Pro & Contra

Sollten die Disney-Studios Jerry Bruckheimers Einfluss drosseln?

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Disney schnappt dem Erfolgsproduzenten Jerry Bruckheimer die Kontrolle über «Pirates of the Caribbean 5» weg. Ist dies eine gute Sache? Unsere Kinokenner Antje Wessels und Sidney Schering diskutieren ...

Das Podest von Produzent Jerry Bruckheimer wackelt: War er einst mit Filmen wie «The Rock», «Armageddon» oder «Fluch der Karibik» ein treffsicherer Erfolgslieferant, sah seine Bilanz in den vergangenen Jahren eher durchwachsen aus. «Prince of Persia – Der Sand der Zeit» und «Duell der Magier» liefen weit unter den Erwartungen, «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten» übertraf die Prognosen. Mit Gore Verbinskis Westernspektakel «Lone Ranger» handelten sich Disney und Bruckheimer dagegen einen riesigen Flop ein – die weit mehr als 200 Millionen Dollar teure Produktion brachte es in den USA innerhalb von einem Monat nicht einmal auf ein Einspielergebnis von 90 Millionen. Nun überarbeiten die Disney-Studios ihr Abkommen mit Bruckheimer und schrauben nicht nur das auf 250 Millionen Dollar veranschlagte Budget von «Pirates of the Caribbean 5» um 50 Millionen zurück, sondern grenzen auch die kreative Kontrolle Bruckheimers ein. Genoss er bei «Fluch der Karibik» und seinen bisherigen Fortsetzungen „Final Cut“-Rechte, muss er diese beim fünften Teil an Disney abtreten.

Das bedeutet: Im Falle von künstlerischen Zwistigkeiten, etwa über die Laufzeit oder darüber, welche von mehreren alternativen Szenen in den Film gelangt, hat nun Disney das letzte Sagen. Schränkt Disney die Macht des ins Stolpern geratenen Produzenten zu Recht ein? Unsere Kinoredakteure Antje Wessels und Sidney Schering diskutieren …

Contra von Antje Wessels


Disneys Entscheidung, Jerry Bruckheimers kreativen Einfluss auf «Pirates of the Caribbean 5» zu verringern, beweist uns wieder einmal: Das Filmgeschäft ist ein Haifischbecken. Jerry Bruckheimer mag mit seinen hochpreisigen Eventfilmen zuletzt weniger finanziellen Erfolg gefeiert haben als bislang gewohnt, jedoch stürzen sich der Disney-Studio-Vorsitzende Alan Horn und Konsorten auf die falsche Person. Statt Jerry Bruckheimer dafür verantwortlich zu machen, dass «Lone Ranger» an den Kinokassen unterging, sollte Disney die Schuldigen in den eigenen Reihen suchen: Für Bruckheimer und «Lone Ranger»-Regisseur Gore Verbinski ist es längst Alltag, dass ihre Projekte als „zu riskant“ und „zu teuer“ von Disney gestoppt werden, bloß um dann doch grünes Licht zu erhalten. Dies geschah sowohl bei «Fluch der Karibik» als auch beim zweiten Film der Piratensaga. Damals wurde kein großes Fass aufgemacht – wohl aber im Falle «Lone Ranger», der von Studio- und Konzernvertretern öffentlich angezweifelt und dessen kurzfristiger Produktionsstopp pressewirksam verkündet wurde. Seither brachte das angeblich außer Kontrolle geratene Projekt in der Fachpresse keinen Fuß mehr auf festen Boden – über ein Jahr vor Kinostart war es längst als Flop, den Disney am liebsten aufgegeben hätte, verschrien. Hinzu kam eine dröge Marketingkampagne und schon muss sich niemand mehr wundern, dass der vorverurteilte «Lone Ranger» Probleme hatte, positiven Hype aufzubauen.

