Zur Person: Sandra Thier
Seit zehn Jahren ist Sandra Thier im TV-Business tätig, angefangen beim österreichischen ATV, wo sie neben den Nachrichten auch ein Boulevard-Magazin und eine (politische) Talkshow moderierte. Seit 2005 steht sie für die «RTL II News» vor der Kamera, präsentiert in unregelmäßigen Abständen ihre Reportage «Sandra Thier unterwegs» und macht das am Dienstagabend ausgestrahlte «RTL II Spezial. Das Magazin».Jede Zeit hat seinen Trend: Als ich klein war, gab es große Shows mit Fernsehballett, später dann Daily Talks wie zum Beispiel Arabella oder Oli Geissen. Und heute: Scripted Reality, das die Fernsehlandschaft gerade verändert. Und auch die Prozesse dahinter.
Würden Sie eigentlich sagen, dass Sie heute noch genauso gerne beim Fernsehen arbeiten wie vor acht oder neun Jahren?
Ja, auf jeden Fall. Rückblickend war die Zeit zu Beginn wahnsinnig aufregend: Alles war neu, spannend, ich wurde ins kalte Wasser gestoßen. Mein erste Live-Sendung werde ich nie vergessen: Da haben die Knie unter dem News-Desk ganz schön gezittert. Oben hatte ich versucht ruhig zu bleiben und fehlerfrei durch die erste Sendung zu kommen – was auch gelang.
Mit der Zeit wird man professioneller und routinierter. Mir ist aber wichtig, dass man beim Fernsehen bodenständig bleibt. Das ist alles nur ein Job. Es ist nur Fernsehen. Vieles wird in unserer Branche überbewertet. Ich bin Fernsehmoderatorin, ein anderer ist Arzt und rettet Tag für Tag Leben. Der nächste arbeitet bei der Müllabfuhr und leistet somit einen sehr wichtigen Teil für unsere Gesellschaft.
Seit acht Jahren machen Sie die «RTL II News», ein Format, das wegen seiner Inhalte gerne mal kritisch betrachtet wird. Wird diese Kritik inzwischen etwas weniger?
Ich denke schon. Die «RTL II News» haben für mich TV Geschichte geschrieben. Wir sind eine echte Alternative zur «Tagesschau». Claus Kleber und Ulrich Wickert haben kürzlich gesagt, dass sich die «Tagesschau» überlebt habe – dass deren Konzept überholt ist. Eine Alternative dazu läuft jeden Tag bei RTL II.
Wie hat sich die Arbeit eines Journalisten geändert? Die nächste Meldung ist eigentlich ja nur noch einen Tweet weit entfernt, oder?
Alles ist schneller und transparenter geworden. Ich finde, dass sich der Aufgabenbereich eines Journalisten dadurch verändert hat. Man geht heute auf einen Dreh, macht noch ein Foto für Facebook, postet am besten schnell noch etwas, nimmt Teaser auf… Journalisten müssen heute viel mehr leisten.
Sie sind RTL II jetzt schon seit acht Jahren treu. Ihre Vorgängerin, Nazan Eckes, macht inzwischen eine Showkarriere bei RTL. Gab es bei Ihnen auch mal Angebote oder Interesse in eine solche Richtung zu gehen?
Angebote gibt es immer. Aber für mich passt alles so, wie es ist. Ich bin News-Anchor, habe ein eigenes Magazin und kann meine Reportagen machen. Ich habe starke Partner wie UNICEF, fahre in Krisengebiete, kann Kindern helfen. Es ist ein so großes Glück, dass mein Sender mir das alles erlaubt.
Es scheint fast ein bisschen in Mode zu sein, schon vorzeitig über seinen Abschied aus dem TV-Business zu sinnieren. Oliver Geissen tat dies schon vor vielen Jahren, jetzt spricht auch Markus Lanz davon. Planen Sie Ihren Abschied auch?
Das muss man sich genau überlegen. Ich gehe jetzt mal vom tagesaktuellen Geschäft aus: Wenn du da nach zehn oder 20 Jahren sagst, dass du einfach weg willst davon, dann versteht das jeder. Redakteur in einer tagesaktuellen Redaktion ist ein extrem anstrengender Job. Wenn ich mir anschaue, wie viele Menschen, wie viel Stress und wie viel Liebe allein in den 15 Minuten Nachrichten bei RTL II stecken, das ist der Wahnsinn. Das erahnt kein Zuschauer. Und dann wird man älter, hat Familie, bekommt Kinder, hat vielleicht seit ein paar Nächten nur zwei Stunden geschlafen und muss in der Redaktion nach wie vor Top-Leistung bringen, weil die nächsten Themen vorliegen. Wer da sagt: „Jetzt ist Schluss, ich schreibe ein Buch, da kann ich mir die Zeit eher einteilen“, den verstehe ich.
Was mich betrifft: Ich mache das so lange wie es mir Spaß macht. Das ist jetzt noch der Fall. Später kann ich als Journalistin auch in andere Bereiche gehen, Pressesprecherin werden zum Beispiel.
Nachfolgerin von Steffen Seibert.
(lacht) Das haben Sie gesagt.
Im Sommer kommen allerlei Promi-Spielshows, «Auf High Heels durch die Wüste», «Pool Champions» und Co. Sie sind bisher in solchen Formaten nie aufgetaucht…
Nein.
Ungewöhnlich. Sogar Jens Riewa hat schon mal in einer Promi-Quizshow mitgemacht.
Es ist ja ein Unterschied, ob man an einer Quizshow teilnimmt oder bei einem Trash-Format.
Ein solches ist wohl das anstehende «Celebrity Big Brother», das Sat.1 starten wird. «Big Brother» haben Sie bei RTL II lange Zeit erlebt. Freuen Sie sich auf die Rückkehr des Großen Bruders?
Ich kann Sat.1 da nur viel Glück und viel Spaß wünschen. Schauen werde ich das nicht. Mein TV-Konsum beschränkt sich auf Nachrichten, Reportagen und Filme.
Klingt fast frustriert. Gibt es nichts Gutes mehr im deutschen Fernsehen?
Doch, es gibt viele gute Formate. Ich entdecke die mehr und mehr, auch im Internet. Und ich stelle fest, dass sich das Nutzungsverhalten der Menschen ändert. Bislang ist die Nutzungsdauer des Mediums Fernsehen immer gestiegen, ich höre aber, dass sie bei den jungen Menschen abnimmt. Was ist dann in 20 Jahren? Darüber kann man nur spekulieren, aber ich weiß, dass die Fernsehchefs sich viele Gedanken machen, wie man Internet und Fernsehen verbinden kann. Wir brauchen gute Erlösmodelle, müssen die jungen Zielgruppen ansprechen. Bei den «RTL II News» und auch bei anderen RTL II-Formaten wie «Berlin – Tag & Nacht» oder «Köln 50667» gelingt das ganz hervorragend. Wie verbinden sehr erfolgreich klassisches TV mit Mobile, Social Media und Online. Wir sind richtig nah dran an den jungen Menschen. Das mussten wir aber lernen: Mein Team bei den «RTL II News» musste da auch erst wachsen und ich bin stolz drauf.
Vielen Dank für das Interview, Frau Thier.