Die Kino-Kritiker

«Elysium»

von

Kann Neill Blomkamp die nach «District 9» geweckten Erwartungen an sein Nachfolgewerk erfüllen?

Filmfacts «Elysium»

  • Kinostart: 15. August 2013
  • Genre: Science-Fiction/Action
  • Laufzeit: 109 Min.
  • FSK: 16
  • Kamera: Trent Opaloch
  • Musik: Ryan Amon
  • Drehbuch: Neill Blomkamp
  • Regie: Neill Blomkamp
  • Darsteller: Matt Damon, Alice Braga, Jodie Foster, Sharlto Copley, Wagner Moura, William Fichtner
  • OT: Elysium (USA 2013)
Manchmal genügt ein einziger Kinofilm, um einen ambitionierten Regisseur an die vorderste Front in Hollywood zu katapultieren. Auch Neill Blomkamp ereilte mit seinem von Kritik und Publikum gleichermaßen umjubelten Langfilmdebüt «District 9» ein ähnliches Schicksal. Nach dem Erfolg des mehrfach oscarnominierten Science-Fiction-Dramas standen dem südafrikanischen Filmemacher nahezu alle Türen in der Traumfabrik offen. Umso gespannter waren seine neu gewonnenen Anhänger auf sein Nachfolgeprojekt, das nun rund vier Jahre später in Form des abermals im Science-Fiction-Genre verorteten Werks «Elysium» in den Startlöchern steht und trotz einer etwas anders gelagerten Ausrichtung durchaus an die Qualität von «District 9» anknüpfen kann.

«Elysium» versetzt die Zuschauer in die entfernte Zukunft des Jahres 2154. Während die Erde nach Seuchen, Verschmutzung und Überbevölkerung zunehmend verwahrlost und die meisten Menschen ein tristes Dasein in den großflächigen Slums fristen, ist die über dem blauen Planeten im All schwebende Raumstation „Elysium“ Heimat für den privilegierten und im Reichtum schwimmenden Teil der Menschheit, der dort ein idyllisches Leben inmitten von prachtvollen Gärten und Villen, fern von Sorgen und Krankheiten, führt. Wie viele andere Erdbewohner träumt auch der mittellose Max Da Costa (Matt Damon) schon seit seiner Kindheit von einem Leben auf „Elysium“. Aufgrund seiner finanziellen Situation und seines sozialen Standes befindet sich ein solches jedoch in unerreichbarer Ferne.

Als er eines Tages während seiner Arbeit in einer Fabrik allerdings einer tödlichen Menge radioaktiver Strahlung ausgesetzt wird, sieht er in der fortschrittlichen und mit jeder Art von Erkrankung fertig werdenden medizinischen Versorgung auf „Elysium“ den einzigen Weg, dem bevorstehenden Tod zu entgehen. So setzt Max fortan alles daran, dorthin zu gelangen. Dabei stößt er jedoch schnell auf heftigen und gefährlichen Widerstand, liegt der skrupellosen Verteidigungsministerin der Raumstation (Jodie Foster) doch äußerst viel daran, ihr Paradies um jeden Preis gegen vermeintlich illegale Eindringlinge zu verteidigen.

Wie schon in «District 9» hat Blomkamp auch in «Elysium» einen spannenden gesellschaftskritischen Ansatz gewählt. Durchaus aktuell präsentiert sich das Ausgangsszenario des Films als konsequent weitergedachte Fortführung der immer wieder heftig diskutierten zunehmenden Öffnung der Schere zwischen Arm und Reich mit dem damit einhergehenden Schwinden einer Mittelschicht. Dies spielt vor allem zu Filmbeginn zur Etablierung ebenjenes grundsätzlichen Settings eine prominentere Rolle. Im weiteren Verlauf bleibt die Darlegung des Charakters der beklemmenden Zwei-Klassen-Gesellschaft zwar als notwendiges Gerüst für die Handlung im Hintergrund bestehen, erfährt jedoch keine tiefer gehende Ausarbeitung mehr. Die vielversprechenden Ansätze hierfür wären in der Tat vorhanden, doch hat sich Blomkamp, anders als noch in «District 9», gegen eine etwas substantiellere Thematisierung der angesprochenen Missstände und dafür vielmehr für umfassendere Actionsequenzen entschieden.