Dass Disney ihm nun aus dem «Lone Ranger»-Debakel einen Strick dreht und Bruckheimer bei «Pirates of the Caribbean 5» kurz anbindet (man verzeihe die verschlungene Metapher), zeugt bloß von der Kurzsichtigkeit der Disney-Geschäftsführung. Ohne Jerry Bruckheimer, der den bisherigen «Pirates of the Caribbean»-Regisseuren Gore Verbinski und Rob Marshall den Rücken freihielt, wäre Käpt'n Jack Sparrows Leinwandsaga niemals zum Kult geworden. Beim Maushaus hatte man Angst, Johnny Depps furios-exzentrische Performance wäre schädlich fürs Studioimage, immer wieder wollte das Studio den Gewaltgrad der Filme zurückschrauben und die Action ebenso klein halten wie die kultig-verschrobene Stimmung des Franchises. Alles, was «Pirates of the Caribbean» verhalf, eine riesige Fanbase aufzubauen, sämtliche Aspekte, die diese Filmreihe zu einem Vorreiter für das modernere, kantigere Disney machten, wären ohne Bruckheimer nicht zustande gekommen. Wenn Disney die Fäden nun selbst in die Hand nimmt, steht zwar nicht zu befürchten, dass das Studio die «Pirates of the Caribbean»-Reihe verwässert. Dafür lernte das Studio zu sehr aus der vergangenen Dekade. Aber auf Fortschritt dürfte man nun nicht mehr wetten ...

Pro von Sidney Schering


Es stimmt, dass der finanzielle Erfolg und die inhaltliche Qualität der ersten vier «Pirates of the Caribbean» eher Jerry Bruckheimer zu verdanken sind als den bisherigen Geschäftsführern der Walt Disney Studios. Die eigensinnige und daher so liebenswürdige Piratensaga wäre ohne den Produzenten sang- und klanglos untergegangen – man muss sich bloß einmal die öden Storyentwürfe und Konzeptzeichnungen anschauen, die entstanden sind, bevor Bruckheimer «Fluch der Karibik» in neue Richtungen lenkte. Allerdings ist er nicht der erste Erfolgsproduzent, der mit der Zeit an Brillanz verliert, ebenso, wie man nicht einfach urteilen kann, das in den Hallen der Walt Disney Studios völlige Lernresistenz herrscht.

Jerry Bruckheimer stieg die „Höher, länger, teurer!“-Mentalität zu Kopf. Weshalb bitte mussten der nicht gerade sonderlich spektakulär aussehende «Duell der Magier», dessen größter Star der auch in DVD-Produktionen aufkreuzende Nicolas Cage ist, und die Familien-Actionkomödie «G-Force» 150 Millionen Dollar verschlingen? Und so unterhaltsam «Prince of Persia – Der Sand der Zeit» auch war, war es wirklich nötig, in ein unerprobtes Franchise 200 Millionen Dollar zu stecken? Zum Vergleich: Der erste «Fluch der Karibik» kostete 140 Millionen – und hatte somit eine viel niedrigere finanzielle Hürde zu nehmen. Disney schmeißt Jerry Bruckheimer ja nicht völlig von Bord, sondern drängt ihm bloß eine Zwangspause auf. Was sich als positiv herausstellen dürfte, denn derzeit hat man im Hause Disney den besseren Riecher: Während Bruckheimers Favorit für den «Pirates of the Caribbean 5»-Regieposten der stylische Werbefilmer Fredrik Bond («The Neccassary Death of Charlie Countryman») war, drängte Disney auf das immens talentierte Duo Joachim Rønning & Espen Sandberg, dessen Abenteuerfilm «Kon-Tiki» als bester fremdsprachiger Film in diesem Jahr eine Oscar-Nominierung erhielt. Und wer Angst hat, dass Disney sich bei «Pirates of the Caribbean 5» nichts traut, nun, da Bruckheimer weniger Macht hat, der irrt: Ganz ohne Bruckheimer erlangten «John Carter» und «Saving Mr. Banks» in den USA ein PG-13-Rating. Und bei wem lagen die „Final Cut“-Rechte von «Lone Ranger», nachdem das Budget ausgemacht wurde? Bei Disney! Es geht also nicht um irgendwelche Imagegeschichten, sondern bloß um eine vernünftigere Kostenrechnung. Ein Thema, das Bruckheimer schlicht nicht mehr so gut beherrscht wie einst.

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