Hingeschaut

joiz: Rückkehr des jungen Livefernsehens?

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Seit vergangener Woche ist mit joiz ein neuer Sender auf dem Vormarsch, der mit seiner Ausrichtung partiell an die Zeit erinnert, als der Begriff Musiksender im Zusammenhang mit VIVA und MTV noch nicht wie blanker Hohn klang.

Mittlerweile können sich viele Menschen gar nicht mehr wirklich zurechtfinden im Dschungel des Senderangebots, das über uns alle hineinprasselt. Mit joiz ging erst am 5. August ein weiterer Newcomer an den Start, der sich vor allem auf das junge Publikum fokussieren möchte. Dabei ist das Konzept durchaus schon erprobt, denn in der Schweiz ist der so genannte Social-Media-Sender bereits seit März 2011 empfangbar. Quotenmeter.de hat sich das Projekt unter die Lupe genommen - und neben offenkundigen Problemen auch durchaus einige hoffnungsvolle Beobachtungen gemacht.

Die beim Massenfernsehen sowohl bei den öffentlich-rechtlichen als auch bei den privaten Stationen bisher fast immer kläglich gescheiterte Umsetzung der spannenden Idee der Multimedialität ist einer der wichtigsten Grundpfeiler für joiz. So gibt es auf der Internetplattform des Senders einen Livestream, der direkt mit einem Chat verbunden ist. Nach einer kurzen Registrierung kann man hier permanent seine Meinung zum Programm loswerden oder mit anderen Zuschauern sowie den Moderatoren und Gästen der Sendungen in Kontakt treten. Alternativ bietet man auch eine joiz-App über Facebook an und ermöglicht es seinen Zuschauern gar, sich spontan über Skype in die Sendung einzuklinken.

In Anbetracht dieser Ausrichtung dürfte es wenig überraschen, dass das Angebot in erster Linie auf eine sehr junge Zielgruppe ausgerichtet ist. Dies merkt man innerhalb des Programms am deutlichsten in den derzeit noch recht überschaubar gebuchten Werbespots, wo die Themen Lifestyle, Internet und aktuelle Chart-Musik ganz oben auf der Agenda stehen. Sprachlich wirken die Spots hier aufgrund der übereifrigen Nutzung der englischen Sprache (insbesondere in Form von Anglizismen) mitunter schon fast unfreiwillig komisch, stilistisch erinnern gerade die Programmtrailer sehr stark an VIVA. Es ist jedoch nicht die einzige Parallele zum zuletzt immer weniger bedeutsamen Musiksender.

Hinsichtlich der Breite des Programmspektrums lässt joiz derzeit noch arg zu wünschen übrig. Nur eine Hand voll unterschiedlicher Formate hat man aktuell zu bieten, Livestrecken des Senders beschränken sich auf gerade einmal zwei bis drei Stunden des gesamten TV-Tages. So gibt es beispielsweise «my joiz», wo sich die Zuschauer und User ihre Lieblings-Musikvideos wünschen können. Als Musikfan versucht man sich in diesem Moment daran zu erinnern, wann letztmals eigentlich bei VIVA am Vorabend ein Musikclip präsentiert wurde - und kommt zum Schluss, dass es inzwischen einige Jahre her sein dürfte. Da jedoch weder die Auswahl noch das Konzept der Sendung wirklich großen Anlass für Diskussionen geben, hält sich die Aktivität im Chat zur Ausstrahlungszeit um 17 Uhr auch noch in recht engen Grenzen.

Dies ändert sich ab 17:30 Uhr, wo die Live-Show «Living Room» an den Start geht. An diesem Dienstag begrüßt Moderatorin Melissa Khalaj ihr Publikum und versucht zunächst über zehn Minuten lang, die zahlreichen Möglichkeiten zur Kommunikation zu erläutern. Anschließend begrüßt sie den Rapper Muso als ersten Stargast des Abends, welcher gleich mit einem Liveauftritt seines aktuellen Songs starten darf. Und da steht er dann nun, verloren in einem großen Büro mit billigen Teppichen und hält seine Privat-Audienz für die Moderatorin - welche wiederum sichtlich bemüht ist, zu diesem musikalisch doch eher sperrig daherkommenden Titel möglichst positive Emotionen zu vermitteln.

Allerdings wäre es unangebracht, ausgerechnet über diesen Teil des Line-Ups von joiz Hohn und Spott zu ergießen, denn obgleich einige Dinge schiefgehen und die ersten Minuten der Sendung mühsam zu überstehen sind: Spätestens, sobald sich der Gast auf die Couch setzt und mit Moderatorin und Zuschauern in Interaktion tritt, hat «Living Room» etwas angenehm unaufgeregtes, sympathisches und anarchisches. Besonders deutlich wird dies in der zweiten Hälfte der Sendung, als das Duo Glasperlenspiel ebenfalls hinzutritt. Man erfährt einiges über die Künstler, die Musik und wohnt einem Meinungsaustausch bei, der vollkommen unverkrampft und echt - oder wie man bei joiz sagen würde: real - daherkommt. Die Parallelen zum einst so beliebten «VIVA Live!» sind spätestens hier unübersehbar.

Ab 18:30 Uhr geht dann «noiz» auf Sendung, wobei die Moderatoren Julia Krüger und Kevin Klose die wichtigsten Themen des Tages zur Sprache bringen. Zwar liegt auch hier der Fokus tendenziell eher auf Themen aus Musik, Film und Lifestyle, doch kommen beispielsweise auch die Leichtathletik-WM sowie die Schildkröte in einem Bayerischen Badesee zur Sprache. Parallel dazu sind die Zuschauer dazu aufgerufen, die Moderatoren darüber zu informieren, ob das aktuell behandelte Thema auf Gegenliebe oder eher Desinteresse stößt. Eine nette Rubrik ist Der heiße Scheiß des Tages, wo an diesem Dienstag die US-amerikanische Mädchenband Haim mit ihrem neuen Song The Wire vorgestellt wird.

Auch wenn davon abgesehen fast nur Wiederholungen versendet werden und das Programm des Senders somit kaum über mehr als zwei bis drei Stunden hintereinander konsumierbar ist, ist die Idee von joiz zunächst mal keine allzu schlechte. Im Fernsehen wird die junge Zielgruppe des Senders nach dem Ende von GIGA und dem Verfall von MTV und VIVA kaum mehr bedient, ein grundsätzliches Interesse an jungem, interaktivem Fernsehen ist jedoch auch in Zeiten des Internets nicht völlig aus der Welt. Ob sich das Angebot wirklich langfristig etablieren kann, ist gerade in Anbetracht der bislang eher geringen Verbreitungsmöglichkeiten durchaus fraglich. Der sichtbare Spaß der Akteure an der Arbeit und der Versuch, dem kleinen Publikum mit kleinen Mitteln möglichst gute Unterhaltung zu bieten, ist jedoch grundsympathisch - und bei vielen wesentlich größeren Sendern insbesondere zur Daytime überhaupt nicht mehr vorzufinden.

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