Die Kino-Kritiker

«Seelen»

von

Stephenie Meyer kommt mit ihrer ersten Romanverfilmung nach der «Twilight»-Saga daher und dürfte damit sogar eingefleischte Fans enttäuschen.

Filmfacts «Seelen»

  • Kinostart: 13. Juni 2013
  • Genre: Science-Fiction/Romanze
  • Laufzeit: 125 Min.
  • FSK: 12
  • Kamera: Roberto Schaefer
  • Regie: Andrew Niccol
  • Darsteller: Saoirse Ronan, Max Irons, Jake Abel, Diane Kruger, William Hurt
  • OT: The Host (USA 2013)
Nach dem Ende der «Twilight»-Saga startet mit «Seelen» jetzt die nächste Verfilmung eines Romans aus der Feder von Stephenie Meyer. Auch in der Science-Fiction-Romanze treffen Normalsterbliche auf andersartige Lebewesen. Nach Vampiren und Werwölfen nahm sich die von der Kritikerschaft bisweilen gescholtene Schriftstellerin in «The Host» – so der Originaltitel – Aliens an. Abgesehen davon unterscheidet sich der durchaus ordentlich besetzte Streifen jedoch in keiner Weise von dem, für das Stephenie Meyer nicht bereits hinlänglich bekannt ist: viel Drama, viel Kitsch und wenig Substanz. Leider treibt es die einst vom Time-Magazine zu einem der 100 einflussreichsten Menschen gewählte Autorin in «Seelen» auf die Spitze und dürfte dadurch sämtliche Geduldsfäden überstrapazieren – sogar die der Zielgruppe.

Melanie Stryder (Saoirse Ronan) lebt in einer Zukunft, in der eine außerirdische Spezies von der Menschheit Besitz ergriffen hat. Die sogenannten Seelen nutzen die menschlichen Körper als Wirte. Gemeinsam mit ihrem kleinen Bruder Jamie (Chandler Canterbury) gehört sie zu den letzten frei lebenden Menschen auf der Erde, genauso wie ihr Freund Jared (Max Irons). Zusammen schlagen sich die Drei durch die unheilvolle Welt, immer auf der Hut vor den Suchern, die es auf die letzten freien Menschen abgesehen haben.

Eines Tages gelingt es einer von ihnen (Diane Kruger) jedoch, Melanie zu überwältigen. Ab sofort muss sie sich ihren Körper mit Wanda teilen, weigert sich jedoch beharrlich, neben ihrem Bewusstsein auch sich selbst aufzugeben. Melanie gelingt es, Wanda zur Flucht zu überreden und nach ihrem Bruder und Jared zu suchen. Ihre schier endlose Reise führt sie in eine Wüste, wo sie nicht nur auf den verloren geglaubten Jared, sondern auch auf Teile ihrer Familie trifft, die sich zum Schutz vor den Suchern in einer Höhle verstecken. Auch der junge Ian (Jake Abel) gehört der Gruppe an, zu dem sich ausgerechnet der Teil in Melanie hingezogen fühlt, der zu Wanda gehört. Dieser innere Konflikt zwischen den jungen Frauen scheint unweigerlich darauf hinauszulaufen, dass letztendlich nur eine von beiden überleben kann…

Vor allem bei einem Blick auf den Herrn auf dem Regiestuhl offenbart sich das Potential, das der Film gehabt hätte. Denn die Schwächen, die das unausgegorene Sci-Fi-Märchen offenbart, sind nicht darin zu finden, wie Filmemacher Andrew Niccol mit dem Stoff umgegangen ist. Gerade die Art der Aufmachung ist einer der wenigen Pluspunkte, die «Seelen» hat. Der kreative Kopf hinter Blockbustern wie «In Time – Deine Zeit läuft ab» oder «Lord of War – Händler des Todes» gibt sich sichtlich Mühe, eine visionäre und außergewöhnlich elegante Zukunft zu kreieren, in welcher Gebäude, Fahrzeuge und sogar die Kleidung der Außerirdischen steril und hochstilisiert wirken. Teilweise erinnert seine derartige Zukunftsvision an den Blockbuster «Oblivion», der erst vor kurzem in die hiesigen Kinos kam. Ohne Frage wirkt «Seelen» dadurch dem Zeitgeist entsprechend und kann auf Seiten der Schauwerte definitiv überzeugen. Die weitläufigen Kamerafahrten stammen von Roberto Schaefer, der bereits in «Stay» seinen Blick für elegant gefilmte Settings bewies und auch in «Seelen» für optisches Wohlgefühl sorgt. Wenn da nur nicht das wäre, was sich Handlung nennt.

Die Idee, dass eine besondere Spezies unter den von einem anderen Planeten stammenden Wesen vor allem deshalb die Erde heimsucht, um ihre Bewohner durch die Einpflanzung der Seelen zu willenlosen und damit besseren Menschen zu machen, ist nicht fantasielos. Zwar bleibt den Außerirdischen dadurch stets eine Antagonistenrolle zugeteilt, der Hintergrundgedanke und die damit aufkommende Frage, wie viel Gut und Böse in der heutigen Gesellschaft steckt, ist jedoch eine gelungene Ausgangsfrage. Leider holt Stephenie Meyer in ihrer Romanvorlage schon nichts aus dieser Prämisse heraus. Ungeachtet dessen klassifiziert sie die schwach geschriebenen und teilweise unterirdisch verkörperten Charaktere nämlich einfach nur in „gut“ und „schlecht“. Scheinbar wollte die Autorin gar nicht, dass man sich genauer mit den Figuren auseinandersetzt. Stattdessen setzt sie dem Publikum erschreckende Stereotypen vor, um dann das ganze Programm aus Lovestory und viel, viel Drama durchzuziehen.

