Inhalt:
"Das Gewitter" - Facts
- Schöpfer und Drehbuchautor: Howard Overman
- Regisseur: Tom Green
- Kamera: Christopher Ross
- Musik: Vince Pope
- FSK: 16
- OT: Episode One (UK 2009)
Kelly kann auf einmal Gedanken lesen, Alisha verfügt über eine extrem hohe sexuelle Anziehungskraft, Simon kann unsichtbar werden, und Curtis ist plötzlich in der Lage, die Zeit zurückzudrehen. Nur Nathan, der vor kurzem von seiner Mutter vor die Tür gesetzt wurde, wundert sich, dass ihm scheinbar keine besondere Gabe geschenkt wurde.
Zu allem Überfluss hat der Blitz den Sozialarbeiter Tony zum brutalen Killer werden lassen, der es auf die Jugendlichen abgesehen hat. Die Teenager müssen zusehen, wie sie ihren Betreuer unschädlich machen, denn dieser schreckt vor nichts zurück.
Darsteller:
Robert Sheehan («Me and Mrs Jones», «Love/Hate») ist Nathan Young
Lauren Socha («Five Daughters») ist Kelly Bailey
Antonia Thomas («Spike Island», «Homefront») ist Alisha Daniels
Iwan Rheon («Game of Thrones», «Vicious») ist Simon Bellamy
Nathan Stewart-Jarrett («The Comedian», «Utopia») ist Curtis Donovan
Joseph Gilgun («Emmerdale Farm», «Lockout») ist Rudy Wade
Danny Sapani («The Bill», «Ein Ort für die Ewigkeit») ist Tony Morecombe
Josef Altin («Him & Her», «Game of Thrones») ist Gary
und andere
Kritik:
Misfits – im englischen Sprachgebrauch bezeichnet man damit Außenseiter oder Menschen, die sich ihrer Umgebung nicht anpassen mögen. In der gleichnamigen, britischen TV-Serie des Senders Channel 4, die mittlerweile vier vollständige Staffeln umfasst, sind damit fünf Jugendliche gemeint, die dem Begriff zu einem Gesicht verhelfen. Als Straffällige in ihren orangefarbenen Overalls, ausgestattet mit lockeren Mundwerken, ohne Rücksicht auf ihre Umwelt, auf Verluste oder ihre Mitmenschen, verkörpern Robert Sheehan, Lauren Socha, Antonia Thomas, Iwan Rheon und Nathan Stewart-Jarrett eine Clique, die sich weit von der typischen Klassifizierung „Pro- oder Antagonist“ entfernt. Die Hauptakteure fungieren innerhalb der ersten Folgen vornehmlich als Antihelden, denn sie machen es dem Zuschauer wahrlich nicht leicht, mit ihnen zu sympathisieren. Gleichzeitig ist Serienschöpfer Howard Overman («Merlin – Die neuen Abenteuer») bemüht, mit Hilfe von Rückblenden die Herkunft der Figuren von mehreren Seiten zu beleuchten. Dadurch sind die „Misfits“ unbequem, voller Ecken und Kanten, nicht bestrebt, es den Sehgewohnheiten eines durchschnittlichen Serienkonsumenten recht zu machen und versprühen vor allem dadurch einen zwar spröden, aber dennoch greifbaren Charme.
Diesen auf die Bildschirme zu bringen, gelingt vor allem denjenigen, die für die technische Gestaltung der 2009 erstmals in Großbritannien ausgestrahlten Science-Fiction-Serie zuständig sind. Kameramann Christopher Ross, der in der Anfangsphase den Hauptverantwortlichen hinter der Kamera stellt, gelingt es, nüchterne Bilder einzufangen, die derart realistisch gehalten sind, dass man sich an den fast dokumentarisch anmutenden Stil erst gewöhnen muss. Hektische Kamerafahrten, verwackelte Einstellungen und rasante Schnitte dominieren die Bildsprache von «Misfits», deren Düsterness und Schmutz von einem dreckig-blassen Farbfilter unterstrichen wird. Wer sich an Ross‘ Kameraarbeit in dem harten Terrorfilm «Eden Lake» erinnert, wird hie und da Parallelen feststellen. Ab und an erhält dieser realistisch-grobschlächtige Eindruck jedoch einen Dämpfer. Immer dann, wenn am Computer generierte Effekte zum Einsatz kommen, wirken diese deplatziert und für eine weitgehend hochbudgetierte Serie recht lieblos in Szene gesetzt. In der Pilotepisode „Das Gewitter“ wirkt das namensgebende Wetterphänomen alles andere als furchteinflößend, da man den melonengroßen, vom Himmel fallenden Eisbrocken die Herkunft aus dem Computer schon auf große Entfernung ansieht. Die darauf folgende, traumartige Sequenz, die die Hauptcharaktere in einer extremen Zeitlupe von Nahem zeigt, während diese in einem nicht zu identifizierenden Nirgendwo durch die Luft schweben, kommt – leider – nur auf Amateurfilmniveau daher.
