Sonntagsfragen

Niki Stein: 'Mitunter fehlt auch die Wertschätzung'

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Der bekannte Autor (u.a. «Rommel») kritisiert den Umgang mancher Senderredaktionen mit den Künstlern und sagt, warum er seinen ZDF-Film «Der Tote im Eis» aktuell als Erholungsprojekt ansieht.

Zur Person Niki Stein

Geboren 1961 in Essen, gehört Niki Stein wegen seiner Tätigkeit vor allem mit Produzent Nico Hofmann zu den bekanntesten deutschen Autoren. In der jüngeren Vergangenheit schrieb er die Bücher zu «Rommel» oder zu «Bis nichts mehr bleibt». Dafür erhielt er 2010 den Bayerischen Fernsehpreis.
Herr Stein, ins Fernsehen kommt jetzt Ihr Film «Der Tote im Eis»; eine Geschichte über einen kranken Bauunternehmer, der noch einmal den Gipfel der Berge erklimmen will. Wie viel Messner steckt denn in der Idee?
Eigentlich gar nicht so viel. Ich habe zwar mal ein Buch von ihm gelesen, aber es geht bei uns ja nicht um die Erfahrungen eines Extrembergsteigers. Meine Geschichte lehnt sich eher ein bisschen an Sharkespeares „King Lear“ an. Es ist ein Stoff, der direkt aus dem Leben kommt. Ich erzähle die Geschichte eines Bauunternehmers, der auf sein Leben zurück blickt und noch einiges in Ordnung bringen will.

Und das Ganze in luftiger Höhe – direkt in den Bergen.
Als das ZDF den Film in Auftrag gegeben hat, hatten wir eigentlich nicht allzu viele Vorgaben. Der Sender wollte, dass wir einen Bergfilm machen, der die Berge auch als Drehort nutzt. Und er sollte 120 Minuten lang werden – das scheint derzeit irgendwie ein Trend zu sein. Auf einmal sind längere Formate gefragt.

Ich habe in Interviews, die Sie zu diesem Film gegeben haben, oft die Frage gelesen, wie gefährlich die Dreharbeiten waren und welches Risiko damit verbunden war. Mich würde eher interessieren, in wie weit Sie als Autor schon beim Schreiben immer abchecken mussten, ob das später in den Bergen auch wirklich umsetzbar ist. Wie eingeschränkt ist man da in seinen Ideen?
Eine sehr gute Frage. Das ist tatsächlich sehr wichtig. Ein bisschen Bergerfahrung habe ich. Ich bin kein Alpinist, aber ich fahre seit vielen Jahren auf eine in 2.000 Metern gelegene Hütte. Dennoch unterschätzt man vorher einiges. Es ist schier unmöglich eine so große Filmcrew in den Bergen so zu bewegen, wie es nötig ist. Der Naturschutz greift hier – Gott sei Dank – wahnsinnig gut. Sie können also nicht einen Heli einfach 30 Mal fliegen lassen, bis alle da sind, wo sie sein sollen.

Hat man Sie für verrückt gehalten, als klar wurde, welches Projekt Sie da umsetzen wollen?
Nein, der Dreh in den Bergen war ja gewollt. Gott sei Dank ging alles gut, bis auf zwei Wetterstürze. Aber wir hatten eine gewisse Flexibilität in Sachen Drehplan, was in den Bergen unabdingbar ist.

Die Hauptrolle spielt Manfred Zapatka, mir immer noch aus «KDD» im Gedächtnis.
Zapatka war einer der Darsteller, mit denen ich immer schon einmal unglaublich gerne drehen wollte. Er hat einen großartigen Job gemacht. Es gibt auf der anderen Seite auch nicht so viele Schauspieler in seinem Alter, die sich allein körperlich für eine solche Rolle eignen.

Sie haben vorher unter anderem den viel diskutieren Film «Rommel» . Wird es Ihnen jetzt vor der Ausstrahlung von «Der Tote im Eis» nicht langweilig – so ganz ohne Aufregung?
Ich sehe das in der Tat ein bisschen als Erholungsprojekt. Aber ich bin schon wieder an zwei neuen Dingen dran, die sicher wieder für Wirbel sorgen. Mich hat es damals schon erstaunt, dass das Dritte Reich mehr Schlagzeilen gemacht hat, als damals der Scientology-Film. Daran sieht man wohl, dass wir Deutschen da immer noch verletzlich sind. Ich muss sagen, dass der Film «Rommel» schon etwas sehr belastendes für mich hatte. Man wird hierzulande ganz schnell in eine Ecke gestellt, in die man weiß Gott nicht rein gehört. Erstaunlich war übrigens, dass, als ich den Film neulich in Frankreich gezeigt habe, dort überhaupt keine Diskussion darüber entstand, ob man über Rommel einen Film machen darf oder nicht.

