
Was natürlich nicht bedeuten soll, dass die Sendung nun einen wahrhaft seriösen Anstrich bekommen hat. Welche Richtung das künstlich aufgemotzte televisionäre Spektakel auch in diesem Jahr wieder einmal einnimmt, lässt sich schon beim Opener gut erahnen: Dieter Bohlen und Rückkehrer Bruce Darnell umarmen sich innig, sinken anschließend theatralisch zu Boden und schreien, als hätte Zalando gerade Tag der offenen Tür. Es folgt ein inhaltlich unspektakulärer Einspieler, der den Zuschauern die neuen Jury-Mitglieder Lena Gercke und Guido Maria Kretschmer näherbringen soll - und in dem natürlich auch Bohlen und Darnell ausgiebig Platz geboten wird, einander und sich selbst zu huldigen.

Erst danach zeigt sich, dass von der altbekannten RTL-Präsentationsweise seiner Castingshows weiterhin kein Abstand genommen wird. Ein überdurchschnittlich begabtes Mädchen performt den Song Read All About It Pt. III von Emeli Sande, nachdem ihr Bohlen mit den Worten "Lass mal lieber Adele, sing mal die Andere da" von Someone Like You abgeraten wird. Der ohne jeden Zweifel ordentliche Auftritt wird durch diverse übersteuerte Publikumsreaktionen, einer völlig über-euphorisierten Jury und der Tatsache, dass es bereits nach einer Minute kollektive Standing Ovations für die Sängerin gibt, derart hochstilisiert, als hätten gerade Paul McCartney, Freddie Mercury und Celine Dion die Musikwelt mit einem Auftritt revolutioniert.

Immerhin: Trotz all des Pathos und der geheuchelten Emotionen hat man inzwischen einen deutlichen Gang zurückgeschaltet hinsichtlich der Ausschlachtung einzelner Szenen. So gibt es anders als noch vor zwei bis drei Jahren glücklicherweise kaum noch Zeitlupen, die Sylvie van der Vaarts Mimik in einem einzigen kleinen Moment in mehreren verschiedenen Einstellungen präsentieren. Als am Ende zwei junge Männer ihre Freestyle-Motocross-Performance vollführen, können die Macher zwar erneut nicht ablassen von diesem Stilmittel, allerdings geschieht dies in einem einermaßen eträglichen Rahmen - und bei einer Show, die zumindest einige optische Reize bereithält.

Insgesamt ist nicht davon auszugehen, dass bei der siebten Staffel von «Das Supertalent» wirklich nennenswert vom bisherigen Konzept abgewichen wird. Von dieser Prämisse im Vorfeld auszugehen, wäre allerdings nach inzwischen sechs Jahren Bohlen-Trash auch arg optimistisch gewesen. Von der zweifelhaften Tendenz vor einigen Jahren, eher Talentlosigkeit und Voyeurismus zu präsentieren als wahrhaftige Talente, ist man inzwischen jedoch zumindest in weiten Teilen abgekommen. Somit ist die Sendung in der aktuellen TV-Landschaft recht weit davon entfernt, neue Maßstäbe des menschenverachtenden Fernsehens zu setzen, weshalb man sich als mitdenkender, sich selbst und die von den Sendern präsentierten Inhalte hinterfragender Konsument immerhin schamärmer unterhalten fühlen kann als zu schlimmsten Zeiten. Sucht man jedoch nach einer reinen Talentsuche, welche die niederen menschlichen Instinkte zu keinem Zeitpunkt stimuliert, muss man auch weiterhin von der deutschen Umsetzung von «Britain's Got Talent» Abstand halten. Viel verpasst man dabei ohnehin nicht, denn nach sechs Staffeln gibt es kaum mehr Neues zu entdecken.