Durch die 2002 von Rot-Grün durchgeführte Legalisierung von Prostitution begann in Deutschland ein in Europa einmaliger Aufstieg in Sachen käuflichem Sex. In keinem anderen europäischen Land sind Prostitution und Sextourismus so verbreitet wie in der Bundesrepublik. Die Journalistinnen Tina Sliman und Sonja Kennebeck nehmen sich in ihrer Dokumentation «Sex - Made in Germany - Prostitution und ihre Profiteure» dem derzeitigen Stand des ältesten Gewerbes der Welt an und berichten über den deutschen Verkaufsschlager, den man hierzulande weitestgehend totschweigt, während jährliche unzählige Freier aus Europa, den USA und Asien spezielle Bordell-Ferien abhalten.
Die 45-minütige Dokumentation erklärt unter anderem, dass Deutschland im Ausland den Ruf genießt, in der Prostitution das beste Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten – was Soliman und Kennebeck zu der Frage führt, wer in diesem System am meisten von dem Geschäft mit dem sexuellen Amüsement profitiert. Ist es der Staat, der durch Steuern seinen Teil vom Kuchen abbekommt? Sind es die altmodischen Zuhälter oder eher die Inhaber von Bordellen mit ungewöhnlichen Geschäftsideen wie den modernen Flatrate-Puffs, in denen schon ab 49 Euro eine Nacht voll Sex angeboten wird? Oder sind es letztlich die Freier, die in Deutschland den größten Nutzen aus dem hiesigen Angebot ziehen?
Getragen wird der Lagebericht vor allem von seinen Interviews mit Bordellbesitzern (sowohl am Arbeitsplatz als auch zuhause im Kreise ihrer Familie), Zuhältern, Prostituierten, Pornodarstellerinnen und Amateurinnen, die mit Webauftritten Geld verdienen. Eine der wiederkehrenden Leitfragen ist dabei, ob sie die aktuelle Gesetzeslage als korrekt einschätzen, und wie sie Alltag und Berufsleben unter einen Hut bringen.
In der laut Angaben der Journalistinnen nach zwei Jahren Recherchearbeit entstandenen Dokumentation wird Unfreiwilligkeit nur am Rande thematisiert – der 45-Minüter schneidet an, dass erfolgreiche Bordell-Inhaber und Zuhälter Sexarbeiterinnen aus dem Ausland einschleusen, um die hier gegebene Nachfrage zu stillen und auch, dass sich Frauen weiterhin aus Not in die Prostitution begeben. Aber diese Aspekte werden zwischen den Berichten und Interviews über besonders geschäftstätige Milieu-Mitglieder lediglich hastig abgehackt, wodurch sich zwischenzeitlich der bittere Nachgeschmack der Einseitigkeit darstellt. Weitestgehend ist diese Dokumentation aber ein distanzierter und breit gefächerter Blick auf Sexgeschäfte in Deutschland, der nicht sensationsgierig aufbereitet wird und aufgrund der mehrfachen Überlegungen über die Vor- und Nachteile der Legalisierung der Prostitution auch Politinteressierte reizen könnte.
Das Erste strahlt «Sex - Made in Germany - Prostitution und ihre Profiteure» am Montag, dem 10. Juni 2013, um 22.45 Uhr aus.