Was sind das denn für neue Projekte?
Für Nico Hofmann arbeite ich an am „Riefenstahl“-Film und an einem Stoff über Hitler. Über letzteren kann ich allerdings noch nicht allzu viel sagen. Wir möchten mit dieser Serie einen sehr spannenden Ansatz verfolgen und mit Hilfe von jungen Historikern und deren neuen Erkenntnissen die Geschichte Hitlers vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zu seinem Untergang – und somit dem Untergang unseres Landes – erzählen. Dabei soll nicht nur Hitler portraitiert werden, sondern auch einige seiner Weggefährten, die bisher zu Unrecht eher unberücksichtigt blieben.

Klingt wirklich nach einem neuen Aufreger.
Jetzt kommt natürlich wieder die Frage: Kann man das machen? Tatsächlich ist ja bis heute noch keine umfassende Darstellung darüber versucht worden, die natürlich auch immer die Geschichte deutscher Schuld in sich trägt. Das kann man nicht trennen, Aber bis wir wirklich Bücher für dieses Projekt haben werden, wird sicher noch ein Jahr vergehen. An «Rommel» habe ich eineinhalb Jahre wie ein Zeitgeschichtler gearbeitet.

Und dafür mächtig auf die Nuss bekommen.
Nicht nur, es gab ja auch viel Anerkennung, gerade in den Feuilletons. Aber ich musste erst kürzlich wieder daran zurückdenken, als das Thema Uli Hoeneß aufkam. Da hat ein Focus-Reporter gesagt, man habe Hoeneß die Möglichkeit gegeben sich zu äußern. Frist war freitags um 12 Uhr. Das ging mir und Nico Hofmann damals genauso, als der „Focus“ behauptete, wir hätten bei einem britischen Holocaust-Leugner abgeschrieben. Sie bekommen am Donnerstag Abend um 18.00 Uhr einen komplexen Fragenkatalog mit 40 Fragen, die Sie dann bis zum nächsten Mittag beantworten sollen. Wir haben das getan – unsere Antworten kamen im Artikel dann aber nicht vor, weil er vermutlich schon vorher fertig war. Das sind die Begleiterscheinungen bei solchen Projekten, auf die ich wirklich verzichten kann.

Wieso tun Sie sich dann wieder ein solches Projekt an?
Es sind einfach die Themen, die so unglaublich spannend sind. Man sieht ja auch an Erfolgen wie «Unsere Mütter, unsere Väter», dass das Publikum solche Filme will. Aus diesem Film ist eine tolle Diskussion entstanden.

Viele Produzenten klagen immer wieder, dass den Fernsehsendern der Mut fehlt. Darüber können Sie sich bei Ihren Projekten doch eigentlich nicht beklagen.
Naja, ich habe jüngst «Breaking Bad» und «Homeland» gesehen. Im Vergleich dazu herrscht bei uns schon Mutlosigkeit. Um auf «Der Tote im Eis» zurückzukommen: In diesem Film wird irgendwann klar, dass Karl eigentlich ein feiges Schwein ist – glauben Sie mir, es ist manchmal unglaublich schwer bei uns, eine Figur ins aller Ambivalenz zu zeigen. Das ganze amerikanische Fernsehen lebt davon. Aber hier hat man oft Angst davor, auch wenn beim «Toten im Eis» die Redaktion im ZDF diesen Weg ausdrücklich mitgegangen ist. Nehmen Sie nur diesen Staatssekretär, den Ulrich Tukur mit allen Abgründen spielt. Was ich aber immer mehr beobachte, ist eine unglaubliche Angst auf Seiten einiger Senderredakteure. Es gibt kaum mehr einen, der einfach sagt: "Ich glaube an dieses Projekt". Der Umgang mit den Kreativen ist rauer geworden, mitunter fehlt auch die Wertschätzung. Da wird man dann mit irgendwelchen geschmäcklerischen Lektoraten von Germanistikstudentinnen konfrontiert, die noch nie ein Drehbuch geschrieben haben, aber den Redaktionen zuarbeiten dürfen. Sie mögen nicht glauben, wie viel Nerven und Gehirnschmalz es kostet, damit man z.B. einen «Tatort»-Plot so gebogen bekommt, dass er auch plausibel ist. Und dann gehen die Kollegen damit in Besprechungen und alles wird mit einer Handbewegung wegwischt. Solche Geschichten höre ich immer wieder.

Herr Stein, gibt es denn unter den vielen Projekten, die Sie gemacht haben, eines, das Sie besonders gern haben?
Ich mag eigentlich alle meine Filme – aber da gibt es einen sehr unbekannten, der mir wirklich besonders am Herzen liegt. «Der Tiger oder was Frauen lieben», den ich vor einigen Jahren für den HR gemacht habe. Eine Komödie, womit man mich ja nicht unbedingt verbinde. Für den HR drehe ich jetzt im Juni wieder einen neuen, kleinen, dreckigen, fiesen Film, wieder eine Komödie.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Stein.

Kurz-URL: qmde.de/63830
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