Ebenfalls Schwachpunkte lassen sich bei der deutschen Synchronisation finden. Trotz des insgesamt sehr hohen Standards innerhalb der deutschen Synchronkultur, stoßen die Sprecher in «Misfits» merklich an ihre Grenzen. Allen voran Kaya Marie Möller, die einem breiten Publikum durch ihre Synchronisation der Lisbeth Salander im schwedischen Original von «Verblendung» bekannt geworden sein dürfte, schafft es nicht mal ansatzweise, den in der Originalfassung deutlich hörbaren Ghetto-Slang von Kelly, gespielt von Lauren Socha, einzufangen. Ihre Mühen sind überdeutlich zu vernehmen, wodurch der vielschichtig angelegten Figur viel Ausdruckskraft verloren geht. Auch den männlichen Sprechern, Nico Sablik (Chris Pine in «Star Trek»), Julius Jellinek (Steven R. McQueen in «Vampire Diaries») und Konrad Bösherz (Jesse Eisenberg in «The Social Network») fehlt es an der gewohnten, sprachlichen Plastizität. Lediglich die deutsche Stammsprecherin von Mila Kunis, Anja Stadlober, überzeugt voll und ganz als Alisha Daniels, die auch im Original mit einer Mischung aus fesselnder Laszivität, mädchenhafter Bravheit und einer ordentlichen Portion Natürlichkeit überzeugt.
Abgesehen von derartigen Kritikpunkten füllen die allesamt im Mainstream-Bereich eher unbekannten Darsteller ihre kantigen Rollen hervorragend aus. Aufgrund der vielseitig ausgelegten Charaktere, die sowohl auf der positiven, als auch auf der negativen Seite jederzeit ins Extreme abrutschen können, sind die Akteure gezwungen, nicht in ein darstellerisches Muster zu verfallen. So facettenreich die Figuren auf dem Papier geschrieben stehen, so komplex fällt am Ende ihre Verkörperung aus.
Ebenso verhält es sich mit der Frage, welchem Genre «Misfits» zuzuordnen ist. Aufgrund der Superheldenthematik, welche die neu gewonnenen Fähigkeiten unweigerlich mit sich bringen, weist die Serie Elemente des Science-Fiction- und Fantasygenres auf. Die immer wieder aufgegriffenen Hintergründe der Hauptfiguren gehen deutlich in den Drama-Bereich, doch auch der Humor – mal tief schwarz, mal albern – gibt «Misfits» eine besondere Note. Zeitweise wird es sogar ordentlich blutig, was in Deutschland dazu führte, dass mehrere auf DVD erschienene Staffeln erst ab 18 Jahren freigegeben sind. Elemente aus dem Horror-Genre trifft man, mit Ausnahme von ein paar Spannungs- und Schockmomenten jedoch nicht an. Da der Begriff „Genre-Mischmasch“ für «Misfits» fast despektierlich anmutet, scheint eine Einigung auf die Bezeichnung „übersinnliches Spannungsdrama“ passender und umfasst sämtliche Aspekte, mit denen die Serie auftrumpfen kann.
Fazit: «Misfits» ist keine Serie, die sich darum bemüht, einem möglichst großen Publikum zu gefallen, wenngleich sie es in Großbritannien immerhin so vielen recht machen konnte, dass die Quoten ab Staffel zwei nicht nur weiter anstiegen, sondern die Serie mit durchschnittlich rund 1,5 Millionen Zuschauern pro Folge auch so gute Werte ablieferte, dass eine fünfte Staffel bereits beschlossene Sache ist. Dennoch ist «Misfits» mit ihrem eigenwilligen, dreckigen Stil und den unkonventionellen Charakteren deutlicher denn je eine Frage des eigenen Geschmacks. Wer dem sich immer ähnlicher werdenden Schema internationaler Serien-Kost langsam überdrüssig wird, sollte dringend einen Blick auf «Misfits» riskieren, zumal die übersichtlichen Staffeln mit je rund sechs bis acht Folgen ein kurzweiliges Vergnügen darstellen.
ZDFneo zeigt die ersten beiden Staffeln von «Misfits» vom 28. Juni, 22:15 Uhr bis 07. Juli als Event-Ausstrahlung.