Die Kritiker

«Joschka und Herr Fischer»

von

Das Filmporträt zeigt, wie aus einem koservativen Buben das Grünen-Urgestein Joschka Fischer wurde.

Hinter den Kulissen

  • Regie & Buch: Pepe Danquart
  • Interviewpartner: Joschka Fischer, Hans Koschnik, Katharina Thalbach, Peter Grohmann, Knofo Kröcher, Jonny Klinke, Dany Cohn-Bendit, Marie-Reine Haug, Jürgen Hempel, Fehlfarben und Roger de Weck
  • Schnitt: Toni Froschhammer
Der politisch engagierte, zwischenzeitlich sehr rebellische Jugendliche Joschka und das ausgearbeitete Reden als seine Waffen nutzende, politische Urgestein das aus ihm wurde: Der 1994 für den Kurzfilm «Schwarzfahrer» mit einem Oscar prämierte, seit der Jahrtausendwende vor allem auf Sport-Dokumentationen spezialisierte Regisseur Pepe Danquart zeichnet mit «Joschka und Herr Fischer» ein Porträt des Grünen-Politikers Joschka Fischer, das einen Monolog Fischers über seine Jugend, seine Zeit als Aktivist und als reifender Politiker mit Interviews über Deutschlands politische Entwicklung seit 1945 abgleicht. Danquart und Fischer, der ihm auf mehreren Bildschirmen vorgeführte Videoschnipsel als Stützpfeiler für seinen Monolog nutzt, thematisieren somit, wie die politische Lage der Bundesrepublik und das in ihr herrschende gesellschaftliche Klima das Individuum prägen können. Außerdem macht das Filmporträt deutlich, wie in einer Demokratie der Einzelne etwas bewegen kann – somit wird «Joschka und Herr Fischer» unterschwellig zu einem Film über die mögliche Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Einzelperson.

Dieser faszinierende Aspekt ist wohlgemerkt lediglich eine Begleiterscheinung von Danquarts Konzept, Fischer mit der deutschen und seiner eigenen Vergangenheit zu konfrontieren und den so entstehenden Monolog durch vereinzelte Kurzinterviews zu kommentieren. Primär ist dieser Film eine Huldigung der schillernden politischen Persönlichkeit Joschka Fischer. Mit seiner atypischen Politikerbiografie und seinen frech-sympathischen Sprüchen, die er sich als Außenminister leistete, und dank seines eloquenten, authentischen Auftretens bietet sich Fischer auch für so ein, nennen wir es Mal, „begleitetes Selbstporträt“ an. Fischers private und politische Biographie ist spannend genug für eine ausführliche Darstellung und der Sohn zweier überzeugten CDU-Stammwähler hält seinen Monolog mit genügend Selbstironie und Bescheidenheit, dass er die Laufzeit zu tragen weiß.

Dass Bescheidenheit gegeben ist, bedeutet wohlgemerkt nicht, dass sich auch Selbstkritik in «Joschka und Herr Fischer» findet. Selbst Fremdkritik an Fischer, von flüchtigen Halbsätzen vielleicht abgesehen, wird in dieser Dokumentation nicht ausgesprochen. Mancher Zuschauer wird daher von ausgiebiger Beweihräucherung Fischers sprechen, andere Zuschauer werden die Dokumentation als ungezwungenes Essay betrachten, das Fischers Selbstbild einfängt und dem Zuschauer etwaige Ergänzungen oder Widersprüche überlässt.

Die eingestreuten Exkurse von prominenten Persönlichkeiten wie der Schauspielerin Katharina Thalbach bieten ergänzende Kommentare zu politischen Umbrüchen, auf Fischers Wirken wiederum gehen sie, wenn überhaupt, nur peripher ein. Da sie von Fischers Monolog losgelöst sind, dienen diese Exkurse als kurze Verschnaufpausen von der knarzig dahingeplauderten Selbstreflexion des Grünen-Politikers, außerdem verleihen sie dem gut geschnittenen Archivmaterial durch persönliche Anekdoten eine zusätzliche, objektive Beinote.

Bedauerlich ist, dass Das Erste die 2011 in die deutschen Kinosäle entlassene Dokumentation in einer um rund 20 Minuten erleichterten Fassung ausstrahlt, die zwar eine knackigere Reise durch rund 60 Jahre deutscher Zeitgeschichte bietet, aber somit zudem um einige persönliche Anekdoten beraubt wurde. Dennoch ist «Joschka und Herr Fischer» selbst in der Fernsehfassung eine interessante und persönliche, wenngleich sehr einseitige und unkritische Dokumentation über den ersten grünen Außenminister, die zwischen den Zeilen klar macht, wie sich Individuum und das größere politische Bild beeinflussen können.

Das Erste strahlt «Joschka und Herr Fischer» am Dienstag, dem 28. Mai 2013, ab 22.45 Uhr aus.

Kurz-URL: qmde.de/64021
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