Die Kritiker

«Was verdienst du?»

von

«Was verdienst du?» will ein Tabubruch sein, ein mutiges Experiment. Ob man diesem Anspruch gerecht werden konnte? Unsere Rezension gibt Aufschlüsse.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Norddeich TV
  • Produzentin: Inga Leschek
„Das größte Tabu der Arbeitswelt. Heute wird es gelüftet“. So setzt die theatralische Stimme des Off-Sprechers ein, spricht von einem „mutigen Experiment“. Ein wenig pathetisch. Aber in der Essenz doch zutreffend.

Die Firma Holzleitner, das Unternehmen in der ersten von insgesamt vier Folgen, verkauft Elektrogeräte. Ein Familienbetrieb, der aber über die Jahre an die hundert Mitarbeiter angesammelt hat. Über die Vergütung wird in der Belegschaft allenfalls hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Aus Tuscheleien und Flurfunk werden nun harte Fakten, wenn ein – offensichtlich aus dramaturgischen Gründen – ausgewählter Zirkel von knapp über einem Dutzend Mitarbeiter die Karten auf den Tisch legt. Wie viel verdient der Chef, wie viel verdienen die Angestellten in anderen Abteilungen? Und vor allem: Verdienen die Kollegen in der selben Position mehr als man selbst?

Dabei folgt «Was verdienst du?» einer sehr klaren Dramaturgie: Sobald die Gehaltszahlen allen bekannt sind, verlässt der Chef die (teilweise) baffen Mitarbeiter. Die sollen sich erst mal miteinander unterhalten. Selbstredend entstehen da schnell Konflikte. Anschließend ein paar Gehaltsverhandlungen, der Geschäftsführer darf für ein paar Stunden in die Position des Lagerleiters schlüpfen – und am Schluss entscheiden, wer mehr Geld bekommt.

In den ersten Minuten hätte man sicher etwas straffer erzählen können. Viel wiederholt sich; es dauert unnötig lange, bis das Experiment endlich beginnt und die ersten Konflikte entstehen können. Natürlich ist bei einem derart großen Mitarbeiterstamm recht viel Exposition nötig; dennoch wäre diese auch anders zu strukturieren gewesen,

Das ist aber ein kleines Problem. Denn sobald das Experiment begonnen hat, ist RTL und Norddeich die Umsetzung sehr gut gelungen. Das Format kommt ohne jeden Voyeurismus aus, und wenn doch einmal die eher persönlichen Hintergründe der Protagonisten beleuchtet werden, so geschieht dies sehr respekt- und würdevoll, ohne irgendein aufgegeiltes Ausschlachten menschlicher Tragödien, und vor allem auch mit der nötigen Relevanz für den Stoff.

Es ist also wirklich ein spannendes Experiment geworden – und eine kleine Feldstudie über Lohngerechtigkeit am Arbeitsplatz. Eine Debatte, die «Was verdienst du?» von beiden Seiten vermittelt, der des Geschäftsführers und der der Belegschaft. Man versteht die Raison beider Parteien, auch wenn man die entsprechenden Ansichten nicht immer teilen mag.

Fazit: Das Format überzeugt durch eine unprätentiöse Aufmachung und einen wirklichen Tabubruch, der vielleicht auch zu einer gesellschaftlich relevanten Diskussion Sinnvolles beizutragen hat.

RTL zeigt vier Folgen von «Was verdienst du?» montags ab dem 16. September um 21.15 Uhr.

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Kurz-URL: qmde.de/66146
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