Eine Sendung wie «Ellen» kann man nicht nach Deutschland holen.
Was nicht bedeutet, dass man es nicht immer wieder versuchen würde. Bei einigen der rasch durchgehetzten «Gottschalk Live»-Inkarnationen waren so manche Anklänge ziemlich deutlich erkennbar.
Auch bei «Inka!» erkennt man den Versuch, das amerikanische Daytime-Format ein wenig nachzubauen. Und es passiert, was häufig passiert, wenn eine deutsche Sendung nach Amerika schielt und sich von ihr vielleicht ein wenig inspirieren lässt, gleichzeitig aber die deutschen Sehgewohnheiten im Nacken hat: Jeglicher Charme endet im Lost-in-Translation-Eimer.
Lassen wir einmal außenvor, dass «Inka!» weder eine Eins-zu-Eins-Adaption des amerikanischen "Originals" sein kann noch will: Es ist auch so ganz interessant, zu analysieren, was deutsche und amerikanische Fernsehmacher so für Vorstellungen haben, wie ihr Publikum gerne den Nachmittag verbringen möchte.
«Ellen» ist keine reine Wohlfühlsendung, sondern eine Personality-Show. Und dafür brauch man nun mal, richtig, eine Personality.
Nun ist Ellen DeGeneres eine Ikone der amerikanischen Comedyszene mit einer spannenden Lebensgeschichte, markanten, sympathischen Charakterzügen, einer klaren Stimme für gesellschaftsrelevante Themen. Und als ob das nicht schon reichen würde: Sie ist auch noch unfassbar lustig – ganz gleich ob beim Stand-Up, bei amüsanten Studioaktionen oder im Talk mit Prominenten.
Inka Bause ist dagegen eher so eine Wochentags-Andrea-Kiewel: blond, betont bodenständig und aus Ostdeutschland. Das war's. Viel mehr Eigenschaften nimmt man an ihr nicht wahr. Erschwerend hinzu kommt, dass sie der festen Überzeugung ist, dass das, was sie bei «Bauer sucht Frau» macht, nicht zynisch sei. Immerhin: Bei «Inka!» führt sie niemanden vor.
Nun darf man nicht den Fehler machen, das Versagen dieser allnachmittäglichen ZDF-Quatschrunde allein Inka Bause anzukreiden. Das Problem ist vielmehr, dass immer wieder durchklingt, dass man eigentlich eine Personality-Show sein will, und im Zuge dessen, dass man nirgendwo anecken möchte, auf eine Personality verzichtet hat.
Statt einer Personality-Show wie «Ellen» bekommt der deutsche Zuschauer also ein Talk-Format wie «Inka!», das durch ein paar erbärmliche Witzischkeitsversuche (mittlerweile glücklicherweise weitgehend eingestellt) das Gesabbel auflockern will.
Als «Inka!» noch etwas mehr «Ellen» sein wollte, wirkte das furchtbar lächerlich: Statt mit einer Gladys Hardy zu telefonieren, wurden Kühe frisiert. Statt eine Sally Kern anzurufen, parodierte man Lagerfeld. Und das auch noch grausam unlustig.
Vielleicht gibt es in Deutschland nun mal keine Gladys Hardy. Wahrscheinlich sind unsere Politiker nicht so locker, dass sie solche Auftritte hinlegen können. Mit Sicherheit kann ein deutsches Publikum nicht so schnell zwischen leichtfüßigen und sehr, sehr ernsten Tönen alternieren. Ferner gehört Outspokenness hierzulande in „seriöse“ Talk-Runden, wo man Maßanzüge mit farblich passenden Krawatten tragen muss. Die deutsche Zuschauerschaft bildet keinen Markt, der in der Breite ein Format wie «Ellen» annehmen würde. Zumindest, so lange man wirklich den Charme des Originals stimmig in eine deutsche Version übertragen möchte. Und wir uns eine Minute lang der Illusion hingeben, dass es eine deutsche Moderatorengröße gäbe, die so ein Format wuppen könnte. Anke Engelke würde man es zutrauen – aber die hat ja gerade anderweitig keine Zeit. Und würde das nach dem «Anke Late Night»-Trauma wohl im Leben nicht machen.
Vom Charme eines Formats wie «Ellen» bleibt bei «Inka!» nur eines übrig: der Versuch einer Wohlfühlsendung. Wenn man das amerikanische Format kennt, fällt «Inka!» auch diesbezüglich klar ab. Denn aus amerikanischer Lässigkeit wird beim ZDF deutsches Spießertum, das gerne so lässig wäre wie in Amerika. Vieles, was «Ellen» kann, kann «Inka!» überhaupt nicht; und das, was «Inka!» auch kann, kann «Ellen» um Längen besser.
Bleibt die Frage: Funktioniert «Inka!» dann wenigstens als Talk-Show?
Ja. Mit Abstrichen. Denn belanglosen Feel-Good-Talk kann Bause. Authentisch, nahbar und oft auch recht unterhaltsam. Dass die Gespräche völlig unkritisch und undistanziert sind, ist hier konzeptimmanent. Für den Nachmittag ganz nett. Aber – angesichts der desaströsen Einschaltquoten – auch zu gut für die Tonne?