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Mehr als 2. Klasse: Die Fußball-EM der Frauen startet

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Zuletzt hat sich der Frauenfußball zum echten Zuschauermagnet entwickelt. Ein Rückblick auf die Erfolgsgeschichte der jüngeren Zeit – und ein Ausblick auf das, was uns erwarten darf.

Im deutschen Fernsehen herrscht ein Krieg der Sportarten – um Sendeplätze, um Aufmerksamkeit, um Relevanz. Dies erlebten wir erst in diesen Tagen wieder beim sensationellen Erfolg der deutschen Sabine Lisicki, die beim Wimbledon-Turnier ins Finale einzog und den Tennissport für kurze Zeit wieder ins kollektive Bewusstsein der Sportfans katapultierte. Das Problem: Tennis ist seit Jahren eine mediale Randsportart, findet höchstens bei Spartensendern wie Eurosport oder Sport1 sowie im Pay-TV Beachtung – so auch Wimbledon, das Sky exklusiv übertrug.

Zahllosen anderen Sportarten geht es genauso; Tennis ist ausschließlich ein prominentes Beispiel, weil hier bereits eine umgekehrte Situation geherrscht hat: Durch die früheren Erfolge von Boris Becker, Steffi Graf und Co. war der weiße Sport jahrelang extrem präsent bei großen Fernsehsendern und lockte viele Millionen Zuschauer an – bis keine jungen deutschen Spieler mehr nachkamen, die an diese sportlichen Erfolge anknüpfen konnten. Ähnliches passierte in Sportarten wie dem Skispringen oder dem Handball, der ebenfalls sehr populär wurde, ausgelöst durch den WM-Sieg der Herren-Nationalmannschaft im Jahr 2007. Zwei Jahre später übertrug RTL, bis zu 8,5 Millionen Menschen saßen damals vor den Fernsehern. Nach sportlichen Misserfolgen ist auch das Interesse geschwunden, zuletzt lockte die WM noch maximal vier Millionen Fans vor die Fernsehschirme.

Der Handball wird höchstwahrscheinlich eine Sportart sein, die um ihre Sendeplätze bei großen TV-Sendern kämpfen muss. Eine andere hat diesen Kampf bereits verloren: der Radsport mit seinen alljährlichen Doping-Skandalen. Immer populärer ist im Gegenzug der Fußball geworden, der in den vergangenen Jahren einen immensen Aufwind erlebte. Dies zeigt sich weniger an ohnehin populären Übertragungen wie den WM- und EM-Spielen der Herren, sondern eher im Kleinen: Spartensender, teils zusätzlich ARD und ZDF, übertragen mittlerweile den Confed Cup, den früher niemand überhaupt wahrnahm, solange Deutschland nicht mitspielte. Testspiele und Sommer-Turniere wie kürzlich das Spaß-Event mit Oliver Pocher und dem BVB oder der bald stattfindende Telekom-Cup finden ihre Zuschauer, Sport1 bemüht sich sogar um die Live-Rechte an der Regionalliga – der vierthöchsten deutschen Spielklasse. Und die U21-Turniere sind längst zu quotenstarken Institutionen geworden.

Noch beeindruckender ist die Entwicklung des Frauenfußballs, dessen sportliche Erfolgsgeschichte seit mehr als einem Jahrzehnt einher geht mit der medialen Aufmerksamkeit. Bis 2000 waren Live-Bilder von den kickenden Frauen eine absolute Ausnahme; oft wurde damals nicht einmal ausführlich über die Nationalmannschaft berichtet. Und dies, obwohl man bereits 1997 zum vierten Mal Europameister geworden war – vor rund zweitausend Zuschauern im Stadion. Der DFB begann ab 2000, seinen erfolgreichen Frauen mehr Aufmerksamkeit zu widmen; bei der EM 2001 wurden Pressevertreter intensiv umworben und zu den Spielen eingeladen. Man hatte das ungeheure Potenzial in diesem Sport erkannt. Denn unabhängig davon, ob Mann oder Frau auf dem Rasen steht: Immer war es Fußball, der hier gespielt wird – die populärste Sportart der Welt.

Die EM 2001 markierte den Wendepunkt in Sachen TV-Relevanz. Damals übertrug die ARD das Finale live und erreichte damit über fünf Millionen Zuschauer, ein starkes Signal ging anschließend von dieser überraschend hohen Zahl aus. Der DFB intensivierte seine Bemühungen um die systematische Förderung des Frauenfußballs, außerdem war das mediale Interesse nun geweckt. Nur zwei Jahre später begeisterten die deutschen Fußball-Mädels mit ihrem WM-Sieg, ARD und ZDF übertrugen die Spiele wieder live. Das Finale sahen über zehn Millionen Menschen vor den heimischen Fernsehern; die Reichweite gegenüber dem EM-Endspiel hatte sich also verdoppelt. 2005 bis 2009 folgten weitere zwei EM- sowie ein WM-Titel – entsprechend starke Zuschauerzahlen inklusive. Den Höhepunkt markierte hier das WM-Finale 2007, das mit einem Marktanteil von über 50 Prozent extrem erfolgreich war. 2009 dann, zum EM-Sieg, sahen durchschnittlich 36,5 Prozent am frühen Abend zu.

