Die Kritiker

«Du Opfer»

von

Die 45-minütige Reportage berichtet von Gewaltopfern und ihren unterschiedlichen Wegen, ins Leben zurückzufinden.

Am Mittwoch, dem 15. Mai, widmet sich Das Erste im Rahmen einer losen Themenprogrammierung physischem und psychischem Terror in unserem gesellschaftlichen Alltag. Während sich das Sozialdrama «Mobbing» zur besten Sendezeit dem systematischen Psychoterror am Arbeitsplatz widmet, wendet sich die im Nachtprogramm ausgestrahlte Reportage «Du Opfer» den Betroffenen körperlicher Angriffe zu. Die Journalisten Simone Dobmeier und Torsten Striegnitz gehen in ihrer rund 45-minütigen Reportage darauf ein, wie unterschiedlich Gewaltopfer und deren Angehörige mit den Folgen der Tat umgehen und welche Wege sie einschlagen, um das Geschehene zu verarbeiten.

Eine der Protagonistinnen der Reportage ist die Mutter eines Jugendlichen, der von zwei Männern auf einem Hochschulgelände tödlich attackiert wurde. Im Rahmen des anschließenden Gerichtsprozesses behaupten Täter und Verteidiger, dass der Verstorbene mit rassistischen Äußerungen einen Kampf provozierte, der letztlich eskalierte, wodurch die trauernde Mutter ein klares Lebensziel erhielt: Ihre selbstauferlegte Aufgabe ist es, das Ansehen ihres Sohns auch posthum zu bewahren und diese Behauptungen zu widerlegen.

Ebenfalls berichtet die Reportage über einen jungen Mann, der beim Versuch, in einer Notsituation einzugreifen, hinterrücks angegriffen wurde und wegen seiner Verletzung längere Zeit nicht zur Arbeit gehen konnte, weshalb er seinen Job verlor. Während sein gesamtes soziales Umfeld den Kopf schüttelt und beteuert, dass es ein Fehler war, einzugreifen, steht er zu seiner Entscheidung – selbst wenn er in schwachen Momenten die Opferrolle mit aller Macht von sich schütteln möchte. Und als Gegenpart zur defensiven Mutter, die den Ruf ihres Sohnes verteidigen möchte, ist schlussendlich auch eine junge Frau zu sehen, die in die Offensive geht, um für eine höhere Strafe für die Mörder ihres Bruders zu kämpfen.

Die kurzen Segmente über diese selektiv ausgewählten, in ihrer Zusammenstellung nicht repräsentativen, aber für unterschiedliche Schicksale stellvertretenden, Opfergeschichten ergänzen Dobmeier und Striegnitz mit knappen, aber interessanten Interviewaussagen von Rechtsexperten und Soziologen. Diese Interviewpassagen bieten einsichtige Perspektiven auf den Umgang mit Gewaltopfern, erhalten allerdings zu knapp bemessene Sendezeit spendiert, so dass sie wie Parolen im Raum hängen bleiben – dabei sind in diesen Segmenten wertvolle Ansichten zu verorten, etwa das Urteil eines Experten, dass sich das Rechtssytem um Opfer ebenso sehr kümmern sollte wie um die Täter.

Unaufgeregt, aus zahlreichen Blickwinkeln auf das Thema blickend und mit hoher Informationsdichte, wobei manche denkwürdigen Ansätze auf der Strecke bleiben: Die Reportage «Du Opfer» ist eine ARD-Reportage aus dem gehobenen Mittelmaß, die am Thema interessierte Zuschauer gewiss aufmerksam verfolgen werden, aber durch die zurückhaltende Umsetzung und ihren überschaubaren Erkenntnisgewinn keine größere Wellen schlagen wird.

Das Erste zeigt «Du Opfer» am Mittwoch, dem 15. Mai 2013, um 23.45 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/63757
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