Die Kritiker

«Die Kinder meiner Tochter»

von  |  Quelle: Inhalt: ZDF

Das Herzkino nimmt sich des Themas Rassismus an – eine ungewohnte Kombination. Kann das gut gehen?

Inhalt:


Hinter den Kulissen

  • Produktion: Trebitsch Entertainment GmbH
  • Regie: Karola Meeder
  • Drehbuch: Serkal Kus
  • Kamera: Fritz Seemann
  • Produzentin: Katharina M. Trebitsch
Der pensionierte Richter Ernst Blessing ist recht allein auf der Welt. Vielleicht kommt das vom jahrzehntelangen Recht-Haben auf der Richterbank, vielleicht durch den frühen Tod seiner Frau, vielleicht durch zu viel Lektüre politischer Autoren - aber so oder so hat ihm seine einzige Tochter Christine vor vielen Jahren den Rücken gekehrt und den Kurden Baran geheiratet. Seitdem hat er nichts von ihrem Leben mitbekommen - bis zu dem schicksalhaften Tag, an dem Christine bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt. Nun stehen auf einmal zwei Enkelkinder vor ihm, die achtjährige Hewi und der 15-jährige Dilo, für die er die Verantwortung übernehmen muss. Zumindest bis der Vater aus dem Krankenhaus entlassen wird. Und am besten auch danach, damit aus den beiden etwas Anständiges wird.

Aber wie kann ein Mann, der neben seiner treuen Hündin Sigi keine Gesellschaft gewöhnt ist, auf die Herzen von Kindern eingehen - noch dazu von Kindern, die es auf Grund ihrer multikulturellen Herkunft ohnehin ein bisschen schwerer haben, einen Platz in dieser Welt zu finden, und die um ihre Mutter trauern, die die Verbindung zwischen beiden Kulturen war? Blessing wird zunächst versuchen, den Kindern die einzige Hilfestellung zu geben, die er kennt, indem er Werte und Bildung vermittelt. Auch hier wird er manchmal Recht haben, aber manchmal, wie er lernen muss, auch nicht. Und er wird erkennen, dass der Weg zu den Kindern, und auch zu seiner eigenen Zufriedenheit, jenseits von kulturellen Unterschieden und Rechthabereien liegt - in Familie, Kompromissen, Zusammenhalt und vor allem im Frieden mit Christine.

Darsteller
Jürgen Prochnow («Das Boot») als Ernst Blessing
Petra Kleinert («Mord mit Aussicht») als Maria Weintraut
Mia Kasalo («Du hast es versprochen») als Hewi Amedi
Ugur Ekeroglu («Allein gegen die Zeit») als Dilo Amedi
René Ifrah («Nurse Jackie») als Baran Amedi
Adrian Can («SOKO 5113») als Onkel Kendal
Mahir Kida Khodr Ramadan («Unknown Identitiy») als Izzy Hadschi

Kritik
„Bitte den Stammtisch mal beiseite“, sagt Pastorin Weintraut ihrem Schäfchen, dem Ex-Richter Blessing, als dieser in abstoßender Sarrazin-Manier von Überfremdung und einem Halbmond auf der deutschen Flagge schwadroniert. Allein an diesem Satz wird deutlich, dass «Die Kinder meiner Tochter» kein typischer ZDF-Herzkino-Film ist, sondern die gesellschaftliche Relevanz des Stoffs nicht durch zahlreiche Liebeleien und banales Herzschmerz-Gesäusel bis zur Unkenntlichkeit aufweichen kann. Drehbuchautor Serkal Kus reizt die dramaturgischen Vorgaben des Sendeplatzes bis zum Anschlag aus.

Da ist es durchaus beachtlich, wenn man den syrienstämmigen deutschen Handwerker „Unsere Islamisten sind eure Neonazis“ sagen lässt, oder am Schluss der geläuterte Richter auf dem Fußballplatz einen Hassverbrecher mit folgenden Worten zusammenstaucht: „Wenn wir uns nicht an die Gesetze halten, sind wir nicht besser als hirnamputierte Neonazis.“ Sätze, die unmissverständlich Position beziehen – alles andere wäre auch eine Zumutung gewesen. Dass man auf dem sonntäglichen Schnulzensendeplatz jedoch nicht nur ein gesellschaftlich brisantes Thema in relevantem Rahmen aufgreift, sondern dieses auch mit einem über die Norm hinausgehenden Maß an Differenziertheit erzählt und die Sozialkritik nicht nur auf Stammtischniveau belässt, verdient durchaus Anerkennung.

Sicherlich ist der Stoff eher seicht als tiefgründig, in der Dramatik um den Tod der Mutter eher betont reduziert als tiefenpsychologisch vielschichtig. Aber nicht nur der Sarrazin-Stammtisch um die blöden Muselmänner bleibt hier draußen; der Grad der Sozialkritik kommt in «Die Kinder meiner Tochter» beim Maximum dessen an, was das Herzkino noch zulässt. Dieses Publikum für ein derart wichtiges Thema zu sensibilisieren – und das ohne bis zur Unkenntlichkeit vereinfachte Plattitüden – ist ein durchaus ehrenwertes Unterfangen, was in seiner Essenz auch gelungen ist.

Dem Herzkino-unaffinen Zuschauer wird die unmittelbare Brisanz fehlen, sowie die dramaturgisch einfach gestrickte Struktur des motivüberladenen Charakterwandlungsdramas vielleicht ein wenig unangenehm sein. «Die Kinder meiner Tochter» ist die Geschichte einer Abkehr vom Rassismus: Zu Beginn ist Richter Blessing noch ein unerträglicher Typ, dessen mit allerhand absurden Vorurteilen vollgestopfte Ideologie zwischen Kolonialrassismus und den deutschen Tugenden Pünktlichkeit, Ordnung und Disziplin entsetzlich anmutet. Mit zunehmend größerem Kontakt zu seinen Enkeln, ein wenig Hilfe von seiner Pastorin und ordentlich Selbstkritik wandelt sich diese Figur schließlich fast Ebeneezer-Scrooge-haft, weg vom Reaktionismus, hin zu Offenheit und Toleranz. Realistisch ist das nicht, stimmig dagegen schon. Die narrativen Behäbigkeiten und die manchmal doch etwas zu forcierten melodramatischen Momente kann man hier relativ leicht verzeihen – natürlich auch dank des einfühlsamen Spiels von Jürgen Prochnow und den zwei sehr fähigen Jungdarstellern Ugur Ekeroglu und Mia Kasalo.

Das ZDF zeigt «Die Kinder meiner Tochter» am Sonntag, 5. Mai 2013 um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/63573
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