Den nächsten Schritt hin zur medialen Institution Frauenfußball sollte man 2011 machen, bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land. Erstmals zeigten die großen Sender ARD und ZDF alle Spiele eines Frauenfußball-Turniers live, darunter auch solche wie Norwegen gegen Äquatorial-Guinea. Nicht unbegründet fragten sich Journalisten und Sportexperten im Vorfeld, ob man hier nicht über das Ziel hinausschieße. Wer solle sich all diese Spiele ohne deutsche Beteiligung anschauen?

Die Zweifel aber waren unbegründet, das Turnier wurde zum vollen Quotenerfolg – wohlgemerkt auch mit vielen Spielen, die zur Primetime übertragen wurde. Auch dies hatte es in den Vorjahren kaum gegeben. Selbst besagte Partien wie Norwegen – Äquatorial-Guinea oder Nigeria – Frankreich lockten nachmittags über zweieinhalb Millionen Sportfans vor die Fernseher; die Marktanteile lagen fast durchgängig bei mehr als 20 Prozent. Spiele mit deutscher Beteiligung sahen in der Vorrunde zwischen 50 und 60 Prozent der TV-Zuschauer zur besten Sendezeit – und die Reichweiten explodierten: Mindestens 14 Millionen Zuschauer begeisterten die Fußball-Frauen mit ihren ersten drei Partien.

Quoten-Höhepunkt war das Viertelfinale gegen Japan, bei dem die deutsche Mannschaft aus dem Turnier ausschied. 16,95 Millionen Menschen sahen zu, der Marktanteil lag bei 59,3 Prozent. Beim jungen Publikum holte man mit 55,6 Prozent die mit Abstand höchste Quote des gesamten Turniers. Doch die WM 2011 sollte noch weitere Rekorde brechen. Nicht nur hatte man mit Spielen des heimischen Teams alle bisherigen Zuschauerrekorde eingestellt, auch ohne das deutsche Team hatten die Zuschauer riesigen Spaß am Frauenfußball: Duelle wie Brasilien – USA oder Japan – Schweden holten zur besten Sendezeit teils über acht Millionen Menschen vor die Fernseher. Das Finale Japan – USA brachte dann eine Zahl, mit der wohl niemand auch nur in seinen kühnsten Träumen gerechnet hätte: 15,34 Millionen Menschen sahen zu, der Marktanteil betrug sensationelle 46,6 Prozent.

Vier Faktoren dürften beim medialen Aufstieg des Frauenfußballs eine zentrale Rolle gespielt haben: Zunächst die eigentlichen Erfolge der Mannschaft, die von Turnier zu Turnier begeistern konnte. Die Popularität einer Sportart ist zum großen Teil davon abhängig, ob das eigene Land erfolgreiche Vertreter hat – der Handball- und jüngst der Tennissport haben dies im negativen wie positiven Sinne erleben dürfen. Zweitens konnten die Fußball-Frauen auf eine bereits etablierte und hoch professionalisierte Infrastruktur beim DFB bauen, der die mediale Förderung übernahm und die Erfahrungen im Herrenfußball nutzen konnte. Andere Sportarten haben hier Defizite, gerade in der Vermarktung und Außendarstellung. Drittens kam die WM 2011 im eigenen Land gerade zum richtigen Zeitpunkt, um den Frauenfußball endgültig zu etablieren. Der Faktor einer Heim-WM spielt eine erhebliche Rolle bei sportlichen Events, wie wir nicht zuletzt von der Herren-Weltmeisterschaft 2006 – dem Sommermärchen – wissen. Viertens und letztens dürfte dem medialen Aufstieg der DFB-Frauen die banale Tatsache geholfen haben, dass sie Fußball spielen – die Sportart also, die ohnehin jeder kennt (und fast jeder zu verstehen glaubt).

An diesem Mittwoch startet die Europameisterschaft der Frauen in Schweden, die deutsche Mannschaft spielt erstmals am Donnerstagabend. ARD und ZDF verzichten diesmal auf die Übertragung aller Spiele; man zeigt ausschließlich die Partien mit deutscher Beteiligung. Selbst ein Finale ohne das DFB-Team soll laut aktuellem Stand nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt werden, trotz erworbener Lizenzen – eine überraschende Reaktion nach den kollektiv starken WM-Quoten vor zwei Jahren, die gezeigt haben, dass nicht nur die eigene Mannschaft viele Zuschauer anlockt. Umso mehr dürfte sich Eurosport freuen, das im Free-TV fast alle Partien überträgt.

Und die sportliche Perspektive? Mit neun Siegen und einem Unentschieden in der Qualifikation hat das DFB-Team gemeinsam mit Italien die beste Punkteausbeute geholt. Die Chancen stehen also gut, dass die Mannschaft um Bundestrainerin Silvia Neid zum sechsten Mal in Folge den EM-Titel mit nach Hause bringt. Zeit ist es für ein nächstes Sommermärchen.

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