Hingeschaut

«Das Supertalent»: Kaum Veränderung, solide Neuzugänge

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Die siebte Staffel der Castingshow setzte keine neuen Maßstäbe in Sachen Menschenverachtung und präsentierte sich ein wenig ernst zu nehmender als in den Vorjahren. Von einer echten Talentsuche war man jedoch erneut weit entfernt.

Seit 2007 gibt es inzwischen schon «Das Supertalent». Nachdem sich die Show lange Zeit in eine immer bedenklichere Richtung entwickelte und zwischenzeitlich so weit von einer wirklichen Talentsuche entfernt war wie «Schwiegertochter gesucht» von einer Kuppelshow mit der Intention, Menschen zusammen zu bringen, leitete man zuletzt mit Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker in der Jury eine moderate Kehrtwende ein. Dem Erfolg beim Massenpublikum schadete dies stark, zwischenzeitlich fiel die Show sogar unter die Vier-Millionenmarke. Diesen kräftigen Aderlass sahen die Programmverantwortlichen offenbar nicht in der - für «Supertalent»-Verhältnisse - dezenteren Aufmachung begründet, denn auch Staffel sieben begann an diesem Samstag verhältnismäßig unspektakulär.

Was natürlich nicht bedeuten soll, dass die Sendung nun einen wahrhaft seriösen Anstrich bekommen hat. Welche Richtung das künstlich aufgemotzte televisionäre Spektakel auch in diesem Jahr wieder einmal einnimmt, lässt sich schon beim Opener gut erahnen: Dieter Bohlen und Rückkehrer Bruce Darnell umarmen sich innig, sinken anschließend theatralisch zu Boden und schreien, als hätte Zalando gerade Tag der offenen Tür. Es folgt ein inhaltlich unspektakulärer Einspieler, der den Zuschauern die neuen Jury-Mitglieder Lena Gercke und Guido Maria Kretschmer näherbringen soll - und in dem natürlich auch Bohlen und Darnell ausgiebig Platz geboten wird, einander und sich selbst zu huldigen.

Die Aufzeichnung der eigentlichen Show beginnt jedoch durchaus überraschend, denn statt eines neuen Vollhorstes, der in Halbplayback schlecht zu den größten Mallorca-Saufhits von Mickie Krause grölt, bekommt man einen ordentlichen, aber verhältnismäßig unspektakulären Showact geboten, der weder zur großen Inszenierung noch zum kollektiven Beleidigungs-Fluss einlädt. Auch der zweite Auftritt des Abends von einer philippinischen Sängerin, deren Song zu üppigen Teilen aus inbrünstig vorgetragenen Tiergeräuschen besteht, wird kaum für den altbekannten bohlesken Beleidigungsfluss genutzt.

Erst danach zeigt sich, dass von der altbekannten RTL-Präsentationsweise seiner Castingshows weiterhin kein Abstand genommen wird. Ein überdurchschnittlich begabtes Mädchen performt den Song Read All About It Pt. III von Emeli Sande, nachdem ihr Bohlen mit den Worten "Lass mal lieber Adele, sing mal die Andere da" von Someone Like You abgeraten wird. Der ohne jeden Zweifel ordentliche Auftritt wird durch diverse übersteuerte Publikumsreaktionen, einer völlig über-euphorisierten Jury und der Tatsache, dass es bereits nach einer Minute kollektive Standing Ovations für die Sängerin gibt, derart hochstilisiert, als hätten gerade Paul McCartney, Freddie Mercury und Celine Dion die Musikwelt mit einem Auftritt revolutioniert.

Unter diesem Übermaß an gescripteter Emotion leidet das Format inzwischen erheblich, da der mündige Zuschauer oft bereits nach wenigen Momenten weiß, in welche Richtung sich die Inszenierung bewegt. Es überrascht weder die allumfassende Ekstase bei jedem gelungenen Live-Auftritt noch das durch zahlreiche Einsätze des Unheilig-Songs Geboren um zu leben begleitete Wiedersehen von Bohlen mit einem seiner größten Entdecker. Nach den Auftritten der üblichen talentfreien Freaks kann man - auch wenn es in dieser Show davon immerhin nur zwei gibt - ebenso die Uhr stellen wie nach dem vor die Kamera gezerrten Kleinkind im Alter von drei Jahren, das leichte Zaubertricks vollführt und damit selbstverständlich den gesamten Saal berührt. Nach sechs Jahren hat die Show ihre Eigendynamik entwickelt, bei der fast alles erwartbar und kalkuliert daherkommt.

Immerhin: Trotz all des Pathos und der geheuchelten Emotionen hat man inzwischen einen deutlichen Gang zurückgeschaltet hinsichtlich der Ausschlachtung einzelner Szenen. So gibt es anders als noch vor zwei bis drei Jahren glücklicherweise kaum noch Zeitlupen, die Sylvie van der Vaarts Mimik in einem einzigen kleinen Moment in mehreren verschiedenen Einstellungen präsentieren. Als am Ende zwei junge Männer ihre Freestyle-Motocross-Performance vollführen, können die Macher zwar erneut nicht ablassen von diesem Stilmittel, allerdings geschieht dies in einem einermaßen eträglichen Rahmen - und bei einer Show, die zumindest einige optische Reize bereithält.

Auch die Jury ist trotz der Rücknahme des Hysterie-Beauftragten Bruce Darnell noch immer weit entfernt von ihrer schlimmsten Zeit, was in erster Linie an den beiden Neuzugängen liegt. Lena Gercke und Guido Maria Kretschmer haben eine darnellsche Selbstinszenierung nicht nötig und halten sich zumeist eher zurück, wirken in ihren Urteilen allerdings erfreulich authentisch, ehrlich und haben mitunter sogar etwas zu sagen. Kretschmer gelingt in der Auftaktsendung der Spagat zwischen Unterhaltung und Substanz am besten und bringt hin und wieder sogar für wenige Sekunden so etwas wie eine intellektuelle Note in die Veranstaltung.

Insgesamt ist nicht davon auszugehen, dass bei der siebten Staffel von «Das Supertalent» wirklich nennenswert vom bisherigen Konzept abgewichen wird. Von dieser Prämisse im Vorfeld auszugehen, wäre allerdings nach inzwischen sechs Jahren Bohlen-Trash auch arg optimistisch gewesen. Von der zweifelhaften Tendenz vor einigen Jahren, eher Talentlosigkeit und Voyeurismus zu präsentieren als wahrhaftige Talente, ist man inzwischen jedoch zumindest in weiten Teilen abgekommen. Somit ist die Sendung in der aktuellen TV-Landschaft recht weit davon entfernt, neue Maßstäbe des menschenverachtenden Fernsehens zu setzen, weshalb man sich als mitdenkender, sich selbst und die von den Sendern präsentierten Inhalte hinterfragender Konsument immerhin schamärmer unterhalten fühlen kann als zu schlimmsten Zeiten. Sucht man jedoch nach einer reinen Talentsuche, welche die niederen menschlichen Instinkte zu keinem Zeitpunkt stimuliert, muss man auch weiterhin von der deutschen Umsetzung von «Britain's Got Talent» Abstand halten. Viel verpasst man dabei ohnehin nicht, denn nach sechs Staffeln gibt es kaum mehr Neues zu entdecken.

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