Sonntagsfragen

Michael Esser: 'Telenovela ist zu einem Unwort verkommen'

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Der ehemalige Autor von «Verliebt in Berlin» hat mit «Mantrailer» nun einen RTL-Piloten gemacht. Mit uns spricht er darüber.

Herr Esser, RTL zeigt «Mantrailer» - sagen Sie uns grob, worum es in diesem Backdoor-Piloten geht.

Zur Person: Michael Esser

Michael Esser hat als Autor und Consultant zahlreiche Filme, Fernsehfilme und -serien realisiert, unter anderem vier Event-Mehrteiler, sechs wöchentliche Serien und mehr als 30 TV-Movies für ZDF, ARD, RTL, ProSieben und Sat.1 sowie Mediaset, Italien. Er war Head Autor von «Verliebt in Berlin», der erfolgreichen Sat.1-Telnovela, die sogar einen Fernsehpreis abräumte. Bei «Mantrailer» war er für die Firma Phoenix Film als Producer tätig.
Wir zeigen darin polizeiliche Ermittlungsarbeit mit Hilfe eines Hundes. Mantrailing ist hier in Deutschland noch nicht so bekannt, obwohl schon erste Landespolizeistellen dabei sind, Hundestaffeln in diesem Gebiet zu trainieren. Nach meinem Wissensstand ist es sogar so, dass die Ergebnisse in den USA ein gerichtsverwertbarer Beweis sind, wenn ein Hund die Spuren von Tätern verfolgt. Davon sind wir in Deutschland noch weit entfernt. Mantrailing wird aber auch in der Freizeit der Menschen immer beliebter. Es ist längst nicht mehr nur so, dass man in Hundeschulen nur Sport macht oder an der Erziehung der Tiere arbeitet, teilweise wird dort auch Mantrailing angeboten. Schwierig war es, das in eine interessante Story zu integrieren und zudem die spektakulären RTL-Standards zu bedienen. Das war viel Arbeit, aber wir haben das gut gemacht, weil ein aus meiner Sicht spannender Film entstanden ist, in dessen Mittelpunkt der Hund Finn steht.

Das klingt ein bisschen wie ein noch begabterer «Kommissar Rex».
Ja, damit haben wir gerechnet, dass Sie so argumentieren. Jeder mit TV-Vergangenheit in Deutschland würde das wohl sagen. Wir wollten eigentlich ein oder zwei Schritte weitergehen. Bei uns wird der Hund nicht vermenschlicht. Er ist also nicht der zweite Kommissar, sondern bleibt ein Tier. Wir erzählen ein Hund-Mensch-Verhältnis wie es eigentlich sein sollte. Finn ist ein Spezialist auf seinem Gebiet, der von seinem Frauchen eingesetzt wird. Und es kann durchaus vorkommen, dass die Menschen die Signale des Hundes nicht richtig deuten.

Also mag Finn keine Wurstsemmeln?
Das weiß ich nicht. In dem Film geht es nicht darum, was der Hund genau isst. Ohne Frage war «Kommissar Rex» ein tolles Format in den 90ern – aber es gehört eben in die 90er, während wir eine Hund-Mensch-Geschichte aus dem Jahr 2013 erzählen. Ich glaube, es hat schon seine Gründe, dass jüngste Neuauflagen von «Rex» in Italien nicht funktioniert haben…

Bei Erfolg würde daraus seine Serie entstehen. Wie schnell könnte die denn folgen?
Auf jeden Fall müssten wir wohl deutlich oberhalb des Senderschnitts liegen. Das ist eine Anforderung, vor der wir durchaus Respekt haben.

Zumal ja zuletzt alle Serienversuche von RTL gescheitert sind – unter anderem das sehr teure «The Transporter». Kennen Sie genaue Zielvorgaben?
Nein, die wurden uns nicht mitgeteilt. Ich hoffe, dass die Quoten überzeugend sein werden, der Slot ist gut. Wir sprechen ein ähnliches Publikum wie «Cobra 11» an. Üblich ist ja, dass RTL einen Pilotfilm und zugleich auch schon Bücher für eine erste Staffel bestellt, sodass wir also im Moment schon intensiv am Arbeiten sind, was Geschichten für eine mögliche erste Staffel angeht. Der Tag der Entscheidung wird aber erst noch kommen – und ich hoffe, dass RTL vor dieser Entscheidung unsere guten Quoten diskutieren muss.

