Die Kino-Kritiker

«White House Down»

von

Roland Emmerich jagt das Weiße Haus in die Luft. Kann Channing Tatum die USA erfolgreich verteidigen?

Hinter den Kulissen

  • Regie: Roland Emmerich
  • Drehbuch: James Vanderbilt
  • Musik: Harald Kloser & Thomas Wanker
  • Kamera: Anna Foerster
  • Schnitt: Adam Wolfe
In Zeiten, in denen Bruce Willis zu verstehen gibt, dass ihn Actionfilme langweilen und der neue «Stirb langsam»-Teil ein verwackeltes, unübersichtlich geschnittenes Schundwerk zweiter Klasse darstellt, braucht es einen neuen Mann. Einen, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist und im weißen Unterhemd die Schurken auseinandernimmt. Dieser Mann ist, egal ob das Kinopublikum nun möchte oder nicht, Ex-Stripper Channing Tatum. Es scheint, als sei eines Nachts ganz Hollywood aufgewacht und habe gemeinschaftlich beschlossen, dass Tatum wie die beste Sache seit geschnitten Brot zu behandeln sei. Dass er sich meistens mit einem hilflosen und leeren Gesichtsausdruck durchs Skript spielt, interessiert die Studios offenbar nicht.

Auch in «White House Down» bleibt Tatums Mimik leblos und wenig überzeugend. Zumindest so lange Roland Emmerichs Krawummfilm noch seine große Actionparade vorbereitet oder versucht, Tatums Rolle des John Cale zum Zentrum emotionaler Momente zu machen. Sobald Tatum aber Bösewichte verprügeln, ihren Schüssen ausweichen oder ihnen freche Sprüche stecken darf, dreht er tatsächlich auf und gibt die mit Abstand beste Performance der Marke „John McClane“ ab, die es in den vergangenen zwölf Monaten im Kino zu sehen gab. Generell wäre «White House Down» daher über weite Strecken eine gelungene «Stirb langsam»-Fortsetzung – würde Roland Emmerich schlussendlich nicht viel zu dick auftragen.

Ehe sich «White House Down» in der letzten halbe Stunde mit einem Dauerfeuerwerk an „Halt! Das war noch nicht alles!“-Twists, pathetischen Rückgriffen und immer weiter eskalierender Action völlig überreizt, verfolgt er wohlweislich die «Stirb langsam»-Formel: Agent John Cale (Channing Tatum) möchte eigentlich nur nach einem Bewerbungsgespräch für den Secret Service die Beziehung zu seiner politikbegeisterten Tochter Emily (Joey King) aufpolieren, indem er sie zu einer Tour durchs Weiße Haus einlädt. Dieser Vater-Tochter-Ausflug nimmt allerdings eine dramatische Wende: Eine Gruppe Terroristen verübt einen Anschlag auf das Gebäude, nimmt die Touristen als Geiseln und entführt den politisch umstrittenen Präsidenten James Sawyer (Jamie Foxx), der kurz davor steht, Frieden mit dem Nahen Osten zu schließen. Nun ist die große Chance für John gekommen, sich als Held zu beweisen und den Plan der Angreifer zu durchkreuzen.

«Independence Day»-Regisseur Roland Emmerich kehrt nach seinem Historien-Verschwörungsthriller «Anonymus» wieder in seine Komfortzone zurück und zerstört US-amerikanische Wahrzeichen, bedroht das Schicksal der Welt und lässt den Underdog fürs Recht kämpfen. Die magische Formel, die dem Stuttgarter bereits mehrere Megablockbuster bescherte, zündete dieses Mal allerdings nicht an den Kinokassen. In den USA legte der 150 Millionen Dollar teure «White House Down» eine Bruchlandung hin. Dies unter anderem, weil das Publikum wenige Wochen nach dem Start des ultrapatriotischen «Olympus Has Fallen» (ebenfalls ein „Angriff aufs Weiße Haus“-Actioner) fürchtete, von Emmerich einen selbst für US-Geschmäcker zu kitschigen Lobgesang auf die Vereinigten Staaten präsentiert zu bekommen. Doch so pathetisch «White House Down» vor allem gegen Schluss auch sein mag: Dieser Actioner stellt keinen patriotischen Ami-Kitsch dar, stattdessen wähnt er die Gefahr für die freie Welt aus dem Inneren der US-Politik und teilt überdeutliche sowie äußerst harte Schläge gegen das rechte Spektrum der USA aus.

