„Wir müssen versuchen, dass wir nah an den Menschen bleiben“. Dieser Satz von Sigmund Gottlieb, der die Diskussion zum Thema Energie unterbrach, traf den Nagel auf den Kopf. Denn das, was Jürgen Trittin, Rainer Brüderle und Gregor Gysi den TV-Zuschauern am Montagabend in ihrem ARD-Dreikampf präsentierten, war zwar eine oft unterhaltsame und heftige Diskussion mit vielen Angriffen auf den politischen Gegner. Dennoch kam diese an vielen Stellen für viele zu fachlich daher. Verständlich für die wenig politisch interessierten Bürger, um die es in der Sendung besonders ging, war es an vielen Stellen mit Sicherheit nicht.
Dabei vermisste man schon bei den Moderatoren das gewisse Etwas. Ohne Frage machten Sigmund Gottlieb und Jörg Schöneborn einen journalistisch guten Job, bohrten regelmäßig nach und versuchten die Spitzenkandidaten in Bedrängnis zu bringen. Das war ohne Frage professionell. Nicht wenige, die das große TV-Duell am Sonntagabend gesehen hatten, werden aber einen Moderator wie Stefan Raab vermisst haben. Jemanden, der mit Politikern auf dem Niveau des Otto-Normalbürgers kommuniziert, der offen und frech seine Meinung kundtut und damit der breiten Masse aus der Seele spricht. Schließlich ging es beim Dreikampf auch darum, unentschlossene Wähler zu begeistern, die sich ansonsten weniger mit Politik beschäftigten. Hier hätte Das Erste mehr Mut zeigen dürfen.
Deutlich besser als im großen TV-Duell entwickelte sich hingegen die Diskussion unter den Kandidaten selbst. Zum einen lag das an den Moderatoren, die den Politikern häufig die entsprechenden Freiräume ließen. Zum anderen hing dies aber auch mit der deutlich größeren Anzahl von Streitpunkten zusammen – schließlich liegen Linke und FDP weiter auseinander als SPD und CDU. Und so kam es zu einer hitzigen Diskussion, an deren Höhepunkt Trittin Brüderle sogar vorwarf, er würde lügen. Derart direkte Worte hätten sich viele am Sonntag von Steinbrück in Richtung Kanzlerin gewünscht. Ein derartiges Kampfgefecht von Spitzenpolitikern der ersten Reihe gibt es nicht allzu oft zu sehen.
Und so würde der FAZ- oder Spiegel-Leser die Runde mit Sicherheit als sehr gelungen und amüsant bezeichnen. Einziges Problem an der Sache: Der einfache Bürger wird stellenweise seine Probleme gehabt haben. Um genau den ging es aber eigentlich. Das Erste selbst bewarb den Dreikampf als TV-Format, in dem sich in erster Linie Unentschlossene über FDP, Linke und Grünen informierten könnten. Grundlegende Ideen der Parteien wie beispielsweise der Mindestlohn oder die Europolitik wurden zwar schon recht deutlich, stellenweise wurden besonders Trittin und Brüderle aber zu fachlich und damit unverständlich für den Otto-Normalbürger. Da war oft nicht viel von „nah an den Menschen“. Brüderle und Trittin hätten sich vielleicht eine Scheibe von Gysi abschneiden sollen.
Denn das vielleicht größte Rhetoriktalent der deutschen Politik erklärte seine Sichtweise anschaulich und machte die konkretesten Verbesserungsvorschläge. Gysi wirkte in der Runde am authentischsten und überzeugte zudem mit seiner Schlagfertigkeit ("Ich verlange ja nicht viel von der SPD - ich will nur, dass sie sozialdemokratische Politik macht“.) Dass die Zuschauer den emotionalen Auftritt des Linken honorierten, beweist nicht zuletzt die Umfrage bei „Spiegel online“, in der Gysi mit knapper Mehrheit zum Sieger des Abends gewählt wurde. Rainer Brüderle wirkte hingegen streckenweise wie eine Angela-Merkel-Kopie vom Sonntag. Er erinnerte in seinen Ausführungen zu Griechenland sehr an die Kanzlerin und verteidigte die Anstrengungen der Koalition erwartet vehement.
Für den (zu) leicht verdaulichen Stoff sorgte die ARD dafür direkt im Anschluss an den Schlagabtausch mit einer Ausgabe von «hart aber fair». Dort verzichtete Frank Plasberg zunächst auf eine ausführlichere und tiefergehende Analyse, sondern diskutierte eine knappe Viertelstunde, ob die Kanzlerin eigentlich nur aus Sympathie oder wegen ihrer Verdienste gewählt würde. Danach ging es um das TV-Duell vom Sonntag mit Schwerpunkt Kanzlerkette, bevor sich Plasberg satirisch mit den CDU- und SPD-Wahlplakaten beschäftigte. Ein durchaus bunter Mix wurde da behandelt, den andere Talkshows in zwei bis drei Ausgaben abarbeiten würden. Dank der geladenen Gäste und der bissigen Art von Frank Plasberg war der Talk zwar unterhaltsam, von dem berühmten roten Faden war aber weit und breit keine Spur. Ernst wurde es kurz gegen Ende bei einer Diskussion zu Syrien – und damit war dann auch wirklich die ganze Themenpalette vertreten.
Und so kam es dazu, dass sich der Zuschauer nach 75 Minuten fragen musste, was nun eigentlich das genaue Thema der Sendung gewesen war. Das TV-Duell vom Sonntag? Die Wahlkampagnen? Oder eine grundsätzliche Diskussion zur Politik und ihrer Ansprache, wie sie Thomas Stein immer wieder anzuheizen versuchte? Die vielleicht größte Unklarheit aber bleibt: Was hat die Merkel-Kette in einem Talk verloren, in dem „Politik auf Wirklichkeit trifft“? Ob Sigmund Gottlieb wirklich das mit „nah an den Menschen bleiben“ meinte?