Letztere fügen sich mit ihrer virtuosen Inszenierung allerdings nahtlos in die überragende visuelle Gestaltung von «Elysium» ein. Neill Blomkamp bleibt dabei mit seiner realistisch geerdeten und durch die unaufdringliche und glaubwürdige Einbindung von Computereffekten geprägten Herangehensweise an das Science-Fiction-Genre seinem in «District 9» eingeschlagenen Stil sichtbar treu, kann diesen dank des mehr als viermal so hohen Produktionsbudgets aber noch weiter verfeinern. Mittels einer ausgefeilten Kameraarbeit, die besonders in den Actionszenen durch die direkte Platzierung hinter die agierenden Charaktere mit Fokus auf das vor ihnen stattfindende Geschehen bisweilen im positivsten Sinne an einen Third-Person-Shooter erinnert, kann Blomkamp ein intensives Mittendrin-Gefühl erzeugen und somit die Authentizität des Gezeigten, auch ohne die etwas aufgesetzt wirkenden Mockumentary-Elemente eines «District 9», maßgeblich steigern.

Der erfreulich düster-dreckige Look, der im Gegensatz zu zahlreichen vergleichbar großen Produktionen keineswegs weichgespült daherkommt, sondern mit gezielt eingesetzten, aber niemals zum Selbstzweck verkommenden Gewaltspitzen aufwarten kann, trägt sein Übriges zur gesamten stimmigen Atmosphäre der entworfenen Filmwelt bei. Zwar bedient sich «Elysium» ausgiebig bei vielen anderen Genrevertretern und kann so bis auf die Ausgangsidee im Grunde leider kaum wirklich originäre Ideen vorweisen, doch gelingt es Blomkamp immerhin, die verschiedenen entlehnten Elemente teilweise zu variieren und zu einem stimmigen und eigenständigen Ganzen zu kombinieren.

Die Zeichnung der Charaktere lässt dabei mitunter ebenfalls etwas zu wünschen übrig. Während Protagonist Max zumindest einen gut funktionierenden, wenn auch zuweilen recht klischeebeladenen Background verpasst bekommt, ansonsten aber von der schieren und besonders einnehmenden (physischen) Präsenz seines Darstellers Matt Damon lebt, wurde die Riege der Bösewichte mit weniger Sorgfalt bedacht. Zwar schafft es insbesondere Blomkamps langjähriger Wegbegleiter Sharlto Copley als Agent im Auftrag von „Elysium“, gerade auch durch den krassen Gegensatz zu seiner Hauptrolle in «District 9», mit seiner sichtlichen Spielfreude für bedrohliches Vergnügen zu sorgen, doch verkommt auch er vor allem im Finale mit einigen abgegriffenen und hölzernen Dialogzeilen eher zum Abziehbild eines 08/15-Filmpsychopathen. Jodie Foster dagegen bleibt in ihrer stark beschränkten Rolle der kühlen Beschützerin der titelgebenden Raumstation gar völlig verschenkt.

Doch auch dies ändert nichts daran, dass «Elysium» mit seiner Geschichte über weite Strecken ungemein zu packen und zu fesseln weiß, auch wenn der Handlung durch ihren allzu früh vorhersehbaren Ausgang und einige vermeidbare Abrutscher in kitschigere und pathetische Gefilde gegen Ende etwas die Luft ausgeht. Neill Blomkamp liefert insgesamt auch in seinem zweiten Langfilm sehenswerte und ambitionierte Science-Fiction-Unterhaltung, die ungeachtet des Rückgriffs auf altbekannte Genre-Versatzstücke auch klar die Handschrift ihres Regisseurs trägt und sich trotz ihrer Blockbuster-Dimension scheinbar weniger den Vorgaben des produzierenden Studios unterzuordnen hatte. Blomkamps finstere, aber gleichzeitig auch erschreckend authentische Zukunftsvision, die gerade auf der großen Leinwand ihre ganze visuelle Opulenz entfalten kann, weiß dabei vielleicht nicht so sehr die Emotionen, dafür aber umso mehr den Adrenalinspiegel seines Publikums anzusprechen.

«Elysium» ist seit dem 15. August in den deutschen Kinos zu sehen.

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