Dass der politische Subtext bei Emmerich zu mehrfach wiederholtem Text wird, dürfte spätestens seit «The Day After Tomorrow» niemanden überraschen. Aber da das Drehbuch von James Vanderbilt eine profunde Aussage trifft und so seiner wahnsinnigen Action einen pseudo-realen Hintergrund gibt, stört die mangelnde Subtilität nicht. Wesentlich ärgerlicher sind dagegen die raren, dafür umso auffälligeren, Sequenzen, in denen Emmerich diesen 90er-Style-Actioner mit unausgegoren Computereffekten aufzupeppen versucht. Wenn etwa der Höhepunkt einer witzigen und ausgefeilten Auto-Verfolgungsjagd aus einer Playstation-2-Cutscene entsprungen scheint oder Außenaufnahmen mit zahlreichen Schauspielern und Statisten lieblos zusammengesetzt wirken, dann darf sich der Zuschauer ruhig wundern, was aus Emmerichs Selbstanspruch als Effekt-Orchestrator geworden ist.

Hauptsächlich spielt «White House Down» allerdings innerhalb der Hallen des Weißen Hauses, und in diesen Sequenzen wird wieder geklotzt, statt gekleckert. Riesige, reale Sets rekreieren das Innere des Präsidentensitzes und sind Schauplatz tempogeladener Actionsequenzen, in denen Emmerich sowohl Spannung und Schauwert als auch jede Menge Humor bietet. Als wäre «White House Down» ein verlorener 90er-Blockbuster, hagelt es an komischen Nebenfiguren, coolen Kommentaren und dick aufgetragenen Running Gags – das kann der feingeistige Zuschauer hassen, wer sich aber auf hohles, vergnügliches Popcorn-Kino einstellt, wird von dem toll sitzenden Timing schnell mitgerissen.

Mehr als in Sachen Komik ist es jedoch in Sachen Actioninszenierung zu begrüßen, dass Roland Emmerichs Stil in den 90ern stehen geblieben ist. Denn während andere Filme ihre Actionschauwerte völlig verwackelt darstellen, ist das ganze Krawumm und Kra-Ka-Boom in «White House Down» leicht auszumachen. Die Kamera ist zwar nah am Geschehen, nicht aber so nah, dass man jede einzelne Pore der Darsteller sehen kann. Die Aufnahmen sind zwar dynamisch, allerdings wackelt die Kamera nicht so sehr, dass man vermuten könnte, dass Kamerafrau Anna Foerster einen Anfall hatte. Und selbst wenn der Schnitt ein hohes Tempo vorgibt, bleiben die Einstellungen lang genug, dass erkennbar bleibt, wer was wo mit wem macht.

Aufgrund seines Humors (insbesondere das Geplänkel zwischen Tatum und Foxx sorgt für einige ordentliche Lacher) und der gelungenen Action müsste «White House Down» eigentlich eine klare Popcorn-Empfehlung sein. Aber der zähe Einstieg und das überzogene Ende, bei dem die Action dann doch irgendwann ermüdend wird und den zentralen Figuren all zu kitschige Heldenmomente gegönnt werden, halten Emmerichs und Tatums inoffizielles «Stirb langsam»-Sequel arg zurück. Wer große 90er-Action mag, dürfte von diesem Rücksturz in eine andere Ära der cineastischen Zerstörung dennoch sehr gut unterhalten werden.

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