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«Der Autobahnkrieg»
Bereits im Jahr 1991 untersuchten die Filmemacher Thomas Schadt und Reiner Holzemer das Verhalten von Autofahrern auf Deutschlands Schnellstraßen im Rahmen einer Reportage. Ein vergleichender Zusammenschnitt aus beiden Werken soll unter dem Titel „Autobahnkrieg damals und heute“ im SWR ausgestrahlt werden; angedacht ist ein Sendetermin gegen Ende 2013.Ergänzt durch Polizeivideos von Rasern, Unfällen und Geisterfahrern ist so ein aktuelles und spannendes Psychogramm deutscher Autofahrer entstanden, deren aggressives Fahrverhalten den Alltag auf deutschen Autobahnen bestimmt. Sie leben ihren Egoismus aus und beachten oft weder Tempolimit noch Verkehrsregeln. Ob sie andere Verkehrsteilnehmer behindern oder gar gefährden, spielt für sie keine Rolle. Hauptsache, sie kommen so schnell wie möglich ans Ziel.
Stab
Regie: Thomas Schadt, Reiner Holzemer
Kamera: Thomas Schadt, Reiner Holzemer
Ton: Reiner Holzemer, Benjamin Berelsmann
Schnitt: Helmar Jungmann
Kritik
Die Dokumentation der renommierten Filmemacher Holzemer und Schadt dürfte all diejenigen enttäuschen, die von «Der Autobahnkrieg» eine dramatisch inszenierte Hetzjagd über deutsche Autobahnen erwarten. Das Werk hat nichts gemein mit altbekannten Sendereihen, die vom Rücksitz eines Polizeiwagens aus wutschnaubende Verkehrssünder beobachten. Vielmehr bemüht sich die Produktion, das Entsetzen über die Zustände auf deutschen Fernverkehrsstraßen erst im Kopf der Zuschauer entstehen zu lassen, anstatt es durch musikalische Untermalung und reichlich Verpixelung mit Nachdruck provozieren zu wollen.
Der Film folgt dem simplen Gedanken, den Alltag auf deutschen Autobahnen darstellen zu wollen – und so aufzuzeigen, wie fern jeder Realität dieser zu sein scheint. Die Fahrer, die auf ihren Kilometern über die schnurgeraden Asphaltstrecken begleitet werden, ersticken nicht in Suggestivfragen, sondern erzählen ausführlich und ohne lästige Schnitte vom eigenen Verhalten und ihrer Meinung zu anderen Verkehrsteilnehmern. Dabei kommen sowohl Menschen zu Wort, die sich strikt an Geschwindigkeitsvorgaben halten, als auch solche, die hinterm Lenkrad zu Anarchisten werden.
Diese Erzählweise versprüht zunächst wenig Charme, wobei die monoton vorgetragenen Kommentare des Sprechers aus dem Off kaum dazu beitragen, einen Spannungsbogen aufzubauen. Erst mit Fortschreiten des Films wird deutlich, wie viele der Fahrer im Gespräch mit den Filmemachern eine persönliche Aggressivität offenbaren; natürlich ohne sich einer Schuld bewusst zu sein. Dabei stehen im Fokus der Dokumentation keineswegs stereotypische Rowdys, sondern von Punkten in Flensburg oder Fahrverboten weitestgehend Unbelastete, deren Auswahl dem statistischen „Durchschnittsbürger“ nahe kommen dürfte.
Holzemer und Schadt belassen es an diesem Punkt nicht bei der bloßen Vorstellung, dass das geschilderte Verkehrsverständnis im Ernstfall schlimme Folgen haben kann, sondern spielen vom Kommentar nur sparsam begleitete Videoaufzeichnungen ein, die die möglichen Konsequenzen eigensinnigen, unkonzentrierten und unnachgiebigen Verhaltens aufzeigen. Auch hier wirkt weniger die Dramaturgie des Geschehens an sich auf die Zuschauer, sondern die Einbettung in den Gesamtkontext der Dokumentation.
So gelingt den Autoren ein überaus empfehlenswerter Film, dessen Stärken jedoch nur dann deutlich werden, wenn kein Bügelbrett zwischen Publikum und Fernseher steht und die Bereitschaft vorherrscht, sich auf die begrüßenswerte Botschaft der Produktion einzulassen.
Das Erste zeigt «Die Story im Ersten: Der Autobahnkrieg» am Montag, den 23. September 2013, um 22.45 Uhr