jahrzehnten erstmals wieder ein Profi-Tennisturnier bei der Sendergruppe ProSiebenSat.1, begründet damit die Neuauflage dieser „historischen Partnerschaft“. Denn kein geringerer Sender als Sat.1 selbst war es, der 1988 den ersten deutschen Davis Cup-Sieg übertrug. Wie wichtig der weiße Sport damals war, zeigt ein fast wahnsinniger Deal: Sat.1 versprach den Tennis-Sponsoren damals kostenlose und exklusive Werbeplätze, stach erst damit die ARD im Rechtekampf aus. Der junge Privatsender verlor Millionen an Werbegeldern, gewann aber Prestige und Zuschauer – und wurde zum Sinnbild für die vielzitierte goldene Generation um Graf, Becker, Stich.
Moderator Matthias Killing wird bei dieser Auftaktsendung daher nicht müde zu betonen, dass man es derzeit mit einer neuen goldenen Generation an Spielerinnen zu tun haben könnte. Und macht potenziellen neuen Zuschauern den Sport schmackhaft: In Einspielern werden die Tennisdamen vorgestellt, mit einem Fokus auf ihre Persönlichkeit, auf ihre Charaktereigenschaften, ihre Geschichte. Nicht ohne Grund ist Andrea Petkovic mit ihrem Petko-Dance in der (internationalen) Tenniswelt ungemein beliebt, Sat.1 Gold kann jedoch nur bedingt auf sie als mediale Repräsentantin bauen: Petkovic war verletzt, verfolgt die Spiele von den Zuschauerrängen aus. Es geht um viel beim Fed Cup-Turnier an diesem Wochenende: Gewinnt Deutschland gegen Serbien, steigt man in die erste Weltgruppe auf und kann sich wieder mit den ganz großen Tennisnationen messen.
Im ersten Match tritt die weitgehend unbekannte Mona Barthel an, aktuelle Nummer 23 der Weltrangliste. Kommentator aller Übertragungen am Wochenende ist kein geringerer als Matthias Stach, für den Tennissport seit Jahren im Einsatz und zuletzt auch bei Eurosport tätig. Bis 2012 arbeitete Stach auch für Sky und dessen Bundesliga-Übertragungen. Für viele Sportfans ist er einer der besten Kommentatoren, mindestens im Tennis. Er kennt die Spieler persönlich, gewinnt Eindrücke bei Trainingsbeobachtungen und ist auf der Tour zuhause. Vor allem kann Stach das einzelne Match lesen und die psychologische, mentale Komponente deuten, die so viele Partien in spannende, unvorhersehbare Ereignisse verwandelt.
Neben den zahlreichen Insiderinfos vermittelt Stach so gekonnt eine Dramaturgie des Spiels. Und ist im Auftaktmatch mit Mona Barthel gleich in seinem Element: „Eine Achterbahn der Gefühle“ erlebt der Zuschauer schon im ersten Satz, wie der Kommentator betont. Es geht in einen sehr umkämpften Tie-Break, das Hallenpublikum macht Stimmung. Solche spannenden Szenen braucht der Sender, um (neue) Zuschauer für den Sport zu begeistern. Eingefleischte Tennisfans muss man – auch dank Stachs Engagement – ohnehin nicht überzeugen. Eher zeigte sich die Stärke des Moderators diesmal noch mehr: Denn trotz sehr spärlich gesäter Werbeunterbrechungen hält Stach die Zuschauer bei Laune.
Einige neue Fans könnte Matthias Killing anlocken, mittlerweile «ran»-Gesicht und Allorund-Moderator der ProSiebenSat.1-Gruppe. Das Rahmenprogramm moderiert er gewohnt unterhaltsam, sein Zusammenspiel mit Experten wie Charly Steeb und Patrick Kühnen funktioniert. Den Charme einer großen Tennisübertragung gewinnt man dann aber zwangsweise doch nicht, die vielbeschworene Aufbruchsstimmung fehlt noch. Zu klein ist vielleicht noch dieses Play-Off-Turnier, zu versteckt der Sender, zu gewöhnlich der Moderator, zu wenig atmosphärisch die Halle, aus der man überträgt. Die großen Momente und das Mitfiebern kommen nur dann, wenn das deutsche Tennis weiter aufsteigen kann – am Samstag sieht es zumindest nicht ganz schlecht aus: Mona Barthel verliert zwar ihr Einzel, Angelique Kerber gewinnt ihr Match aber recht souverän. Am Sonntag muss das deutsche Team nun zweimal siegen.
Die Einschaltquoten für Sat.1 Gold werden wohl erst einmal überschaubar sein. Sollte aber der Sport wieder an Beliebtheit gewinnen, hält man lukrative Rechte: Denn die Sendergruppe hat die Partnerschaft mit dem Deutschen Tennis-Bund gleich über zehn Jahre geschlossen. Sat.1 Gold ist vermutlich nur eine Zwischenstation für Live-Tennis – ProSiebenSat.1 plant einen eigenen Sportsender, außerdem könnten große Spiele auch auf den Hauptprogrammen gezeigt werden. Für den DTB ist die Kooperation zunächst nur insofern ein Schritt nach vorn, als nun auch der Internet-Verbreitungsweg umfangreich abgedeckt wird, wie Präsident Dr. Karl-Georg Altenburg betont: „Ein zentraler Bestandteil der Strategie des neuen Präsidiums ist es, die Präsenz von Tennis in den Medien, und zwar online und offline wieder zu erhöhen, sodass alle Tennisfans unseren Sport im TV und Internet wieder mehr erleben können.“ Im Netz gibt es auf Portalen von ran und dem neuen tennis.de künftig Infos und Live-Streams für Fans und für neue Zielgruppen. „DTB 2.0“ nennt man die crossmediale Strategie.
Allein, dies wird der Popularität des Tennis nur bedingt helfen. Eigentlich helfen nur: Große Siege deutscher Spieler, vielleicht sogar ein Finaleinzug oder Gewinn eines Grand Slams. Und irgendwann wieder eine neue deutsche Nummer 1 der Tenniswelt. Erst dann kann auch ProSiebenSat.1 die goldenen Tennis-Zeiten wieder heraufbeschwören. Bis dahin bleiben die Übertragungen nicht viel mehr als ein solides Zusatzangebot für echte Tennis-Fans, neben Eurosport und Sport1.