«Cobra 11» läuft seit mehr als 18 Jahren erfolgreich. Das gelang zuletzt keiner anderen RTL-Serie. Was ist deren Erfolgsgeheimnis?
Wenn ich das wüsste…. Ich kann das eher nur vermuten: Ich glaube, dass die Faszination daran groß ist, Autos mit deutschen Nummernschildern durch die Luft fliegen zu lassen. Man kennt das ja sonst eigentlich nur mit Fahrzeugen amerikanischer Bauart. Außerdem schafft es «Alarm für Cobra 11» seit Jahren, sein Serienversprechen einzulösen. Man weiß, was man kriegt. Das ist eine gut definierte Erwartungshaltung seitens des Zuschauers. Es gibt Action und Spannung und davon jeweils nicht zu wenig. Und: Es ist eine der wenigen Serien, die einen Relaunch sehr gut hinbekommen haben. Vor einiger Zeit haben die Macher erfolgreich einiges an Humorpotential hinzugefügt. Da kann man nur den Hut ziehen.

Was braucht eine gute Krimiserie heutzutage? Es ist immer wieder davon die Rede, dass die einen einzigartigen Kern braucht – wie beispielsweise «Der letzte Bulle» einen hat.
Unbedingt, allein deshalb, weil Krimis der Deutschen liebstes Kind sind. Als neuer Krimi muss man sich immer unter vielen schon existierenden positionieren – und dann muss man dem Zuschauer in jeder Folge auch etwas Verlässliches und Einzigartiges präsentieren.

Sie waren früher Autor der Sat.1-Erfolgstelenovela «Verliebt in Berlin». Denken Sie eigentlich gern an die Zeit zurück?
Unbedingt – übrigens auch an die schwierigen Momente. Ich denke natürlich gerne an die so unglaublich erfolgreiche erste Hälfte, finde aber auch, dass die zweite Staffel gut lief – und das im Gegensatz zu vielen. Auch die zweite Staffel hatte regelmäßig Quoten oberhalb des Senderschnitts. Wer sieht, was danach von Sat.1 auf dem Sendeplatz versucht wurde und welche Quoten das hatte, muss sagen, dass wir mit «Verliebt in Berlin» auch am Ende noch ziemlich gut da standen.

Aber freilich gab es in Staffel zwei einige Probleme.
Sie müssen sehen: Wir waren die zweite Telenovela, die hierzulande das Licht der Welt erblickt hat. Die gesamte Branche befand sich damals in einem Lernprozess: Was ist eine Telenovela? Viele haben den Lernprozess glaube ich nur teilweise bewältigt und heute ist es schon fast so, dass Telenovela zu einem Unwort verkommen ist.

Einige sagen, dass ein Format wie «Verliebt in Berlin» heute nicht mehr funktionieren würde. D‘ accord?
Nein, ich glaube, dass man das auch daran sieht, auf wie vielen Kanälen die Folgen heute noch wiederholt werden. Das funktioniert auch 2013 noch sehr gut. Anders als viele andere Telenovelas hatten wir es geschafft, immer mit einer leichten Überhöhung zu erzählen; wir hatten dadurch eine märchenhafte Präsenz. Viele andere Formate wollten mehr die Wirklichkeit abbilden und sind deshalb der klassischen Daily-Soap auch deutlich näher. Davon haben wir uns immer abgegrenzt.

Bedauern Sie den aktuellen Erfolg von Formaten wie «Berlin – Tag & Nacht»?
Zugegeben: Der Erfolg überrascht mich. Ihn zu bedauern wäre unprofessionell. Ich bin mir aber ein bisschen unschlüssig, wo dieser Erfolg herrührt. «Berlin – Tag & Nacht» hat schon stark den Charakter eines Blicks in einen Menschenzoo. Mir ist es immer lieber, wenn man versucht für das Fernsehen Charaktere zu schaffen, mit denen man sich identifiziert und für die man Sympathien entwickelt und nicht eine Welt schafft, über die man eigentlich nur staunen kann. Ich habe das Gefühl, dass die Macher aktuell aber versuchen, mehr Sympathien in das Format reinzubekommen und so auch noch mehr zur Daily Soap werden. Ich glaube aber, dass sowohl «Berlin» als auch «Köln» damit mit den Köpfen an die Decke stoßen. Die Empathie einer normalen Daily Soap werden sie nicht erreichen.

Vielen Dank, Herr Esser.

Kurz-URL: qmde.de/63365
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