Shane Blacks Drehbuch-Filmographie
- «Lethal Weapon»
- «Monster Busters» (gemeinsam mit Fred Dekker)
- «Lethal Weapon 2 - Brennpunkt L.A.» (Story)
- «Last Boy Scout»
- «Last Action Hero»
- «Tödliche Weihnachten»
- «A.W.O.L.»
- «Kiss Kiss Bang Bang»
Von der «Avengers»-Euphorie geblendet, vergisst man schnell, dass Iron Mans vergangener Solo-Leinwandausflug bereits seinerzeit eine leichte Enttäuschung darstellte, und dass er vom Zahn der Zeit recht arg zersetzt wurde. Zwar ist «Iron Man 2» reich an Ambition und Ideen, allerdings krankt er an einer sehr holprigen Dramaturgie, sprunghaften Charakterisierungen und, je nach Standpunkt, einer Überdosis Marvel-Universenbildung oder an unzureichender Leinwandzeit für seine Nebenfiguren. Doch egal, ob Black Widow, Nick Fury und Co. zu kurz zu sehen waren, um sie zu einem essentiellen Teil der Handlung aufzubauen, oder ob sie bereits zu viel Aufmerksamkeit auf sich gelenkt haben, entscheidend ist: Drei weitere Einträge ins „Marvel Cinematic Universe“ später erstrahlen die «Iron Man 2»-Momente abseits des Titelhelden nicht in einem besseren Licht, sondern wirken nur noch hölzerner und forcierter, da wir vorgeführt bekamen, wie gut das breite Marvel-Filmuniversum stattdessen beleuchtet werden kann, ohne die zentrale Story aus den Augen zu verlieren.
Der Druck auf «Iron Man 3» ist also enorm: Es ist der erste Marvel-Film nach «The Avengers» und somit in klarer Bringschuld, das Superheldenuniversum sinnig weiterzuspinnen. Gleichwohl wird ein gelungenes Einzelabenteuer des Milliardärs, Playboys und Superhelden Tony Stark erwartet, das sich von den «Iron Man 2»-Patzern distanziert. Beide Ziele zugleich zu erreichen erscheint nahezu unmöglich, sind sie doch geradezu entgegengesetzter Natur. Umso bezahlter macht sich das Wagnis der Marvel Studios, nach zwei «Iron Man»-Filmen das Kreativteam auszutauschen und das Schicksal der Filmreihe in die Hände von Shane Black zu legen, der als Co-Autor und Regisseur ordentlich das Ruder herumreißt. Black inszenierte zuvor zwar einzig und allein eine günstig produzierte Actionkomödie, doch diese ist immerhin die virtuose Film-noir-Hommage und Action-Parodie «Kiss Kiss Bang Bang». Wenn jemand weiß, wie man einer filmischen Tradition treu bleiben kann und sie gleichzeitig neu erfindet, dann Black.
Wie Weihnachten und Sommerferien gleichzeitig
Shane Black und sein Co-Autor Drew Pearce lassen sich allerhand einfallen, um den Erwartungen an «Iron Man 3» gerecht zu werden und mit ihnen im selben Zug gekonnt zu spielen. So zeigen sie Tony Stark (Robert Downey junior) als psychisch deutlich von den Ereignissen in «The Avengers» gezeichnet – das Supergenie erkennt erstmals die Grenzen seines Wissens und Könnens, was seinem Nervenkostüm schwer zu schaffen macht. Der frühere Waffenhersteller leidet unter Panikattacken und verkriecht sich in seiner Werkstatt, wo er ununterbrochen an neuen, schnelleren, stärkeren Iron-Man-Anzügen tüftelt. Dadurch hält «Iron Man 3» die Erwartungen ein, dass diese Fortsetzung mehr zu bieten hat als «Iron Man 2» (die Masse an Iron-Man-Rüstungen ist nahezu überwältigend) und dass sie inhaltlich nahtlos an «The Avengers» anknüpft, zieht sie doch deutliche charakterliche Konsequenzen aus den Geschehnissen des Megablockbusters.