Während die Eröffnungssequenz noch halbwegs durch ein hohes Tempo und eine solide Bildästhetik überzeugen kann, passiert ab dem Einsatz der Haupthandlung, an dessen Beginn Melanies Übernahme durch eine der Seelen steht, nichts mehr. Fast zwei Stunden lang muss das Publikum sich ab jetzt durch vermeintlich bedeutungsschwangere Dialoge quälen, die zum einen nie zum Dranbleiben bewegen, zum anderen aber auch unfreiwillige Lacher auslösen. Die Idee, dass Melanie (deren Augen als Alien-Wirtin übrigens kreisrund leuchten) mit Wanda, die jederzeit aus dem Off zu hören ist, ständig innere Konflikte austrägt, ist in der hier inszenierten Form einfach nur störend und nach zehn Minuten nicht mehr zu ertragen. Dafür wirkt der innere Zwist zwischen den beiden jungen Frauen auch stets zu banal. Wenn sich Wanda und Melanie darüber uneinig sind, welche Frau jetzt welchen Mann aus welchen Gründen küssen darf und wie sich der jeweils andere Part verhalten soll, interessiert dies allenfalls bis über beide Ohren verknallte Teenie-Mädchen, wenn überhaupt. Denn selbst im Vergleich zur «Twilight»-Saga, in deren Fahrwasser «Seelen» unübersehbar schwimmt und an dessen Zielgruppe sich der Streifen zweifelsfrei richtet, kommt der Nachfolger noch viel pseudomelancholischer und schmalziger daher. Kein Wunder, wenn sich die ganze Dramatik aus schwülstigen und zum Drama hochgesteigerten Gesprächen entwickeln soll, schlussendlich aber nie etwas passiert.

Gerade das gelingt den Jungdarstellern jedoch in keinem Moment. Generell lässt sich aber vor allem der blassen Saoirse Ronan kein Strick daraus drehen. Sofern die von Natur aus recht unauffällige Erscheinung stark geschriebene Figuren bekommt, so gesehen in Joe Wrights «Wer ist Hanna?», kann die blonde Aktrice auftrumpfen. Muss sie wie in «Seelen» einen Charakter ohne jegliche Ecken und Kanten ausfüllen, erscheint Ronan fast unsichtbar sowie stets unterfordert. So lässt es sich auch ausschließlich der Figurenzeichnung zuschreiben, dass der Protagonistin Melanie, wie schon sämtlichen Charakteren der «Twilight»-Saga, nur ein Gesichtsausdruck vergönnt ist und man so etwas wie eine nachvollziehbare Fortentwicklung ihrer Figur vergeblich sucht. Lediglich in der Interaktion mit ihrem filmischen Love Interest Jared, verkörpert von einem nicht sonderlich mehr geforderten Max Irons («Das Bildnis des Dorian Gray»), hat sie ansatzweise die Möglichkeit, ihr Können auszuspielen. Gemeinsam schaffen es beide, ein glaubhaftes Paar zu verkörpern, das sich nicht ganz so bieder präsentiert wie Bella und Edward in «Twilight» und zudem nicht allzu vernebelt agiert. Doch auch hier schöpft man nicht aus den Vollen und besinnt sich auf das wenig vorhandene Potential der Vorlage. Stattdessen lässt man die Darsteller solange reden, bis sämtliche Romantik zerredet ist um daraus wieder Konflikte entstehen zu lassen, die in ihrer Entwicklung nicht glaubhaft sind und lediglich eine Alibilösung erfahren.

Die wenigen Szenen, die mit etwas mehr Tempo daherkommen, werden stets vom deutschen Hollywood-Export Diane Kruger («Der Nächste, bitte!») dominiert, die in ihrer Rolle als Sucherin einen kühlen Charme versprüht und noch eher in die Antagonistenrolle fällt als die lediglich als helles Licht dargestellten Seelen selbst. Dadurch bleiben allerdings viele Fragen über den Hintergrund der außerirdischen Spezies offen, die – wie so vieles mehr – nicht beantwortet werden. Dadurch wirkt «Seelen» wie der eilig hingeschriebene Versuch von Stephenie Meyer, nach der "Bis(s)“-Bestseller-Reihe um nichts in der Welt wieder in der Versenkung zu verschwinden. Dass Andrew Niccol daraus immerhin noch etwas optisch ansprechendes kreierte, grenzt fast an ein Wunder. An den hohlen Dialogen, einer Handlung, in der bis auf zwei, drei ordentliche, also das Geschehen vorwärts treibende Szenen nichts passiert und der Tatsache, dass nahezu jedes Potential direkt wieder im Keim erstickt wird, kann allerdings auch er nichts ändern.

Fazit: Von «Twilight» konnte man bisher halten was man will. «Seelen» hingegen dürfte kaum seine Fans finden. Der – zugegebenermaßen eleganten – Inszenierung fehlt es an Tempo, einem Spannungsbogen und interessanten Charakteren. Die Dialoge ermüden schnell und so gelingt es in dieser Produktion niemandem, sich zu profilieren. Den Darstellern nicht, dem Regisseur nicht und erst recht nicht einer Schriftstellerin, der es scheinbar nicht um Qualität, sondern um Quantität zu gehen scheint.

«Seelen» erscheint am 13. Juni in den deutschen Kinos.

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