Aber: Nachdem Tony Stark einen gefürchteten Terroristen namens „Der Mandarin“ (Ben Kingsley) medial zum Duell herausfordert, erwischt dieser den Milliardär eiskalt und schneidet ihn von jeglichem Zugriff auf seine technischen Spielereien ab. So werden Black und Pearce den Erwartungen gerecht, dass der dritte Teil einer Filmreihe dramatischer und härter werden muss, ehe sie radikal in eine völlig andere Richtung abdriften. Denn nach dem fatalen Angriff auf sein Rückzugsgebiet findet sich Tony Stark nicht in einer Höhle im Nahen Osten wieder (wie im Erstling der Reihe) oder in einem ominösen Loch von einem Gefängnis (frei nach «The Dark Knight Rises»), sondern … in einer verschneiten Kleinstadt im mittleren Westen der USA. Dort hält sich Stark, um von den Handlangern des Terroristenführers nicht entdeckt zu werden, sehr bedeckt und arbeitet nur mit den simplen Mitteln, die er mit Hilfe eines technikverliebten kleinen Schuljungen (Ty Simpkins) zusammenkratzen kann. Urplötzlich verwandelt sich «Iron Man 3» in eine zeitgemäße Fortführung der kultigen, humorvollen 80er-Jahre-Actionthriller, die Shane Black damals mit «Lethal Weapon 1 & 2» miterfunden hat. Dieser nostalgische Rücksturz in die Vergangenheit des Buddy-Cop-Genres mischt die «Iron Man»-Formel auf pfiffige Weise auf, ohne die Filmreihe stilistisch zu betrügen. Mit seinem sarkastischen Humor steht Tony Stark eh in einer Riege mit Kult-Actionhelden wie John McClane oder Martin Riggs und die Präsenz des Mandarin sowie einer neuen Gruppe kaum bezwingbarer, übernatürlicher Schurken verwurzeln die Story durchgehend im Marvel-Filmuniversum.
Auch «Iron Man 1 & 2»-Regisseur Jon Favreu bleibt der Saga erhalten und tritt als Bodyguard von Pepper Potts (Gwyneth Paltrow, die sich mehr noch als in den ersten beiden Filmen gegenüber Downey junior in feinster Screwball-Komik üben darf) erneut vor die Kamera. Ein weiterer Rückkehrer aus «Iron Man 2» ist Don Cheadle als Tony Starks bester Freund Rhodey, der dank des besseren Dialoghumors eine spritzigere Figur macht als noch im Vorgänger. Neu in der Welt der Marvel-Verfilmungen sind derweil Guy Pearce, der mit wundervoll fieser Spielfreude einen schmierigen Geschäftsmann und Biochemiker verkörpert, und Rebecca Hall, die als Bioforscherin und früherer One-Night-Stand Tony Starks zwar etwas unterfordert bleibt, sich aber trotzdem gut in das etablierte Ensemble einfügt.
Die denkwürdigste Performance des Films stammt allerdings von Ben Kingsley, dessen von Black und Pearce geschriebene Interpretation des Mandarin unter den eingeschworenen Comicfans sicherlich polarisierend aufgenommen werden dürfte. Die Darstellung des Mandarin als rätselhafte Schattenfigur, die sich der Massenmedien annimmt, um Amerika in Angst und Schrecken zu versetzen, unterscheidet sich in mancherlei Hinsicht enorm von der Comicvorlage, stellt jedoch auch einen treffenden Kommentar auf moderne Weltpolitik und terroristische Vorgehensweisen dar. Kingsley, der ein unbestreitbares Talent hat, Fieslinge zu verkörpern, denen man liebend gern zuschaut, ist die Idealbesetzung für diese Mandarin-Neuinterpretation und weiß ebenso einzuschüchtern wie zu unterhalten.
Marvels «Kiss Kiss Bang Bang»
Der partielle Richtungswechsel von «Iron Man 3» bringt auch eine Neugewichtung der Action mit sich. Zwar umfasst auch das neuste Abenteuer des Helden in eiserner Rüstung zahlreiche Actionsequenzen voller aufwändiger Computereffekte, jedoch halten mit der „Zurück zu den Wurzeln“-Mentalität auch vermehrt handgemachte Kampfszenen Einzug in das «Iron Man»-Franchise. Diese erstrecken sich von wuchtigen, detailliert choreographierten Faustkämpfen über kurze, humorvolle Scharmützel bis zu einem packenden, nur minimal durch digitale Effekte geschönten Fallschirmstunt. Blacks Inszenierung der Actionszenen passt sich perfekt dem Feeling des gesamten Films an: Moderne Rasanz, altmodische Gelassenheit. Die Action in «Iron Man 3» ist so flott und dynamisch, wie man es in der Ära der 200-Millionen-Dollar-Produktionen von einem Hollywood-Blockbuster erwartet, wohl aber nicht so hektisch wie in «The Avengers» oder gar «Transformers», sondern umfasst auch kurze Verschnaufpausen, die dazu dienen, dem Helden Gelegenheit für trockene Kommentare zu geben oder auch dazu, durch Zurückhaltung die Spannung zu erhöhen. «Iron Man 3» gleicht damit weniger der Vergnügungsfahrt, die «The Avengers» darstellte, sondern mehr einer Marvel-Version von Shane Blacks Regieerstling «Kiss Kiss Bang Bang» – nur um ein Vielfaches größer und mit leicht gedrosselter Dosis an frechen Meta-Kommentaren.
Mit Blick auf «Iron Man 2» ist Blacks wohl größte Leistung der stets fließende Übergang von Humor zu Dramatik zu Spannung. Während Jon Favreaus vergangener Superheldenfilm dahingehend mitunter mit der Brechstange vorging, bringt Black problemlos im Laufe einer Sequenz Slapstick, sarkastischen Dialogwitz und grundsolides Charakterdrama unter, etwa, wenn ein machohaft agierender Tony Stark von Peppers strengen Blicken eingeschüchtert endlich die aufgesetzte Heldenhaftigkeit aufgibt und ihr beichtet, dass er sich den immer weiter anhäufenden Bedrohungen nicht gewachsen fühlt. Solche Einsichten in das Innenleben des nun zum vierten Mal über die Leinwand düsenden Protagonisten helfen, die Fallhöhe zu vergrößern, während Blacks markanter Dialogwitz ebenfalls den Spaßfaktor in die Höhe schnellen lässt. Ob «Iron Man 3» nun ein ernsthaftes und düsteres Sequel ist oder ein leichtgängiges und spaßiges lässt sich deswegen nicht ohne Weiteres festlegen.
Bloß musikalisch hinkt «Iron Man 3» seinen Vorgängern hinterher. Weder ist die Songauswahl so prägnant wie in den ersten beiden «Iron Man»-Filmen, noch elektrisiert die Instrumentalmusik von Brian Tyler («John Rambo») so sehr wie die von Ramin Djawadi («Iron Man») oder John Debney («Iron Man 2»). Angesichts der inhaltlichen Stärken ist dies aber leicht zu verschmerzen.
Fazit: «Iron Man 3» läutet die zweite Phase des „Marvel Cinematic Universe“ nicht etwa mit einem Paukenschlag ein, sondern mit einem kessen Rückgriff auf die Stilmittel der 80er-Actionkomödie. Kult-Actionautor Shane Black schafft eine Fortsetzung, die dramatischer, witziger, bodenständiger und dennoch imposanter ist als der stilistisch verworrene zweite «Iron Man» und legt so für die kommenden Marvel-Fortsetzungen die Messlatte ein gutes Stück höher.